Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil vom 25.01.2016 - W 6 K 15.1182 - „Vollstreckungsabwehrklage“ gegen Gebühr für eine Ermahnung
VG Würzburg v. 25.01.2016: „Vollstreckungsabwehrklage“ nach Vollstreckungsankündigung aufgrund einer Maßnahme-Gebühr
Das Verwaltungsgericht Würzburg (Urteil vom 25.01.2016 - W 6 K 15.1182) hat entschieden:
Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur nach Maßgabe des Art. 21 VwZVG hat der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind derartige Einwendungen jedoch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können.
Siehe auch Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem und Gebühren und Kosten im Verkehrsrecht
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die angekündigte zwangsweise Vollstreckung von Kosten betreffend eine Ermahnung wegen vier Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
1. Mit Schreiben vom 11. November 2014 ermahnte das Landratsamt Würzburg den Kläger wegen wiederholter Verkehrszuwiderhandlungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG. Verstöße mit Speicherungsdatum im Verkehrszentralregister (VZR) vor dem 1. Mai 2014 seien mit sechs Punkten angerechnet und nach Umstellung auf das Fahreignungssystem seien diese Verstöße mit drei Punkten bewertet worden. Unter Einbeziehung sämtlicher Verstöße betrage der Punktestand somit vier Punkte. Für dieser Ermahnung werde eine Gebühr festgesetzt in Höhe von (Gebühren-Nr. 209, 2. Abschnitt der Anlage zu § 1 GebOSt) 17,90 EUR. An Auslagen für die Postzustellungsurkunde seien 3,45 EUR angefallen. Gesamtbetrag: 21,35 EUR. Das mit Bezug auf die Kostenentscheidung mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 13. November 2014 zugestellt.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 widersprach der Kläger der kostenpflichtigen Ermahnung, denn er habe nicht um diese Anschreiben gebeten. Es sei ein Rechenfehler passiert, für fünf bis sieben Punkte „alt“ ergäben sich drei Punkte „neu“. Es sei schon eine Frechheit gewesen, dass Beamten der Polizei plötzlich Gedächtnisverlust erlitten und ihre ihm gegenüber gemachten Aussagen verleugnet hätten, auch deshalb um die Kosten seiner Ordnungswidrigkeit noch willkürlich von 35,00 EUR auf 160,00 EUR plus einem Punkt hochzuschrauben.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 teilte das Landratsamt Würzburg dem Kläger mit, dass die Ermahnung vom 11. November 2014 zu Recht erteilt worden sei. Die bekannten rechtskräftig gespeicherten Einträge im Fahreignungsregister hätten zum Zeitpunkt der Ermahnung vier Punkte betragen. Gegen die Ermahnung sei Widerspruch nicht möglich. Gegen die Kostenentscheidung sei nur die Klage möglich.
Mit Schreiben vom 2. März 2015 bat das Landratsamt Würzburg den Kläger um Begleichung der ausstehenden Kosten. Die Verstöße vom 15. August 2011 und 1. Dezember 2012 seien zum 5. Januar 2015 getilgt worden. Die Ermahnung sei zu Recht ergangen. Sein momentaner Punktestand betrage unter Vorbehalt einen Punkt.
Mit Schreiben vom 2. März 2015 mahnte das Landratsamt Würzburg gegenüber dem Kläger zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen die Bezahlung der Rückstände an. Die Mahnung betraf einschließlich Mahngebühren von zusätzlich 5,00 EUR einen offenen Gesamtbetrag von insgesamt 26,35 EUR. Für die Festsetzung der Mahngebühren seien die Art. 1, 5 und 6 KG mit Tarif-Nr. 1.I.77 des Kostenverzeichnisses bzw. Art. 20 KG maßgebend.
Mit zwei Schreiben vom 4. März 2015 erklärte der Kläger, dass die Kostenforderung gegen das Grundgesetz verstoße. Niemand könne zweimal für die gleiche Tat bestraft werden. Für das Bußgeld habe er die Ordnungswidrigkeit bezahlt. Er habe sich an die Staatsanwaltschaft Würzburg gewandt. Bis zur schriftlichen Klärung der Angelegenheit werde er keine Kosten begleichen. Die Forderung verstoße gegen das Gebot der Doppelbestrafung.
Mit Schreiben vom 9. April 2015 übersandte das Landratsamt Würzburg ein Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt Würzburg in Höhe von 26,35 EUR. In der Folgezeit wiederholte der Kläger seine Einwände; das Landratsamt Würzburg bat erneut um Begleichung der Kosten.
