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OLG München Urteil vom 11.09.2015 - 10 U 4282/14 - Vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand
OLG München v. 11.09.2015: Erwerbsschaden nach Kfz-Unfall durch vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand
Das OLG München (Urteil vom 11.09.2015 - 10 U 4282/14) hat entschieden:
- Wird ein Beamter auf Grund einer Unfallverletzung vorzeitig in den Ruhestand versetzt, besteht der Erwerbsschaden (§ 843 I BGB) für die Zeit bis zur fiktiven Versetzung in den Ruhestand aus Altersgründen in dem Ausfall der vollen Dienstbezüge.
- Das Zivilgericht darf davon ausgehen, dass die Frühpensionierung adäquate Folge des Unfalls war, wenn ausweislich des gerichtlich eingeholten psychiatrischen Gutachtens bei dem Beamten eine unfallbedingte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine mittelgradige depressive Störung vorhanden ist und die Ruhestandsversetzung des Beamten auf Grund eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses erfolgte, das letztlich die auch vom gerichtlich bestellten psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierten Beschwerden des Beamten enthält.
Siehe auch Erwerbsschaden - Einkommensnachteile - Verdienstausfall - entgangener Gewinn und Psychische Unfallfolgen
Gründe:
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 03.09.2008 gegen 12.30 Uhr geltend, bei dem die Klägerin in einem Linienbus der Beklagten in I. zu Sturz kam. Mit rechtskräftigem Endurteil des Landgerichts Ingolstadt (Aktenzeichen 31 O 1439/09) vom 14.09.2010 wurde festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin Schäden, die ihr aufgrund des Unfalls vom 03.09.2008 entstanden sind und entstehen werden, zur Hälfte zu ersetzen hat.
Vor dem Unfall vom 03.09.2008 war die Klägerin als Beamtin bei dem Landesamt für Finanzen in I. in der Besoldungsgruppe A 7 tätig. Sie arbeitete in hälftiger Teilzeit. Wegen Dienstunfähigkeit wurde die Klägerin mit Wirkung zum 01.08.2010 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Von Dezember 2008 einschließlich Juli 2010 erhielt die Klägerin monatliche Nettobezüge von 929,29 €. Ab dem 01.08.2010 erhält die Klägerin monatliche Versorgungsbezüge von 1.192,95 € netto. Bei Ausübung einer Vollzeittätigkeit hätte die Klägerin monatlich netto 1.728,28 € erhalten.
Die Klägerin trägt vor, sie habe beabsichtigt, im November 2008 eine Vollzeitstelle anzunehmen. Seitens ihres Dienstherrn habe einer Aufhebung der Reduzierung der Tätigkeit der Klägerin auf die Hälfte nichts im Wege gestanden. Wegen der von ihr bei dem Unfall vom 03.09.2008 erlittenen Verletzungen habe sie aber eine Vollzeitstelle und eine zuvor in Vollzeit geplante Fortbildungsmaßnahme nicht antreten können. Auch die Ruhestandsversetzung zum 01.08.2010 sei ursächlich auf das Unfallgeschehen und die dabei von der Klägerin erlittenen Verletzungen zurückzuführen. An Vorerkrankungen vor dem September 2008, die ohnehin einer Vollzeittätigkeit entgegengestanden hätten, habe die Klägerin nicht gelitten.
Die Beklagte behauptet, die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin sei nicht auf das Unfallereignis vom September 2008 zurückzuführen. Die Klägerin habe es daher auch nicht unfallbedingt unterlassen, eine Vollzeitstelle anzutreten. Ebenso beruhe die Ruhestandsversetzung der Klägerin nicht auf dem Geschehen vom 03.09.2008. Die Klägerin habe unabhängig von dem Unfall an einer Vielzahl von Fremderkrankungen psychischer und somatischer Art gelitten. Zudem stünden die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin, die unstreitig einen Dienstwegeunfall erlitten hat, nicht ihr, sondern allenfalls ihrem Dienstherrn, auf den sie übergegangen seien, zu.
Hinsichtlich des übrigen Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 31.10.2014 (Bl. 280/290 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Ingolstadt hat nach umfangreicher Beweisaufnahme (vgl. hierzu S. 5 des Ersturteils) der Klage stattgegeben.
