Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Nürnberg Urteil vom 08.05.2015 - 18 C 8938/14 - Verwertbarkeit privaten Videoaufzeichnungen mit einer Dashcam
AG Nürnberg v. 08.05.2015: Zur Verwertbarkeit privaten Videoaufzeichnungen mit einer Dashcam
Das Amtsgericht Nürnberg (Urteil vom 08.05.2015 - 18 C 8938/14) hat entschieden:
Private Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen können auch unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher und urheberrechtlicher Aspekte sowie unter Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Personen in einem Verkehrsunfallprozess verwertbar sein.
Siehe auch Dashboard-Kamera - On-Board-Kamera und Ungenehmigte Video-und Foto-Personenaufnahmen und deren Verwertung
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.
Unfallbeteiligt war der Kläger mit seinem ..., amtliches Kennzeichen ..., sowie der Beklage zu 1) als Fahrer des bei der Beklagten zu 2) zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversicherten ... amtliches Kennzeichen ....
Am 14.04.2014 gegen 10:40 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug in ... wobei er den rechten Fahrstreifen der im dortigen Bereich mehrspurigen Fahrbahn einhielt. Im weiteren Verlauf gabelt sich die ... in zwei Linksabbiegespuren sowie in eine Geradeaus/Linksabbiegespur und eine Rechtsabbiegespur. Es kam im Bereich der Geradeausspur zu einer Kollision beider Fahrzeuge, wobei der Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist.
Der Kläger filmte mittels einer sogenannten Dash-Cam aus seinem Auto das Verkehrsgeschehen.
Der Kläger macht einen Reparaturschaden in Höhe von 2.132,01 €, eine Unkostenpauschale von 25,00 € sowie Gutachtenkosten in Höhe von 411,53 € geltend. Hierauf hat die Beklagte zu 2) 1.013,56 € reguliert. Daneben begehrt der Kläger Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 2.568,54 € in Höhe von 334,75 €. Hierauf hat die Beklagte zu 2) 201,71 € reguliert.
Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Unfall vom Beklagten zu 1) durch einen Fahrstreifenwechsel allein verschuldet sei. Der Kläger sei dem Verlauf der Fahrbahn gefolgt und habe an der Gabelung den linken Fahrstreifen eingehalten. Der Beklagte zu 1) habe zunächst den mittleren Fahrstreifen der ... in gleicher Fahrtrichtung befahren und sei dann an der Stelle, an der sich die ... in zwei Fahrspuren in Richtung .../... und .../... aufteile, plötzlich und unvermittelt von seinem Fahrstreifen nach rechts gefahren und dort mit dem auf dem linken Fahrstreifen fahrenden klägerischen Fahrzeug kollidiert.
Sein Fahrzeug sei scheckheftgepflegt in markengebundenen Vertragswerkstätten. Bei einer Reparatur bei einem ... vertragshändler fielen UPE-Aufschläge und Verbringungskosten an.
Die Aufzeichnung der Dash-Cam sei als Beweis verwertbar.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.554,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 sowie 133,04 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beklagten tragen vor, dass der Beklagte zu 1) auf der Geradeausspur gefahren sei. Der Kläger habe die Rechtsabbiegespur befahren und sei dann plötzlich auf die Geradeausspur gewechselt und dem Beklagten zu 1) in die Seite gefahren.
Einer Verwertung der Dash-Cam Aufzeichnung widersprechen die Beklagten. Es bestünde ein Beweisverwertungsverbot.
Das klägerische Fahrzeug sei nicht scheckheftgepflegt. Der Kläger könne daher auf die günstigeren Stundensätze einer von den Beklagten benannten Referenzwerkstatt verwiesen werden. UPE-Aufschläge und Verbringungskosten könnten nicht berechnet werden. Bei einer Reparatur in der Referenzwerkstatt ... entstünden nur Reparaturkosten in Höhe von 1.590,60 €.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme der Zeugin ..., die Inaugenscheinnahme der Aufzeichnung der Dash-Cam sowie durch die Erholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.04.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von noch 1.554,98 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 BGB, im Hinblick auf die Beklagte zu 2) in Verbindung mit §§ 115 VVG, 1 PflVG.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklage zu 1) den Unfall verursacht hat und die Beklagten für die Schäden am klägerischen Fahrzeug zu 100 % haften.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug den rechten Fahrstreifen der ... befuhr und dann mit seinem Fahrzeug nach der Ampel diagonal in Richtung Geradeaus/Linksabbiegefahrstreifen lenkte. Das beklagten Fahrzeug bewegte sich hingegen vom mittleren Fahrstreifen rechtsbogenförmig auf den linken Geradeausfahrstreifen.
Dieses Ergebnis steht fest aufgrund der informatorischen Angaben des Klägers, den Angaben der Zeugin ..., der Videoaufzeichnung und den Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. ... .