Mit Schreiben vom 4. November 2015 kündigte das Landratsamt Würzburg dem Kläger die Zwangsvollstreckung an. Er habe die Forderung in Höhe von 26,35 EUR nicht bezahlt. Sie seien daher verpflichtet, die zwangsweise Einziehung der Forderung, insbesondere durch Sach-, Lohn- oder Kontopfändung zu veranlassen, welche mit weiteren Unannehmlichkeiten und zusätzliche Kosten für den Kläger verbunden sei. Um dies zu vermeiden, werde der Kläger letztmals aufgefordert, die offene Gesamtsumme in Höhe von 26,35 EUR bis spätestens 18. November 2015 zu zahlen.
2. Mit Schreiben vom 15. November 2015, bei Gericht eingegangen am 17. November 2015, erhob der Kläger „Vollstreckungsabwehrklage“ gegen das Landratsamt Würzburg. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der Nichtzuständigkeit des Amtsgerichts wende er sich jetzt an das Verwaltungsgericht. Er habe die Ankündigung zur Zwangsvollstreckung erhalten. Dagegen wolle er jetzt klagen. Grund sei ein Fehler der Umrechnung von Punkten nach dem neuen Bußgeldkatalog vom 1. Mai 2014. Wenn er vor der Umrechnung sieben Punkte gehabt hätte, müssten jetzt aktuell drei Punkte in Flensburg stehen. Ihm seien aber immer vier Punkte angerechnet worden, verbunden mit einer Gebühr für eine Ermahnung. Da er diese nicht begleichen wolle und werde, sei die Vollstreckungsankündigung erfolgt. Zwei Vorabschreiben zum VR Flensburg und der BGst Viechtach seien erfolglos geblieben.
3. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 führte das Landratsamt Würzburg im Wesentlichen aus: Die Klage sei bereits unzulässig. Die Ankündigung der Vollstreckung stelle nach erfolgloser Mahnung allein einen letzten Hinweis auf die nun bevorstehende Vollstreckung dar. Sie selbst habe keinen eigenen Regelungsgehalt und damit keine Qualität eines Verwaltungsaktes. Der Zahlungsbescheid an sich könne, nachdem er bereits im Dezember 2014 bestandskräftig geworden sei, nicht mehr angegriffen werden. Die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage werde abgelehnt, da keiner dieser Klageart zugrundliegende Konstellation einschlägig sei. Zudem scheitere die Klage an ihrer Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber einer früher möglichen Anfechtung des Kostenbescheides vom 11. November 2014. Der Kläger trage in seiner Klageschrift allein Argumente gegenüber die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides vor. Aus diesem Grunde werde auch eine Klagebefugnis des Klägers nicht gesehen.
Daneben sei die Klage unbegründet. Die Ankündigung der Vollstreckung sei rechtmäßig. Diese sei keine Vollstreckungsvoraussetzung, sondern ein letzter Hinweis auf die bevorstehende Vollstreckung. Die übrigen Voraussetzungen im Sinne des Art. 23 VwZVG für die bevorstehende Vollstreckung seien gegeben. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch der zugrundeliegende Kostenbescheid an keinem rechtlichen Mangel leide. Ihm liege insbesondere auch eine richtige Sachbehandlung zugrunde. Die Ermahnung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG hätte schriftlich zu erfolgen, da sich im Fahreignungsregister für den Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Punktestand von vier Punkten ergeben gehabt habe. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG sei dieser Zeitpunkt das Datum der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Ordnungswidrigkeit, somit der 9. April 2014. Zu diesem Zeitpunkt sei nach § 4 Abs. 5 Satz 6 StVG die Tilgungsfristen der berücksichtigten Zuwiderhandlungen noch nicht abgelaufen gewesen (Tilgung ab 5.1.2015). Die im Schreiben an das Landratsamt Würzburg vom 1. Dezember 2015 erhobenen Vorwürfe gegen die Beamten der Polizei Würzburg im Ordnungswidrigkeitenverfahren seien nach § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG für die verkehrsrechtliche Ermahnung irrelevant. Die Feststellung von vier Punkten im Fahrerlaubnisregister sei rechtmäßig, da der Punkt für die Ordnungswidrigkeit vom 9. April „2015“ (richtig: 2014) erst nach dem Umrechnungszeitpunkt des 1. Mai 2014 ins Fahrerlaubnisregister eingetragen worden sei. Denn die am Tattag bestehenden Punkte seien nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG umzurechnen und nach neuem Recht einzutragende Punkte zu addieren. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG, der allein in zwei Ausnahmefällen eine nachträgliche Umrechnung vorsehe. Die Ordnungswidrigkeit vom 1. Oktober 2012 sei darüber hinaus zu berücksichtigen gewesen, obwohl nur eine Geldbuße in Höhe von 40,00 EUR festgesetzt worden sei. Nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 StVG müsse die Höhe der festgesetzten Geldbuße für die Entscheidung nach dem 1. Mai 2014 im Falle des § 28 Abs. 3 StVG (hier i.V.m. § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG) außer Betracht bleiben.
4. Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2015 beantragte der Kläger,
das Landratsamt Würzburg zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Kostenbescheid der Ermahnung vom 11. November 2014 samt Mahngebühren in Höhe von 26,35 EUR für unzulässig zu erklären.
Die Beklagtenvertreterin beantragte,
die Klage abzuweisen.
Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage bleibt erfolglos, weil schon viel dafür spricht, dass sie unzulässig ist; jedenfalls ist die Klage insgesamt unbegründet.
1. Die Klage ist unzulässig, da und soweit der Kläger nur Einwendungen gegen den bestandskräftigen Kostenbescheid aus der Ermahnung vom 11. November 2014 geltend macht.
Soweit der Kläger entsprechend seines Vorbringens, das durchweg auf die falsche Berechnung der Punkte nach dem Fahrerlaubnissystem zielt, die Aufhebung des im Ermahnungsschreiben vom 11. November 2014 enthaltenen Kostenbescheides begehrt, ist die Klage unzulässig, weil er die für eine Erhebung einer Anfechtungsklage einzuhaltende Frist von einem Monat offensichtlich nicht eingehalten hat. Auch eine direkte Anfechtung der nachfolgenden einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen wie die Mahnung, die Vollstreckungsanordnung an das Finanzamt und die Ankündigung der Zwangsvollstreckung sind keine anfechtbaren Verwaltungsakte, da jeweils keine Regelung mit Außenwirkung vorliegt bzw. die Maßnahmen nur Voraussetzung für den Beginn oder die Durchführung der Vollstreckung sind (vgl. Harrer/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 23 VwZVG, Erl. 1c), 2d), 4, Art. 24 Erl. 1; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 21 Rn. 6, Art. 23 Erl. III.3).
Soweit der Kläger den zu vollstreckenden Anspruch bestreitet, kann sein Begehren zu seinen Gunsten indes als Antrag ausgelegt werden, die Anordnungbehörde sollte durch an ihn gerichteten Verwaltungsakt die Vollstreckung nach Art. 22 Nr. 1 VwZVG für unzulässig zu erklären. In diesem Fall wäre eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 75 VwGO statthaft; denn die Unzulässigerklärung der Vollstreckung ist ein begünstigender Verwaltungsakt (VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 12.1.2000 – W 8 K 99.907 – juris; Harrer/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 21 Erl. 1; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 21 Rn. 1, 15, 18, 47, 49, 52; Weber, Praxis der Kommunalverwaltung A 19 Bay, Art. 21 VwZVG Erl. 5 und 6.2).
Zweifelhaft ist jedoch weiter die Klagebefugnis, weil der Kläger ausschließlich Einwendungen gegen die Ermahnung vom 11. November 2014 selbst geltend macht, welche allerdings an den Voraussetzungen des Art. 21 Satz 2 VwZVG offensichtlich scheitern, weil die vorgebrachten Gründe nicht erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind. Allerdings wehrt sich der Kläger auch gegen die zusätzliche Mahngebühr in Höhe von 5,00 EUR, so dass er möglicherweise insoweit in seinen Rechten verletzt sein könnte, wenn auch insoweit keine eigenständige Rechtsverletzung geltend gemacht wird.
Ergänzend wird angemerkt, dass das Landratsamt Würzburg in seinem Schreiben vom 7. Dezember 2015 zu Recht hingewiesen hat, dass auch die Voraussetzungen eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO offensichtlich nicht vorliegen.
2. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
Das Unterlassen der Unzulässigerklärung der Vollstreckung seitens des Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Unzulässigerklärung, weil die angekündigte Vollstreckung rechtmäßig ist.