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 04.11.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem beim Oberlandesgericht München am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 306/307 d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 04.02.2015 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 332/346 d. A.) unter Vertiefung des bisherigen Vortrags begründet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung (Aufhebung) des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und im Wege einer beim Oberlandesgericht München am 03.12.2014 eingegangenen Anschlussberufung (Bl. 308/309 d. A.),
in Abänderung der Ziff. 2 des Endurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 31.10.2014
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich Dezember 2027 jeweils für drei Monate im Voraus eine Rente von 803,01 € zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin führt zur Begründung der Anschlussberufung aus, dass lediglich versehentlich in erster Instanz entgegen der Ausführungen in der Klagebegründung unterlassen wurde, die der Klägerin zustehende Erwerbsschadensrente bis zur fiktiven Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, dies sei in der Berufungsinstanz durch Klageerweiterung nachzuholen.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung und die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 03.07.2015 (Bl. 365/367 d. A.) Bezug genommen.
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, die als Anschlussberufung auszulegende (vgl. Verfügung vom 16.12.2014, Bl. 322/323 d.A., mit Einverständnis der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 15.01.2015, Bl. 331 d.A.) Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
I.
Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erwerbsschadensersatz bejaht (nur insoweit liegt eine Berufungsrüge vor). Wird ein Beamter wie hier auf Grund der Verletzung vorzeitig in den Ruhestand versetzt, besteht der Erwerbsschaden für die Zeit bis zur fiktiven Versetzung in den Ruhestand aus Altersgründen in dem Ausfall der vollen Dienstbezüge (BGH VersR 1960, 81; 1987, 953; OLG Celle VersR 1960, 617). Entsprechend dem erweiterten Antrag der Klägerin in der Berufungsinstanz steht ihr die Rente daher im Hinblick auf ihren unfallbedingten Erwerbsschaden (§ 843 I BGB) auch bis Dezember 2027 zu.
Die Haftungsverteilung dem Grunde nach von 50 zu 50 steht rechtskräftig mit Endurteil des LG Ingolstadt vom 14.09.2010 (31 O 1439/09) fest und ist bei der Berechnung des Schadens zu berücksichtigen.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Dienstunfähigkeit der Klägerin (Beamtin bei dem Landesamt für Finanzen in I. in der Besoldungsgruppe A 7) unfallbedingt war und die Klägerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (Beweismaß des § 287 I ZPO) zum November 2008 von Teilzeit auf Vollzeit übergegangen wäre und deshalb ab dann die Vollzeittätigkeit zur Grundlage der Berechnung des Erwerbsschadens gemacht werden muss. Denn fiktive oder hypothetische Einkünfte aus einer bislang nicht oder wie hier nicht in diesem Umfang ausgeübten Tätigkeit sind zu ersetzen, wenn ihr Eintreffen, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, zu erwarten gewesen wäre (vgl. Geigel/Pardey, Der Haftpflichtprozess, 27 Aufl. 2015, Kap. 4 Rd. 92).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angefochtene Entscheidung des LG Ingolstadt Bezug genommen, in der zu allen relevanten Punkten zutreffend Stellung genommen worden ist.
1. Dem Erstgericht ist kein Fehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen.
Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 [juris] und zuletzt Urt. v. 21.06.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat a.a.O. ); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH a.a.O. ; Senat a.a.O.).
Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme oder Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht überzeugend aufgezeigt worden.
Das Erstgericht hat zutreffend das Beweismaß des § 287 ZPO zugrunde gelegt und die insoweit geltenden Regeln beachtet. Bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem unstrittigen oder bewiesenen Haftungsgrund (Rechtsgutverletzung) und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO; vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 I 1 ZPO freier gestellt: Zwar kann er auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist; im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt - hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere oder deutlich höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301; BGH VersR 1968, 850 [851]; 1970, 924 [926 f.]; BGHZ 126, 217 ff. = NJW 1994, 3295 ff.; NJW 2003, 1116 [1117]; 2004, 777 [778]; NJW-RR 2005, 897; Senat NZV 2006, 261 [262], Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 546 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [juris] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, Rz. 122] und zuletzt Urt. v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [204]). § 287 I 1 ZPO entbindet aber nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen „alles offen“ bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (so BGH VersR 1970, 924 [927]; Senat NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [juris] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, Rz. 123]).