Der Vortrag des Beklagten zu 1), dass er vor der Ampel auf die vom Kläger befahrene Fahrspur gewechselt sei und dann im weiteren Verlauf den Geradeausfahrstreifen befahren habe, während der Kläger die Rechtsabbiegespur befahren habe und mit seinem Fahrzeug plötzlich nach links hinüber gekommen sei, hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt.
Die Zeugin ..., zum Unfallzeitpunkt Beifahrerin im klägerischen Fahrzeug, schilderte glaubhaft, dass der Kläger die Geradeausspur befuhr. Das Beklagtenfahrzeug habe sie erstmals beim Unfall bemerkt, den Spurwechsel des Beklagtenfahrzeuges habe sie nicht bemerkt. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte der Zeugin nicht zu glauben. Dies räumte ein, dass ihre Unfallschilderung zum Teil nicht auf eigener Wahrnehmung beruht, sondern aus der Videoaufzeichnung abgeleitet ist.
Anhand der Videoaufzeichnung aus dem Fahrzeug des Klägers ist zu erkennen, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug stets die mittlere Spur befuhr und nicht auf der vom Kläger befahrenen Spur hinter diesem fuhr. Der Beklagte zu 1) wechselte dann mit seinem Fahrzeug nach rechts auf die vom Kläger befahrene Fahrspur. Der Kläger befuhr nicht die rechte Spur, um nach links zu wechseln, sondern fuhr unmittelbar nach der Haltelinie an der Ampel diagonal in Richtung Geradeaus/Linksabbiegerfahrstreifen. Insoweit waren die Angaben des Beklagten zu 1) nicht richtig.
Nach Auffassung des Gerichts durfte die vom Kläger mit der Dash-Cam gefertigte Aufzeichnung als Beweis im Verfahren verwertet werden.
Zwar hatte sich das Gericht in der Verfügung vom 12.02.2015 noch dahingehend geäußert, dass es sich der Rechtsauffassung des AG München, Az. 345 C 5551/14, vom 13.08.2014 anschließt und von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Videoaufzeichnung ausgeht. Es steht dem Gericht jedoch zu, in dieser höchst strittigen Rechtsfrage, zu der bisher höchstrichterliche Rechtsprechung nicht existiert, seine geäußerte Auffassung zu überdenken und nach erneuter Prüfung zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen. Insoweit teilt das Gericht nunmehr die von Greger in NZV 2015, S. 114 ff geäußerte Rechtsauffassung, dass die Verwertung von privaten Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen als Beweis verwertbar sein können. Auf die geänderte Rechtsaufassung hat das Gericht im Termin vom 07.04.2015 hingewiesen.
Soweit der Beklagtenvertreter den klägerischen Schriftsatz vom 01.04.2015 als präkludiert rügt, geht dies ins Leere, da es sich lediglich um Rechtsausführungen zur Frage der Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen handelt.
Die Frage, ob sog. Dash-Cam-Videos in einem Zivilgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Zum Teil wird von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen, weil die Verwendung solcher Kameras gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG verstößt, vgl. AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift die in oder an Fahrzeugen mitgeführten Kameras überhaupt erfasst. § 6 b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut des § 6 b Abs. 2 BDSG, wonach der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind, ergibt sich, dass diese Vorschrift ersichtlich auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen abgestellt ist, nicht hingegen jedoch auf Aufzeichnungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus, bei denen die Öffentlichkeit schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden kann.
Zudem ist nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Beobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gerade zulässig. Das berechtigte Interesse kann hier in der Schaffung eines aussagekräftigen Beweismittels im Rahmen eines effizienten Individualrechtsschutzes und einer funktionsfähigen Rechtspflege gesehen werden. Fraglich kann nur sein, ob schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen, was im Rahmen einer Interessensabwägung zu klären ist (s. dazu unten).
Selbst bei einem Verstoß gegen § 6 b BDSG führt dies noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, vgl. Greger, aaO, S. 115 sowie Greger in Zöller, ZPO, 30. A., § 286 Rn. 15 b. Ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot in Zivilverfahren regelt das BDSG gerade nicht.
Neben dem Verstoß gegen § 6 b BDSG wird die Unzulässigkeit der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen auch aus § 22 S. 1 KunstUrhG abgeleitet, der ein Recht am eigenen Bild begründet, so AG München, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 345 C 5551/14, LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14.
§ 22 KunstUrhG gewährt jedoch keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Nach § 24 KunstUrhG dürfen für Zwecke der Rechtspflege Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten öffentlich zur Schau gestellt werden, was eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung in öffentlicher Sitzung ermöglicht. Auch das KunstUrhG enthält kein ausdrückliches Verwertungsverbot. Vielmehr zeigt § 24 KunstUrhG, dass die Verwertung zulässig sein kann.