2.1 Die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VwZVG sind gegeben, weil der in der Ermahnung enthaltene Kostenbescheid vom 11. November 2014 unanfechtbar ist und der Kläger seine Verpflichtung zur Zahlung dort festgesetzten 21,35 EUR nicht erfüllt hat. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, nach Art. 23 ff. VwZVG sind gegeben. Die Ermahnung vom 11. November 2014 wurde dem Kläger zugestellt. Die Forderung ist fällig und der Kläger wurde mit Schreiben vom 2. März 2015 gemahnt. Schließlich erfolgte auch entsprechend Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG die Vollstreckungsanordnung an das Finanzamt. Insoweit hat der Kläger auch keine Einwendungen erhoben. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die allgemeinen bzw. besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen würden.
Mit den allein vorgebrachten Einwendungen, die die Berechnung der Punkte nach dem Fahrerlaubnissystem betreffen, welche der Ermahnung nach dem Straßenverkehrsgesetz zugrunde liegen, kann der Kläger von vorneherein nicht durchdringen. Denn die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur nach Maßgabe des Art. 21 VwZVG hat der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind derartige Einwendungen jedoch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind (z.B. Erfüllung, Verzicht, Erlass oder Stundung der Forderung) und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. VG Bayreuth, B.v. 18.5.2015 – B 3 E 15.160 – juris; VG München, B.v. 5.12.2014 – M 6b E 14.4417 – juris). Solche Einwände, die die Voraussetzungen des Art. 21 VwZVG erfüllen, hat der Kläger indes nicht vorgebracht. Durchweg bestreitet der Kläger die materielle Rechtmäßigkeit des in der Ermahnung vom 11. November 2014 enthaltenen rechtskräftigen Gebührenbescheides, aus dem die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieben wird und auch weiter betrieben werden kann. Mit diesen Einwendungen kann er im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden. Solche Einwände hätte der Kläger im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen den zugrunde liegenden Gebührenbescheid konkret mit einer Klage gegen die Ermahnung vom 11. November 2014 vorbringen müssen. Dies hat er unterlassen. Er ist mit seinen dahingehenden Einwendungen nunmehr präkludiert, also ausgeschlossen (vgl. VG München, B.v. 11.6.2014 – M 6b S 14.1301 – juris).
Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermahnung vom 11. November 2014 findet auf der Stufe der Vollstreckung – abgesehen von Ausnahmen (wie etwa Nichtigkeit), die hier nicht vorliegen – nicht mehr statt. Es reicht, wenn der Grundverwaltungsakt, also hier die Ermahnung und die dort enthaltene Gebührenbescheid, rechtswirksam ist. Dessen Rechtmäßigkeit ist nicht erforderlich. Der Kläger muss sich entgegen halten, dass er trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung und trotz des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid vom 11. November 2014, dass das Widerspruchsverfahren abgeschafft und Klage zum Verwaltungsgericht zu erheben ist, gleichwohl dagegen nicht rechtzeitig Klage erhoben. Mit der rechtlichen Regelung des Art. 21 Satz 2 VwZVG soll zum einen bezweckt werden, das Vollstreckungsverfahren von Einwendungen gegen den materiellen Anspruch freizuhalten, zum anderen soll der Grundsatz der Rechtskraft gewahrt bleiben. Der Kläger hatte die Möglichkeit, Einwendungen mit Rechtsbehelfen geltend zu machen, diese hat er aber nicht wahrgenommen. Dem Kläger ist von Rechts wegen und im Interesse der Rechtssicherheit und der effektiven Durchsetzung hoheitlicher Pflichten verwehrt, sich auf dieselben Einwendung nochmals im Nachhinein im Vollstreckungsverfahren zu berufen (vgl. Harrer/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 21 Erl. 2; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 21 Rn. 1 ff., 20 ff., 30).
Die vorstehenden Ausführungen erfassen nicht die Mahngebühr. Auch wenn der Kläger insofern keine Einwendungen geltend gemacht hat, merkt das Gericht gleichwohl an, dass gegen die Mahngebühr in Höhe von 5,00 EUR keine Bedenken bestehen. Die 5,00 EUR Mahngebühr entsprechend der laufenden Nr. 1.I.7/ des Kostenverzeichnisses. Sie bewegen sich am untersten Rand der Rahmengebühr von 5,00 EUR bis 150,00 EUR. Die Mahnkosten sind Nebenkosten zur Hauptsache. Die Mahnung ist eine gebührenpflichtige Amtshandlung (Harrer/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 23, Erl. 2b) und 4). Ein eigener zusätzlicher Leistungstitel ist für die Mahngebühr nicht erforderlich. Mahnkosten werden ohne besonderen Vollstreckungstitel zusammen mit dem Hauptsachanspruch beigetrieben (Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 23 Erl. III.3 und 5).