Da unbestritten körperliche Verletzungen vorlagen (vgl. hierzu nur S. 1 der Anlage BK 1, auf die sich die Berufungsführerin ausdrücklich bezieht), das Erstgericht von der Berufungsführerin nicht angegriffen davon ausgeht, dass die Klägerin am verletzten Fuß noch weiter Schmerzen empfindet (vgl. S. 7 des Ersturteils), stellen sich die behaupteten psychischen Beeinträchtigungen als Begleiterscheinungen (psychische Komorbidität, wie der Sachverständige Prof. Dr. P. feststellte) der feststehenden Erstverletzung dar. Soweit die Berufungsführerin meint, eine Primärverletzung würde nicht vorliegen, da die körperlichen Verletzungen keine Dienstunfähigkeit hervorgerufen hätten, ist dies abzulehnen. Die Frage der Primärverletzung richtet sich nicht nach den Auswirkungen der Verletzung. Für die Frage, welche durch die Erstschädigung entstandenen Schadensfolgen (haftungsausfüllende Kausalität) vorhanden sind, ist der Beweismaßstab des § 287 ZPO anzuwenden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 287 ZPO Rd. 3 m.w.N.). Dieser Beweismaßstab musste daher für die hier relevanten Fragen, ob die Klägerin unfallbedingt eine psychische Erkrankung erlitten hat, und ob sie dadurch dienstunfähig wurde, angewendet werden.
Ob der Beweismaßstab des § 287 oder der strengere des § 286 ZPO anzuwenden ist bezüglich der Frage, ob die Klägerin ohne das Unfallereignis noch im Jahr 2008 eine Vollzeitstelle hätte antreten können, kann dahingestellt bleiben, denn die Klägerin hat ihre Behauptung durch ihre Angaben sowie die Aussagen des Zeugen O. und ihres Ehemannes auch mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO bewiesen. Die Ausführungen des Erstgerichts zu diesem Punkt (S. 8f. des Ersturteils) geben keine Anhaltspunkte dafür, das Erstgericht habe sich insoweit keine Gewissheit i.S.d. § 286 I ZPO verschafft, sondern sei nur von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 287 ZPO ausgegangen.
Der Einwand der Beklagten, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin die Vollzeitstelle nicht angetreten habe, hätten die Unfallverletzungen „erwiesenermaßen“ doch keine Dienstunfähigkeit begründet, überzeugt nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz ist die Klägerin infolge des Unfalls psychisch erkrankt. Letztlich beinhaltet die Rechtsauffassung der Berufungsführerin ein in Abrede stellen einer psychischen Erkrankung als Verletzungsfolge. Psychische Schäden sind aber körperlichen Schäden haftungsrechtlich im Grundsatz gleichgestellt, da eine Gesundheitsbeschädigung i.S.d. § 823 I BGB keine physische Einwirkung auf den Körper voraussetzt, sie kann auch psychisch vermittelt werden (st. Rspr., BGH NJW 1971, 1883). Dementsprechend ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Klägerin aus psychischen Gründen eine Wiederaufnahme der Tätigkeit, ob Teilzeit oder Vollzeit, nicht mehr möglich war, auch wenn dies auf der Grundlage der körperlichen Verletzungen nicht begründet werden kann.
2. Ist die Versetzung in den Ruhestand wie hier ausschließlich wegen des gesundheitlichen Zustandes des Beamten ausgesprochen worden, der sich aus dem erlittenen Verkehrsunfall entwickelt hat, so endet damit die Nachprüfbarkeit des Verwaltungsakts durch die ordentlichen Gerichte; es kann nicht geltend gemacht werden, die Pensionierung sei wegen der Unfallfolgen nicht sachlich geboten gewesen (BGH in stRspr. seit VersR 1959, 132 [134], z.B. VersR 1961, 595 [596] und 638 [639]; 1967, 953 [954]; 1969, 75 [76] und 538; 1972, 975; 1983, 488; OLG Frankfurt a.M. NZV 1993, 471 [472] = VRS 86 [1994] 17 [19]; OLG Bamberg OLGR 1998, 231; KG KGR 1998, 416 [418]; OLG Karlsruhe VersR 1998, 1115 [1116] und OLGR 1998, 431 [432]). Das Zivilgericht hat nur zu prüfen, ob die Frühpensionierung eine adäquate Folge des Unfalls ist (BGH VersR 1964, 1207 [1208]; 1969, 75 [76]), letztlich also, ob sich der gesundheitliche Zustand aus dem Verkehrsunfall entwickelt hat oder nicht.