Bisher wird es in der Rechtsprechung für unproblematisch gehalten, wenn nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen und auch vom Unfallgegner gemacht werden, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligten zu sichern und diese in der Beweisaufnahme zu verwerten. Hier wurde die Verwertbarkeit nicht mit Verweis auf das KunstUrhG in Frage gestellt. Nichts anderes kann indes für Videoaufzeichnungen gelten.
Auch begründen Verstöße gegen einfaches Recht nicht per se Verwertungsverbote.
Ein Schutz vor dem Abgebildetwerden lässt sich nur auf § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stützen, vgl. Greger, aaO, S. 117. Für die Frage der Verwertbarkeit kommt es demnach auf das Ergebnis der Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Interesse an der Verwertung der Aufzeichnung an.
Die Verwertung der Videoaufzeichnung greift in das aus Artikel 2 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. Dies ist beim Beklagten zu 1) sicherlich der Fall. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist jedoch bei unbeteiligten Personen, die als Passanten oder sonstige Verkehrsteilnehmer quasi mitgefilmt werden, schon fraglich. Da es sich hier nur um eine technikbedingte Miterfassung ohne Erkenntnisgewinn handelt, soll der Aufzeichnung wegen der Anonymität der Personen keine Eingriffsqualität zukommen, so Greger, aaO, S. 115 und AG München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13 Rn. 14. So fertigen auch einige der vom Gericht beauftragten Unfallsachverständigen regelmäßig Videoaufzeichnungen des Unfallbereichs, auf denen auch Verkehrsteilnehmer und Passanten zu sehen sind, die dann in öffentlicher Sitzung abgespielt werden. An der Zulässigkeit dieses Vorgehens bestanden und bestehen auch weiterhin keine Zweifel.
Der Eingriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Beklagten zu 1) begründet allein jedoch noch nicht das Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Güte- und Interessensabwägung zu ermitteln, ob der Eingriff vom Betroffenen hingenommen werden muss. Ist ein starker Eingriff nicht zu bejahen, kann das Interesse des Aufzeichnenden überwiegen, vgl. MüKo, ZPO, 4.A., § 284 Rn. 70. Dementsprechend wurden z. B. ohne Wissen der Betroffenen angefertigt Videoaufnahmen bei einer Körperverletzung zur Aufklärung und Beweissicherung ohne Weiteres im Rahmen einer Güterabwägung für verwertbar gehalten, s. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 241. Gleiches muss bei der Aufklärung eines Verkehrsunfalls mit einem entsprechenden Personenschaden gelten. Jedoch auch bei einem Unfall mit einem reinen Sachschaden kann das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmter Personen überwiegen, das im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert ist, wenn lediglich situationsbezogene Aufnahmen vorliegen, so Balzer/Nugel in NJW 2014, 1622, 1624.
Das Verwertungsinteresse des Klägers ist im vorliegenden Fall erheblich. Nachdem beklagtenseits ein anderer Unfallhergang geschildert worden ist, als klägerseits, hat der Kläger ein erhebliches und legitimes Interesse an der Zulassung des Beweismittels, um seine Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Die Videoaufzeichnung dient aber auch dazu, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen, Greger, aaO, S. 115. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, seien die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebiete auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, NJW 2002, S. 3619, 3624.
Zwar soll nach der Rechtsprechung des BVerfG ein schlichtes Beweisinteresse nicht genügen. Jedoch befindet sich bei Verkehrsunfällen der Geschädigte oft in einem Beweisnotstand und kann den exakten Unfallhergang nicht anders beweisen. Zeugenaussagen können nur bedingt zu Aufklärung des Unfallgeschehens beitragen. So konnte hier die Zeugin ... aus eigener Wahrnehmung nicht sagen, welche Spur der Beklagte zu 1) vor der Kollision befuhr. Auch der Sachverständige, der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst kompetenter Sachverständiger bekannt ist, konnte anhand der Schäden und Unfallendstände keine sicheren Angaben darüber machen, ob der Beklagte zu 1), wie von diesem geschildert, noch vor der Kollision einen Fahrstreifenwechsel nach rechts durchführte. Nur mit der Videoaufzeichnung konnte der Kläger die Behauptung des Beklagten, dass dieser vor der Ampel auf die vom Kläger befahrene Fahrspur gewechselt sei und dann im weiteren Verlauf den Geradeausfahrstreifen befahren habe, widerlegen. Nur die Verwertung der Videoaufzeichnung führt hier zu einem materiell richtigem Ergebnis.
Dem ist das Interesse des Beklagten zu 1) entgegenzustellen. Die Aufzeichnung des Verkehrsgeschehen berührt nicht den absoluten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) wird in der Aufzeichnung auch nicht herabgewürdigt.