2.2 Ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen noch darauf ankommt, merkt das Gericht gleichwohl an, dass auch die Ermahnung vom 11. November 2014 und die dort festgesetzten Kosten in Höhe von 21,35 EUR rechtmäßig waren und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt haben.
Die Kosten der Ermahnung wurden zutreffend nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) und dem als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebTSt) erhoben. Nach Nr. 209 GebTSt ist für eine Ermahnung nach dem Fahreignungs- und Bewertungssystem (§ 4 Abs. 5 Satz Nr. 1StVG) eine Gebührenhöhe von 17,90 EUR vorgesehen. Nach § 2 Abs. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner darüber hinaus die Auslagen zu tragen, insbesondere nach Nr. 1 die Entgelte für die Zustellung durch die Post. Zur Zahlung der Kosten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt ist der Kläger verpflichtet, weil er die Amtshandlung veranlasst hat.
Die Kostenerhebung stellt auch keine unzulässige Doppelbestrafung dar. Das vom Kläger zu zahlende Bußgeld, das eine Verkehrsordnungswidrigkeit (hier: Geschwindigkeitsüberschreitung) ahndet, ist von den Kosten der zwingend vorzunehmenden nachfolgenden präventiven Amtshandlung der Fahrerlaubnisbehörde, hier der Ermahnung, zu unterscheiden, die sich pauschalierend auf den Verwaltungsaufwand der Fahrerlaubnisbehörde bezieht. Während der Bußgeldbescheid repressiven Charakter hat, deckt die Ermahnungsgebühr lediglich den zusätzlich vom Kläger veranlassten Verwaltungsaufwand bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
Der Kostenerhebung liegt auch keine unrichtige Sachbehandlung zugrunde (vgl. § 14 Abs. 2 VwKostG i.V.m. § 6 a Abs. 3 Satz 1 StVG und § 6 GebOSt).
Die Ermahnung infolge des Erreichens von vier Punkten ist rechtmäßig erfolgt. Das Landratsamt Würzburg war gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG zwingend dazu verpflichtet, die Ermahnung bei Erreichen von vier Punkten auszusprechen. Ein Ermessen stand ihm nicht zu. Bei der Ermahnung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die die Verwaltungsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen erlassen muss.
Der Ermahnung vom 11. November 2014 lag auch keine falsche Umrechnung der Punkte zugrunde. Maßgebend für die Umrechnung ist nicht der Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes, sondern der Zeitpunkt der Eintragung ins Fahrerlaubnisregister. Ausgehend davon hat das Landratsamt Würzburg die vom Kläger bis zum 30. April 2014 infolge der ersten beiden Verkehrsverstöße im damaligen Verkehrszentralregister eingetragenen sechs Punkte zutreffend in drei Punkte nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG). Die der Ermahnung zugrundeliegende Eintragungen waren zum Zeitpunkt des Erlasses der Ermahnung alle noch verwertbar, insbesondere waren sie nicht gelöscht oder tilgungsreif. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 StVG waren die maßgeblichen Vorschriften auch mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von 60,00 EUR die Grenze von 40,00 EUR gilt.
Den zutreffend umgerechneten drei Punkten war der nach neuem Recht einzutragende weitere Punkt zu addieren. Denn bei einer vor der Rechtsänderung zum 1. Mai 2014 begangenen, aber erst danach im Fahreignungsregister eingetragenen Zuwiderhandlung erfolgt die Berechnung des Punktestandes am Tattag durch Umrechnung des nach alten Rechts bestehenden Punktestands nach der Tabelle des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG und Addition der nach neuem Recht hinzukommenden Punkte (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2015 – 11 BV 14.2839 – VRS 128, 206; B.v. 15.4.2015 – 11 BV 15.134 – NJW 2015, 2139; OVG NRW, B.v. 15.4.2015 – 16 B 81/15 – NJW 2015, 2138).