3. Unerheblich ist in Fällen wie dem vorliegenden, ob der Beamte Vorerkrankungen hat, da der Schädiger bekanntlich keinen Anspruch hat, nur auf einen Gesunden zu treffen (BGHZ 132, 341 [345]; 137, 142 [145]; speziell für Fallgestaltungen wie der vorliegenden OLG Bamberg OLGR 1998, 231; KG KGR 1998, 416 [418]; OLG Karlsruhe OLGR 1998, 431 [432]; Drees VersR 1987, 739 [744 sub III 7]), solange nicht der adäquate Kausalzusammenhang oder der Rechtswidrigkeitszusammenhang unterbrochen worden ist, wie in den Fällen, wo anlässlich des Unfalls eine andere, zur Frühpensionierung in dem betreffenden Zeitraum führende Erkrankung zu Tage getreten ist (BGH VersR 1968, 800 [802]; OLG Hamm NZV 2001, 171 [172]), was die Berufungsführerin nicht konkret behauptet hat. Darüber hinaus liegt kein Rechtsfehler des Erstgerichts vor, in diesem Fall kein gesondertes Vorerkrankungsverzeichnis erholt zu haben. Denn die Klägerin hat mit Anlage K 13 ein Gutachten vorgelegt, in der der Amtsarzt Dr. H. bestätigt hat, dass die medizinische Vorgeschichte frei von relevanten Vorerkrankungen bzw. Unfällen ist. Soweit die Berufungsführerin auf das von der Klägerin angestrengte Feststellungsverfahren wegen des Schwerbehindertengrades Bezug nimmt, fehlt es schon an einer nachvollziehbaren Differenzierung, welche der aufgelisteten Beschwerden aus der Zeit vor dem Unfall stammen sollen.
4. Ausweislich des erholten psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. ist bei der Klägerin eine unfallbedingte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD 10 F45.41) und eine mittelgradige depressive Störung (F32.1) vorhanden. Die Ruhestandsversetzung der Klägerin erfolgte auf Grund eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern vom 23.03.2010 (Dr. H., Anlage K 13), das letztlich die auch nunmehr vom gerichtlich bestellten psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierten Beschwerden der Klägerin enthält (vgl. hierzu Schreiben des Landesamts für Finanzen vom 26.07.2011, Anlage K 12). Das Landgericht durfte deshalb rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Frühpensionierung adäquate Folge des Unfalls war. Eine weitere Prüfung war entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsführerin auch nicht veranlasst. Da die Beklagte bislang nicht vorgetragen hat, es im Übrigen derzeit nach Aktenlage auch nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin zwischenzeitlich wieder gesundet ist, bedarf es nicht der Spekulation, was sein wird, sollte sich die Klägerin tatsächlich einmal wieder gesundheitlich rehabilitieren. Inwieweit die Klägerin dann verpflichtet sein könnte, aus Schadensminderungsgründen wieder eine Arbeitstätigkeit auszuführen und in welchem Rahmen ihr dies überhaupt schon aus arbeitsmarkttechnischen Gründen möglich ist, braucht derzeit nicht geklärt werden (vgl. hierzu § 323 ZPO).
5. Soweit die Berufungsführerin die Beweiswürdigung des Ersturteils als zu knapp bzw. oberflächlich und deshalb als unzureichend beanstandet, ist auf folgendes hinzuweisen: Selbst nach § 286 I 2 ZPO muss der Tatrichter nur die für seine Überzeugungsbildung leitenden Gründe angeben. Es muss einerseits erkennbar werden, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert eines Beweismittels erfolgt ist (Zöller/Greger a.a.O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]; Schneider MDR 1998, 997 [1000 f.]; Pukall, Der Zivilprozess in der Praxis, 6. Aufl. 2006, Rz. 876). Der Tatrichter muss sich aber im Urteil nicht mit jedem denkbaren Gesichtspunkt, jeder Behauptung und jeder Zeugenaussage ausdrücklich oder gar ausführlich auseinandersetzen (RGZ 156, 314 [315]; BGHZ 3, 162 [175]; BGH NJW 1987, 1557 [1558]; BAG NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]; VRS 112 [2007] 328 [330]; NZV 2009, 390 (391); Zöller/Greger a.a.O. ), erforderlich ist nur, dass sich aus den Gründen ergibt, dass eine sachgerechte Beurteilung i. S. v. § 286 I 1 ZPO überhaupt stattgefunden hat (RG JW 1911, 946; 1912, 754; BGH a.a.O. ; ferner BGHZ 126, 217 = NJW 1994, 3295 [3297 zu § 287 ZPO: Es muss eine Begründung vorhanden sein, „die wenigstens in groben Zügen sichtbar macht, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“, insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]; Thomas/Putzo/Reichold a.a.O. § 286 Rz. 5; Zöller/Greger a.a.O. ). Nach § 313 III ZPO sollen die Entscheidungsgründe im Übrigen nur eine „kurze Zusammenfassung“ der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Ein Gericht braucht deshalb nicht jedes Parteivorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu behandeln (BVerfG RdL 2004, 68 [unter II 1 a]; BGHZ 3, 162 [175]; 154, 288 [300 unter II 3 b bb (3)] = NJW 2003, 1943 [1947]; NJOZ 2005, 3387 [3388]; NJW 2011, 1442 [1446, Tz. 50]; BAG NZA 2005, 652 [653]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05). Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinander setzen, rechtfertigt daher nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Vielmehr bedarf es hierzu besonderer Umstände (vgl. BVerfG a.a.O. ; BGH a.a.O. ; BAG a.a.O. ; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06 sowie Urt. v. 06.10.2006 - 10 U 1963/06).
Der Berufungsführerin ist zwar Recht zu geben, dass die landgerichtlich Begründung lediglich in groben Zügen unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten erläutert, weshalb es davon ausgeht, dass die Klägerin unfallbedingt wegen einer psychischen Erkrankung frühpensioniert wurde, dennoch reicht die Begründung aus, war das sachverständige Ergebnis eindeutig.
a) Die Vorstellung der Beklagten, der psychisch Erkrankte könnte doch immerhin noch eine sitzende Beamtentätigkeit durchführen, stellt eine durch nichts begründete Behauptung dar, die als generalisierende unsachliche Verhöhnung von psychisch kranken Menschen, aber auch des Beamtentums, keiner weiteren Bemerkung mehr bedarf. Unverständlich erscheint der von der Beklagten im Schriftsatz vom 09.06.2015 behauptete Konflikt zwischen orthopädischen und psychiatrischen Gutachten. Ein derartiger Konflikt besteht nicht, da in den Gutachten unterschiedliche Verletzungen untersucht wurden.
b) Soweit die Berufungsführerin das vom Sachverständigen Prof. Dr. P. angewandte Ausschlussprinzip angreift, überzeugt der Berufungsvortrag ebenfalls nicht. Der Senat kann als Spezialsenat für Verkehrsunfälle aller Art aus einer Vielzahl erholter psychiatrischer Gutachten feststellen, dass regelmäßig der psychiatrisch tätige Sachverständige bezüglich der Frage der Unfallkausalität mit dem Ausschlussprinzip arbeiten muss, also zu ermitteln hat, ob es nicht andere Ursachen für die von der Klägerin geklagten und attestierten Beschwerden gibt. Ursache ist letztlich der Stand der medizinischen Wissenschaft, der noch nicht in der Lage ist, in jedem Fall die maßgeblichen Ursachen psychischer Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf den Körper zu beschreiben.
c) Soweit sich die Berufungsführerin auf ein nach dem Ersturteil erholtes Gutachten des medizinischen Instituts für transkulturelle Kompetenz (MITK) vom 17.12.2014 (Anlage BK 1) bezieht, rechtfertigt diese ärztliche Stellungnahme keine ergänzende Beweiserhebung. Zunächst ist schon festzuhalten, dass der Stellungnahme nicht zu entnehmen ist, welche Akten die D. A. GmbH an den Facharzt B. gesandt hat, also ob dieser zumindest über die Faktenlage der gerichtlich bestellten Sachverständigen verfügte. Jedenfalls hat dieser im Gegensatz zu den Gerichtsgutachtern die Klägerin nicht persönlich untersucht.
aa) Soweit dort (Anlage BK 1 und darauf Bezug nehmend in der Berufungsbegründung) bemängelt wird, der Sachverständige Prof. Dr. P. hätte den Angaben der Klägerin nicht glauben dürfen, weil die Angaben „geprägt durch Inkonsistenz und Widersprüche“ (vgl. S. 13 der Berufungsbegründung, S. 11 Anlage BK 1) seien, überzeugt die Begründung hierzu (vgl. S. 7f. Anlage BK 1) nicht. Der Facharzt B. setzt sich nicht mit der Frage auseinander, wonach festgestellt wurde, dass die von der Klägerin beklagten Schmerzen und Beschwerden gerade weitgehend nicht körperlich begründbar sind. Dies ist Symptom des psychischen Beschwerdebilds und rechtfertigt nicht die Annahme, die Klägerin würde unwahre Angaben machen. Dass die Angaben der Klägerin bezüglich der Einschränkungen im Alltag je nach Zeitpunkt der Begutachtung variieren, spricht für die Glaubhaftigkeit der Angaben. Selbst ein medizinischer Laie weiß, dass der Gesundheits- und Krankheitszustand von Menschen nicht jeden Tag konstant ist, sondern unterschiedlich, mit besseren und schlechteren Episoden verläuft. Bezüglich der Tatsache, dass eine neuropsychologische Untersuchung erst am Nachmittag angesetzt wurde, kann nicht nachvollzogen werden, weshalb dies die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin in Zweifel ziehen soll.
bb) Soweit auf S. 11 (Anlage BK 1) angemahnt wird, dass ausführliche nervenärztliche Berichte über den Verlauf der Behandlung über 5 Jahre fehlen, ist eine Relevanz für die hier entscheidende Frage, ob die Frühpensionierung eine adäquate Folge des Unfalls war, nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Frage der Überprüfung der von der Klägerin nach der Pensionierung behauptet eingenommenen Medikamente.
cc) Inwieweit die Diagnose der gerichtlich bestellten Sachverständigen anderen Gutachten widersprechen soll, wird nicht näher erläutert.
6. Auch sachlich-rechtliche Fehler sind nicht ersichtlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt keine unzutreffende Schadensberechnung vor. Die von der Berufungsführerin in der Berufungsbegründung vorgenommene Schadensberechnung missachtet das Quotenvorrecht des Beamten (vgl. hierzu BGHZ 22, 136; BGH VersR 1998, 639; OLG Brandenburg Schaden-Praxis 2012, 6). Dieses Vorrecht bedeutet, dass in den Fällen, in denen einem Beamten trotz der aus Anlass des Schadensereignisses erbrachten Leistungen des Dienstherrn ein Schaden verblieben ist, der Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) aber nur für einen Teil des entstandenen Schadens aufkommen muss, der Beamte mit Vorrang vor dem Dienstherrn, der wegen seiner Leistungen aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche geltend macht, seinen Restschaden aus der Haftungsquote des Schädigers (bzw. dessen Haftpflichtversicherers) liquidieren kann (BGH VersR 1998, 639). Bezüglich der Anrechnung der vom Dienstherrn bezahlten Versorgungsbezüge handelt es sich nicht um einen Vorteil, der erst nach der Berechnung des Schadens abgezogen werden darf (vgl. etwa Senat, Urt. v. 15.09.2006 - 10 U 2749/06 n.v.), sondern um die Frage des Forderungsübergangs (vgl. hierzu Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rd. 104). Es ist deshalb richtigerweise der tatsächlich gezahlte Rentenbetrag von dem Betrag der aktiven Bezüge abzuziehen und die Differenz zu quoteln (vgl. hierzu OLG Brandenburg, a.a.O.). Die Beklagte ist insoweit geschützt, als ihr (zu Lasten des Dienstherrn der Klägerin) übergegangene Ansprüche nur in der Hälfte der Aktivbezüge abzüglich der hier zugesprochenen Beträge entgegengehalten werden können.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 97 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.