Zudem ist der aufgezeichnete Lebenssachverhalt auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt. Auf der Videoaufzeichnung ist der Beklagte zu 1) auch nicht als Fahrer des Beklagtenfahrzeuges identifizierbar. Das weiße Firmenfahrzeug der ... ist bei der Heranfahrt des klägerischen Fahrzeuges auf der mittleren Spur zu erkennen. Kurz nach dem Anfahren an der Ampel ist nur noch die vordere linke Ecke des Fahrzeuges zu sehen. Der Beklagte zu 1) ist selbst nicht zu erkennen.
Das Interesse des Beklagten zu 1) nicht eines Verkehrsverstoßes überführt zu werden, ist hingegen kein schützenswertes Interesse. Insgesamt ist das Interesse des Beklagten zu 1) daher eher gering zu bewerten.
Dagegen wiegt das Interesse des Klägers an der vollständigen Unfallaufklärung schwerer, so auch AG München, Urteil vom 06.06.2013, Az. 343 C 4445/13.
Insgesamt ergab sich daher, dass der Beklagte zu 1) den Unfall durch seinen unvorsichtigen Spurwechsel verursacht hat. Ein Spurwechsel des Klägers lag nicht vor. Dieser hat vielmehr nach der Ampel seinen Fahrstreifen gewählt.
Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass der Unfall für den Kläger vermeidbar gewesen wäre, wenn dieser mit seinem Fahrzeug nicht diagonal in Richtung zum Geradeaus/Linksabbiegefahrstreifen gefahren wäre, einen Schulterblick gemacht hätte und auf den Beklagten zu 1) durch Abbrechen der Diagonalbewegung und Lenken nach rechts das Unfallgeschehen noch gerade hätten vermeiden können, so tritt dies hinter dem Verschulden des Beklagten zu 1) zurück. Im übrigen ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger, der den Fahrstreifen nach der Ampelanlage frei wählen durfte, hier einen anderen Fahrweg hätte wählen müssen oder sogar einen Schulterblick hätte machen müssen.
Es ergibt sich folgende Schadensberechnung:
Reparaturkosten netto |
2.132,01 € |
Gutachtenskosten |
411,53 € |
Unkostenpauschale |
25,00 € |
Gesamtschaden |
2.568,54 € |
reguliert |
1.013,56 € |
Restbetrag |
1.554,98 € |
Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass das Fahrzeug des Klägers nicht scheckheftgepflegt sei, so hat der Kläger bereits mit der Klage das Scheckheft vorgelegt. Ausweislich des Scheckheftes wurden sämtliche Wartungen regelmäßig in einer ... Vertragswerkstatt durchgeführt. Hier hätte es der Beklagtenseite oblegen, näher auszuführen, weshalb sie dennoch davon ausgeht, dass das klägerische Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt ist. Das Gericht hatte hierauf mit Verfügung vom 08.01.2015 hingewiesen.
Nachdem das klägerische Fahrzeug scheckheftgepflegt ist, können die Beklagten den Kläger auch nicht auf eine nicht markengebundene Referenzwerkstatt und die Reparaturkosten in einer solchen Werkstatt verweisen.
Hinsichtlich der UPE-Aufschläge hat der Sachverständige im Termin ausgeführt, dass sämtliche ... händler im ... Raum Ersatzteilpreisaufschläge verlangen. Hinsichtlich der Verbringungskosten fallen diese bei einem Mazdavertragshändler ohne Lackiererei an. Insoweit waren auch UPE-Aufschläge und Verbringungskosten zuzusprechen.
Ebenfalls zuzusprechen waren restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Ein Forderungsübergang auf eine Rechtsschutzversicherung ist nicht erfolgt, da der Kläger keine Rechtsschutzversicherung unterhält.
Da es sich bei den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren um erstattungsfähige Kosten der Rechtverfolgung nach § 249 BGB handelt, kommt es nach Ansicht des Gerichts nicht darauf an, ob die Klagepartei die Rechtsanwaltsgebühren bereits bezahlt hat. Als Schadensersatzposition besteht ein Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten, der sich durch die Zahlungsverweigerung der Beklagten in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, vgl. BGH, NJW 2004, 1868.
Die Verzinsung folgt §§ 286, 288 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung erging aufgrund § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erging aufgrund § 709 S. 2 ZPO.
Soweit beklagtenseits beantragt wurde, die Revision zuzulassen, war diesem Antrag jedenfalls durch das Amtsgericht nicht stattzugeben. Für eine Sprungrevision gilt § 566 ZPO. Danach erfolgt nach § 566 Abs. 1 ZPO die Zulassung bei Einwilligung des Gegners in die Sprungrevision durch das Revisionsgericht. Nach § 566 Abs. 2 ZPO ist die Zulassung durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Revisionsgericht zu beantragen.