Der Punktestand musste entgegen der Auffassung des Klägers nicht insgesamt nach dem am Tattag geltenden Recht berechnet und dann nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG umgerechnet werden. Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden, aber erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, können im Rahmen der Umrechnung des Punktestandes nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG nicht berücksichtigt werden. Die Übergangsregelungen in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 und Nr. 4 Satz 1 StVG treffen eine Sonderregelung, die eine Ausnahme von dem ansonsten nach neuem Recht geltenden Tattagprinzip (§ 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 StVG) normiert (HamOVG, B.v. 16.11.2015 – 4 Bs 207/15 – juris). Denn auf alle Zuwiderhandlungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangen, aber erst nach dem Stichtag des 1. Mai 2014 eingetragen werden, ist das neue Recht anwendbar (Zwerger, jurisPR-VerkehrR 6/2014, Anm. 1). Für die Eintragung der Ordnungswidrigkeit vom 9. April 2014 in das Fahreignungsregister ist nach § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG das Straßenverkehrsgesetz in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Diese Ordnungswidrigkeit wurde zwar bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangen, aber erst danach rechtskräftig geahndet und eingetragen. Die Übergangsregelung des § 65 StVG stellt ausdrücklich auf den Stichtag des 30. April 2014/1. Mai 2014 ab, so dass relevant ist, ob die Speicherung/Eintragung im Fahrerlaubnisregister vor oder nach diesem erfolgte.
Die Berechnung des Punktestandes bei einer vor der Rechtsänderung zum 1. Mai 2014 begangenen, aber erst danach eingetragenen Ordnungswidrigkeit durch Umrechnung des nach alten Recht bestehenden Punktestandes nach der Tabelle des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG und Addition der nach neuem Recht neu hinzukommenden Punkte verstößt nicht gegen Grundrechte oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG NRW, B.v. 20.8.2015 – 16 B 678/15 – DAR 2015, 718; BayVGH, B.v. 18.5.2015 – 11 BV 14.2839 – VRS 128, 206). Diese Regelungen verstoßen auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Das Vertrauen eines wiederholt in Erscheinung tretenden Verkehrsteilnehmers darauf, dass sich die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung seiner Verkehrsverstöße für die Zukunft nicht ändert, ist nicht oder jedenfalls nicht überwiegend schutzwürdig ist. Die Übergangsregelungen in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StVG sehen keinerlei Differenzierungen vor, sondern sie stellen unterschiedslos und ohne Rücksicht auf die hierfür maßgeblichen Gründe auf den Zeitpunkt der Eintragung von Taten im Verkehrszentral- bzw. Fahreignungs-Register ab und sind schlichte Folge einer zulässigen Stichtagsregelung (HamOVG, B.v. 16.11.2015 – 4 Bs 207/15 – juris).
Auch soweit der Kläger die Entscheidung des Amtsgerichtes Würzburg betreffend das verhängte Bußgeld und die darauf basierende Bewertung mit einem Punkt moniert, ist dieses Vorbringen irrelevant. Denn die Fahrerlaubnisbehörde ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG an eine rechtskräftige Entscheidung über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gebunden. Diese Bindung der Fahrerlaubnisbehörde gilt unmittelbar auch für Gerichte, da diese lediglich die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörden überprüfen (Dauer in Henschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 42. Auflage 2015, § 4 Rn. 4, 43). Rechtskräftige Bußgeldbescheide entfalten auch im Rahmen des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems nach § 4 StVG Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde in gleicher Weise wie gerichtliche Entscheidungen auch dann, wenn sie selbst keiner gerichtlichen Überprüfung unterzogen wurden. Die Bindung besteht grundsätzlich – abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen – bei möglicher evidenter Unrichtigkeit – unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit des Bußgeldbescheides (BayVGH, B.v. 31.10.2014 – 11 CS 14.1627 – juris; VGH BW, B.v. 4.11.2013 – 10 S 1933/13 – NJW 2014, 487). Im Ergebnis sind Fahrerlaubnisbehörde und Gericht unabhängig von der Richtigkeit der Bußgeldentscheidung daran gebunden. Eine nochmalige Überprüfung des Verkehrsverstoßes und dafür fälligen Bußgeldes und der weiteren Folgen hat gemäß § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG nicht stattzufinden.
Nach alledem war das Vorgehen des Landratsamtes Würzburg insgesamt auf jeder Stufe des Verfahrens rechtmäßig.
3. Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 26,35 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung resultiert aus § 52 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG.