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EuGH Urteil vom 21.01.2016 - C-359/14 - Regressabwicklung bei Beteiligung von Gespannen

EuGH v. 21.01.2016: Regressabwicklung bei Beteiligung von Gespannen


Der EuGH (Urteil vom 21.01.2016 - C-359/14) hat entschieden:
Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift keine spezielle Kollisionsnorm zur Bestimmung des auf die Regressklage zwischen Versicherern in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren anzuwendenden Rechts enthält.

Die Verordnungen (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sind dahin auszulegen, dass das auf eine Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden der Opfer eines vom Fahrer dieses Fahrzeugs verursachten Unfalls beglichen hat, gegen den Versicherer des bei diesem Unfall gezogenen Anhängers anzuwendende Recht nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung bestimmt wird, wenn die nach den Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung auf diesen Unfall anzuwendenden deliktischen Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadensersatzpflicht vorsehen.


Siehe auch Unfälle mit Auslandsberührung und Nationaler und internationaler Gerichtsstand für Kfz-Haftpflichtklagen


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

21. Januar 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Rechtswahl – Verordnungen (EG) Nr. 864/2007 und (EG) Nr. 593/2008 – Richtlinie 2009/103/EG – Von einem Lastwagen mit Anhänger verursachter Unfall, bei dem die beteiligten Fahrzeuge bei verschiedenen Versicherern versichert sind – Unfall, der sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Versicherungsverträge abgeschlossen wurden, ereignet hat – Regressklage zwischen den Versicherern – Anzuwendendes Recht – Begriffe der vertraglichen und der außervertraglichen Schuldverhältnisse“

In den verbundenen Rechtssachen C-359/14 und C-475/14

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht der Stadt Vilnius, Litauen) und vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens) mit Entscheidungen vom 15. Juli und 8. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Juli und 17. Oktober 2014, in den Verfahren

„ERGO Insurance“ SE, vertreten durch die „ERGO Insurance“ SE Lietuvos filialas,

gegen

„If P&C Insurance“ AS, vertreten durch die „IF P&C Insurance” AS filialas (C-359/14), und

„Gjensidige Baltic“ AAS, vertreten durch die „Gjensidige Baltic“ AAS Lietuvos filialas,

gegen

„PZU Lietuva“ UAB DK (C-475/14)

erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen S. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der „ERGO Insurance“ SE, vertreten durch die „ERGO Insurance“ SE Lietuvos filialas, vertreten durch M. Navickas, advokatas,

– der „Gjensidige Baltic“ AAS, vertreten durch die „Gjensidige Baltic“ AAS Lietuvos filialas, vertreten durch A. Rjabovs,

– der „IF P&C Insurance“ AS, vertreten durch die „IF P&C Insurance“ AS filialas, vertreten durch A. Kunčiuvienė,

– der litauischen Regierung, vertreten durch R. Krasuckaitė, G. Taluntytė und D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigte,

– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. September 2015

folgendes Urteil:

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 263, S. 11) sowie der Verordnungen (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6, im Folgenden: Rom-I-Verordnung) und (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. L 199, S. 40, im Folgenden: Rom-II-Verordnung).

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Versicherungsgesellschaften „ERGO Insurance“ SE und „IF P&C Insurance“ AS sowie „Gjensidige Baltic“ AAS (im Folgenden: Gjensidige Baltic) und „PZU Lietuva“ UAB DK (im Folgenden: PZU Lietuva) über das auf Regressklagen zwischen diesen Gesellschaften im Anschluss an Verkehrsunfälle in Deutschland anzuwendende Recht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rom-I-Verordnung

3 Der siebte Erwägungsgrund der Rom-I-Verordnung lautet:
„Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [(ABl. L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung)] und der [Rom-II-Verordnung] im Einklang stehen.“
4 Art. 1 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung bestimmt ihren Anwendungsbereich wie folgt:
„Diese Verordnung gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen.

Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.“
5 Art. 4 („Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht“) dieser Verordnung lautet:
„(1) Soweit die Parteien keine Rechtswahl gemäß Artikel 3 getroffen haben, bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht unbeschadet der Artikel 5 bis 8 wie folgt:

a) Kaufverträge über bewegliche Sachen unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

b) Dienstleistungsverträge unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, unterliegen dem Recht des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

d) Ungeachtet des Buchstabens c unterliegt die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen für höchstens sechs aufeinander folgende Monate zum vorübergehenden privaten Gebrauch dem Recht des Staates, in dem der Vermieter oder Verpächter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Mieter oder Pächter eine natürliche Person ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat hat.

e) Franchiseverträge unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Franchisenehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

f) Vertriebsverträge unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Vertriebshändler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

g) Verträge über den Kauf beweglicher Sachen durch Versteigerung unterliegen dem Recht des Staates, in dem die Versteigerung abgehalten wird, sofern der O

rt der Versteigerung bestimmt werden kann. h) Verträge, die innerhalb eines multilateralen Systems geschlossen werden, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 17 der Richtlinie 2004/39/EG nach nicht diskretionären Regeln und nach Maßgabe eines einzigen Rechts zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, unterliegen diesem Recht.

(2) Fällt der Vertrag nicht unter Absatz 1 oder sind die Bestandteile des Vertrags durch mehr als einen der Buchstaben a bis h des Absatzes 1 abgedeckt, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

(4) Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 oder 2 bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist.“
6 Art. 7 („Versicherungsverträge“) der Verordnung bestimmt:
„(1) Dieser Artikel gilt für Verträge nach Absatz 2, unabhängig davon, ob das gedeckte Risiko in einem Mitgliedstaat belegen ist, und für alle anderen Versicherungsverträge, durch die Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind. Er gilt nicht für Rückversicherungsverträge.

(2) Versicherungsverträge, die Großrisiken im Sinne von Artikel 5 Buchstabe d der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) [(ABl. L 228, S. 3) in der durch die Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 (ABl. L 323, S. 1) geänderten Fassung] decken, unterliegen dem von den Parteien nach Artikel 3 der vorliegenden Verordnung gewählten Recht.

Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Versicherungsvertrag dem Recht des Staats, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

...

(6) Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich der Staat, in dem das Risiko belegen ist, nach Artikel 2 Buchstabe d der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs [(ABl. L 172, S. 1) in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. L 149, S. 14) geänderten Fassung], und bei Lebensversicherungen ist der Staat, in dem das Risiko belegen ist, der Staat der Verpflichtung im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 2002/83/EG.“
7 Art. 15 („Gesetzlicher Forderungsübergang“) dieser Verordnung lautet:
„Hat eine Person (‚Gläubiger‘) eine vertragliche Forderung gegen eine andere Person (‚Schuldner‘) und ist ein Dritter verpflichtet, den Gläubiger zu befriedigen, oder hat er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung befriedigt, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehung maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.“
8 Art. 16 („Mehrfache Haftung“) der Rom-I-Verordnung bestimmt:
„Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem der Schuldner ganz oder teilweise befriedigt worden, so ist für das Recht dieses Schuldners, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Die übrigen Schuldner sind berechtigt, diesem Schuldner diejenigen Verteidigungsmittel entgegenzuhalten, die ihnen gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben, soweit dies gemäß dem auf ihre Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger anzuwendenden Recht zulässig wäre.“
9 Art. 23 („Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten“) dieser Verordnung sieht vor:
„Mit Ausnahme von Artikel 7 berührt diese Verordnung nicht die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten.“


Rom-II-Verordnung:

10 Der siebte Erwägungsgrund der Rom-II-Verordnung lautet:
„Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der [Brüssel-I-Verordnung] und den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen.“
11 In Art. 4 („Allgemeine Kollisionsnorm“) dieser Verordnung heißt es:
„(1) Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.

(2) Haben jedoch die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und die Person, die geschädigt wurde, zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so unterliegt die unerlaubte Handlung dem Recht dieses Staates.

(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.“
12 Art. 15 („Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts“) der Rom-II-Verordnung bestimmt:
„Das nach dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für
a) den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können;

b) die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung;

...“
13 Art. 18 („Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden“) dieser Verordnung sieht vor:
„Der Geschädigte kann seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer des Haftenden geltend machen, wenn dies nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht vorgesehen ist.“
14 Art. 19 („Gesetzlicher Forderungsübergang“) der Verordnung lautet:
„Hat eine Person (‚der Gläubiger‘) aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person (‚den Schuldner‘) und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.“
15 Art. 20 („Mehrfache Haftung“) der Rom-II-Verordnung bestimmt:
„Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem der Schuldner vollständig oder teilweise befriedigt worden, so bestimmt sich der Anspruch dieses Schuldners auf Ausgleich durch die anderen Schuldner nach dem Recht, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger aus dem außervertraglichen Schuldverhältnis anzuwenden ist.“
16 Art. 27 („Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten“) der Verordnung lautet:
„Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die für besondere Gegenstände Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten.“


Richtlinie 2009/103

17 Im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 heißt es:
„Im Interesse des Versicherten sollte jede Haftpflichtversicherungspolice im Rahmen einer einzigen Prämie die in jedem Mitgliedstaat gesetzlich vorgeschriebene Deckung bzw., wenn diese höher ist, die gesetzliche Deckung des Mitgliedstaats, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat, gewährleisten.“
18 Art. 3 („Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) Abs. 3 dieser Richtlinie bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat trifft alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Versicherungsvertrag überdies folgende Schäden deckt:
a) die im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten gemäß den Rechtsvorschriften dieser Staaten verursachten Schäden;

...“

19 Art. 14 („Einprämienprinzip“) der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit alle Pflichtversicherungsverträge zur Deckung der Haftpflicht für die Nutzung von Fahrzeugen
a) auf der Basis einer einzigen Prämie und während der gesamten Laufzeit des Vertrags das gesamte Gebiet der Gemeinschaft abdecken, einschließlich aller Aufenthalte des Fahrzeugs in anderen Mitgliedstaaten während der Laufzeit des Vertrags, und

b) auf der Grundlage dieser einzigen Prämie den in jedem Mitgliedstaat gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz bzw. den in dem Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat, gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleisten, wenn Letzterer höher ist.“


Litauisches Recht

20 Die Bestimmungen der Richtlinie 2009/103 wurden mit dem Gesetz über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (TPVCAPDĮ) vom 5. März 2004 (Žin., 2004, n° 46-1498) in der durch das Gesetz Nr. X-1137 vom 17. Mai 2007 (Žin., 2007, n° 61-2340) geänderten Fassung (im Folgenden: Pflichtversicherungsgesetz) in das nationale Recht umgesetzt.

21 Art. 10 („Räumlicher Geltungsbereich des Versicherungsvertrags“) Abs. 1 des Pflichtversicherungsgesetzes bestimmt:
„Nach Zahlung einer einzigen (globalen) Prämie bietet ein Vertrag über die Versicherung [eines Fahrzeugs mit gewöhnlichem Standort im Gebiet der Republik Litauen] oder ein Grenzversicherungsvertrag während der gesamten Laufzeit des Vertrags, einschließlich aller Aufenthalte des Fahrzeugs in anderen Mitgliedstaaten der Union während der Laufzeit des Vertrags, in jedem der Staaten die nach dessen Rechtsvorschriften über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung verlangte Deckung oder, wenn diese höher ist, die Deckung gemäß diesem Gesetz ...“

22 Art. 11 („Versicherungssummen und Versicherungsprämien“) dieses Gesetzes sieht vor:
„...

3. Die Entschädigung, die der Versicherer für Schäden zu leisten hat, die in einem anderen Mitgliedstaat verursacht wurden, unterliegt den Deckungssummen gemäß den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats oder, wenn diese höher sind, den Deckungssummen im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels.

...“
23 Art. 16 („Grundsätze für die Entschädigungszahlung“) Abs. 1 sieht vor:
„Der haftende Versicherer oder das Büro zahlen die Entschädigung, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs für einen einem Dritten zugefügten Schaden haftet. Die Entschädigung ist gemäß den Rechtsvorschriften über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung des Mitgliedstaats zu leisten, in dem sich der Verkehrsunfall ereignet hat.

...“


Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rechtssache C-359/14

24 Am 1. September 2011 stürzte in der Nähe von Mannheim (Deutschland) eine Zugmaschine mit Anhänger bei einem Wendemanöver auf der Straße um. Nach den Feststellungen der Polizeibeamten am Unfallort war der Fahrer der Zugmaschine für den Unfall verantwortlich. Der Versicherer dieses Fahrzeugs, die Zweigstelle der „ERGO Insurance“ SE, zahlte daher den Unfallgeschädigten Schadensersatz in Höhe von 7 760,02 litauischen Litas (LTL) (ungefähr 2 255 Euro). Anschließend erhob er beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Versicherer des Anhängers, die Zweigniederlassung der „If P&C Insurance“ AS, auf hälftige Erstattung der ausgezahlten Versicherungsleistung, da dieser für den verursachten Schaden gesamtschuldnerisch hafte.

25 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist unklar, welches Recht auf den Rechtsstreit zwischen diesen beiden Versicherern anzuwenden ist.

26 Daher hat der Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht der Stadt Vilnius) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
  1. Ist Art. 4 Abs. 4 der Rom-I-Verordnung, wonach in dem Fall, dass „das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 oder 2 bestimmt werden“ kann, „der Vertrag dem Recht des Staates [unterliegt], zu dem er die engste Verbindung aufweist“, dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens deutsches Recht anzuwenden ist?

  2. Bei Verneinung der ersten Frage: Ist Art. 4 der Rom-II-Verordnung dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens das auf die Streitigkeit zwischen dem Versicherer der Zugmaschine und dem Versicherer des Anhängers anzuwendende Recht nach dem Recht des Staates zu bestimmen ist, in dem der durch den Verkehrsunfall entstandene Schaden eingetreten ist?


Rechtssache C-475/14

27 Bei einem Verkehrsunfall, der sich am 21. Januar 2011 in Deutschland ereignete, verursachte eine Zugmaschine mit Anhänger bei Dritten einen Sachschaden. Zu diesem Zeitpunkt bestand für die Zugmaschine eine Haftpflichtversicherung bei der litauischen Zweigniederlassung von Gjensidige Baltic. Der Anhänger war mit einem Haftpflichtversicherungsvertrag bei PZU Lietuva versichert.

28 Auf Forderung von Unfallgeschädigten in Deutschland zahlte Gjensidige Baltic Versicherungsleistungen in Höhe von 4 331,05 LTL (ungefähr 1 254,36 Euro). Gjensidige Baltic ist der Ansicht, dass der Schaden dieser Unfallgeschädigten damit vollständig abgedeckt sei; daher könne sie gegen PZU Lietuva eine Regressklage auf Erstattung der Hälfte dieses Betrags, d. h. von 2 165,53 LTL (ungefähr 629 Euro), erheben.

29 Mit Urteil vom 2. Januar 2013 gab der Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht der Stadt Vilnius) der Klage von Gjensidige Baltic statt. Er verurteilte PZU Lietuva, ihr die gezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von 2 165,53 LTL zuzüglich jährlicher Zinsen von 6 % zu erstatten. Das Gericht befand, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung auf das außervertragliche Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung deutsches Recht anwendbar sei. Nach deutschem Recht sei bei einem Schaden aus einem Verkehrsunfall, der von einem Fahrzeug mit Anhänger verursacht worden sei, eine Teilung der Haftung vorzunehmen. Werde der Schaden von einem der Versicherer beglichen, könne dieser die Hälfte des Betrags von einem anderen Versicherer verlangen.

30 Mit Urteil vom 8. November 2013 hob der Vilniaus apygardos teismas (Berufungsgericht Vilnius) das Urteil des Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht der Stadt Vilnius) auf und wies die von Gjensidige Baltic erhobene Regressklage ab. Das Berufungsgericht stellte fest, dass im vorliegenden Fall die sich im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Haftung aus einem Verkehrsunfall ergebenden Fragen anhand des Verkehrshaftpflicht-Pflichtversicherungsvertrags gelöst werden müssten und dass die Bestimmungen der Rom-II-Verordnung nicht anwendbar seien. Da nämlich im Ausgangsverfahren ein Pflichtversicherungsvertrag geschlossen worden sei, gehe es nicht um eine deliktische Haftung. Die Verpflichtung von PZU Lietuva ergebe sich aus dem Pflichtversicherungsvertrag, so dass litauisches Recht anzuwenden sei.

31 Mit der beim vorlegenden Gericht eingelegten Kassationsbeschwerde beantragte Gjensidige Baltic, dieses Urteil aufzuheben und das Urteil des Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht der Stadt Vilnius) vom 2. Januar 2013 zu bestätigen.

32 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Rechtsstreit im Kern die Qualifikation des zwischen dem Versicherer der Zugmaschine und dem Versicherer des Anhängers bestehenden Rechtsverhältnisses und die Bestimmung des darauf anzuwendenden Rechts betreffe. Diese Qualifikation sei für den Rechtsstreit entscheidend, da die litauische und die deutsche Rechtsordnung für den Fall, dass der Schaden von einem Gespann verursacht worden sei, unterschiedliche Grundsätze für die Haftungsteilung zwischen dem Versicherer der Zugmaschine und dem Versicherer des Anhängers vorsähen.

33 Darüber hinaus sei zu bestimmen, ob, wie Gjensidige Baltic geltend mache, Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103 eine Kollisionsnorm enthalte, nach der auf einen Rechtsstreit zwischen Versicherern wie den Ausgangsrechtsstreit das Recht des Unfallorts anwendbar sei.

34 Der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
  1. Enthält Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103 eine Kollisionsnorm, deren persönlicher Anwendungsbereich nicht nur die Opfer von Verkehrsunfällen, sondern auch die Versicherer von Fahrzeugen, die für den verursachten Schaden haften, erfassen sollte, um das auf das Verhältnis zwischen ihnen anzuwendende Recht zu bestimmen, und ist diese Vorschrift eine Sonderregelung zu den in der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung enthaltenen Kollisionsnormen?

  2. Falls die erste Frage verneint wird, ist festzustellen, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Versicherern im vorliegenden Fall unter den Begriff „vertragliche Schuldverhältnisse“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung fällt. Für den Fall, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Versicherern unter den Begriff „vertragliche Schuldverhältnisse“ fällt, ist sodann die Frage erheblich, ob dieses Rechtsverhältnis in die Kategorie von Versicherungsverträgen fällt und ob das darauf anzuwendende Recht gemäß Art. 7 der Rom-I-Verordnung zu bestimmen ist.

  3. Falls die beiden ersten Fragen verneint werden, ist festzustellen, ob bei einer Regressklage das Rechtsverhältnis zwischen den Versicherern von Fahrzeugen, die als Gespann benutzt werden, unter den Begriff eines „außervertraglichen Schuldverhältnisses“ im Sinne der Rom-II-Verordnung fällt und ob dieses Verhältnis bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts gemäß Art. 4 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung als sekundäres Rechtsverhältnis zu behandeln ist, das sich aus dem Straßenverkehrsunfall (unerlaubte Handlung) ergibt. Sind die Versicherer von Fahrzeugen, die als Gespann benutzt werden, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens als Schuldner im Sinne von Art. 20 der Rom-II-Verordnung zu behandeln, die für dieselbe Forderung haften, und bestimmt sich das auf das Verhältnis zwischen ihnen anzuwendende Recht nach dieser Vorschrift?

35 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. November 2014 sind die Rechtssachen C-359/14 und C-375/14 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.


Vorlagefragen

36 Mit ihren Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte wissen, wie die Rom-I-Verordnung und die Rom-II-Verordnung sowie die Richtlinie 2009/103 auszulegen sind, um zu bestimmen, welches Recht bei einer Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden des Opfers eines vom Fahrer dieses Fahrzeugs verursachten Unfalls beglichen hat, gegen den Versicherer des bei diesem Unfall gezogenen Anhängers anzuwenden ist.

37 Mit der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung wurden, wie sich jeweils aus Art. 1 ergibt, die Kollisionsnormen für vertragliche und für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen harmonisiert. Das auf diese beiden Arten von Schuldverhältnissen anzuwendende Recht ist anhand der Vorschriften einer der beiden Verordnungen zu bestimmen, wenn auch vorbehaltlich der Bestimmungen in den Art. 23 und 25 der Rom-I-Verordnung sowie 27 und 28 der Rom-II-Verordnung.

38 Insoweit ist zum einen die Frage des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens) in der Rechtssache C-475/14 dahin zu beantworten, dass Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103 für Regressforderungen zwischen Versicherern keine gegenüber den Kollisionsnormen der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung spezielle Kollisionsnorm enthält und damit die in Art. 23 der Rom-I-Verordnung bzw. Art. 27 der Rom-II-Verordnung aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt.

39 Die Richtlinie 2009/103 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz des Geschädigten eines Verkehrsunfalls und des Halters des an diesem Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs zu erlassen. Nach ihrem zwölften Erwägungsgrund verfolgt diese Richtlinie das allgemeine Ziel des Schutzes der Unfallopfer, indem sichergestellt wird, dass sie einen Mindestversicherungsschutz genießen.

40 Weder dem Wortlaut noch den Zielen der Richtlinie 2009/103 lässt sich entnehmen, dass mit dieser Richtlinie Kollisionsnormen festgelegt werden sollen.

41 Insbesondere verlangt Art. 14 in Verbindung mit dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie lediglich, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die Kraftfahrzeugversicherungsverträge auf der Basis einer einzigen Prämie während der Laufzeit des Vertrags das gesamte Gebiet der Europäischen Union abdecken, und dass die Verträge auf der Grundlage dieser Prämie den in jedem Mitgliedstaat gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz bzw. den in dem Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat, gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleisten, wenn Letzterer höher ist.

42 Diese Vorschrift bezieht sich somit ausschließlich auf den räumlichen Geltungsbereich und den Umfang des Versicherungsschutzes, den der Versicherer anbieten muss, um Verkehrsunfallopfern einen angemessenen Schutz zu gewähren. Es lässt sich daraus keine Regel ableiten, nach der sich die Haftungsteilung zwischen Versicherern nach dem so bestimmten mitgliedstaatlichen Recht richtet.

43 Was zum anderen den jeweiligen Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung betrifft, sind die dort verwendeten Begriffe „vertragliches Schuldverhältnis“ und „außervertragliches Schuldverhältnis“ autonom und in erster Linie unter Berücksichtigung der Systematik und der Ziele dieser Verordnungen auszulegen (vgl. entsprechend Urteil ÖFAB, C-147/12, EU:C:2013:490, Rn. 27). Überdies ist, wie sich jeweils aus dem siebten Erwägungsgrund der beiden Verordnungen ergibt, das Ziel der Anwendungskohärenz nicht nur im Verhältnis dieser beiden Verordnungen zueinander, sondern auch im Verhältnis zur Brüssel-I-Verordnung zu berücksichtigen, die u. a. in ihrem Art. 5 zwischen Verträgen und Ansprüchen aus einem Vertrag einerseits und unerlaubten Handlungen oder Handlungen, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sind, oder Ansprüchen aus einer solchen Handlung andererseits unterscheidet.

44 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Brüssel-I-Verordnung fällt nur eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 dieser Verordnung (vgl. Urteil Kolassa, C-375/13, EU:C:2015:37, Rn. 39). Entsprechend ist gemäß dem in Rn. 43 des vorliegenden Urteils genannten Ziel der Kohärenz davon auszugehen, dass der Begriff „vertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne von Art. 1 der Rom-I-Verordnung eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung bezeichnet.

45 Zum Begriff „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne von Art. 1 der Rom-II-Verordnung ist festzustellen, dass sich der Begriff „unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder ... Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-Verordnung auf jede Klage bezieht, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Nr. 1 dieses Art. 5 anknüpft (Urteil ÖFAB, C-147/12, EU:C:2013:490, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Rom-II-Verordnung, wie sich aus ihrem Art. 2 ergibt, auf Schuldverhältnisse anzuwenden ist, die sich aus einem Schaden, d. h. sämtlichen Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag („Negotiorum gestio“) oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen („Culpa in contrahendo“), ergeben.

46 In Anbetracht dessen ist unter einem „außervertraglichen Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom-II-Verordnung ein Schuldverhältnis zu verstehen, das seinen Ursprung in einem der in Art. 2 dieser Verordnung angeführten und in der vorstehenden Randnummer genannten Ereignisse hat.

47 Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass zwischen den Versicherern und den Haltern oder Fahrern des Zugfahrzeugs bzw. den Haltern des Anhängers vertragliche Schuldverhältnisse im Sinne der Rom-I-Verordnung bestehen. Dagegen besteht zwischen den beiden Versicherern kein vertragliches Schuldverhältnis.

48 Darüber hinaus hängen das Bestehen und der Umfang der Schadensersatzpflicht gegenüber den Geschädigten der Ausgangsverfahren vor allem von einer Beurteilung der Verkehrsunfälle ab, auf die die fraglichen Schäden zurückgehen. Diese Beurteilung, die deliktischer Art ist, hat keinen Bezug zum Vertragsverhältnis zwischen den Versicherern und ihren jeweiligen Versicherten.

49 Zu der Frage, ob der Versicherer einer Zugmaschine, der den gesamten Schaden beglichen hat, den das Opfer durch einen Unfall erlitten hat, an dem sowohl diese Zugmaschine als auch der daran gekoppelte Anhänger beteiligt waren, den Versicherer des Anhängers in Regress nehmen kann, ist auf Folgendes hinzuweisen.

50 Erstens lässt sich nicht aus dem Versicherungsvertrag ableiten, dass der Versicherer einer Zugmaschine, deren Fahrer einen Unfall verursacht hat, gegenüber dem Versicherer des gezogenen Anhängers Regress nehmen kann, wenn er den Schaden des Opfers beglichen hat; Voraussetzung ist vielmehr, dass auch der Halter des Anhängers gegenüber dem Geschädigten deliktisch haftet.

51 Es ist somit festzustellen, dass eine solche Schadensersatzpflicht des Halters des Anhängers ein „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne von Art. 1 der Rom-II-Verordnung darstellt. Das auf dieses Schuldverhältnis anzuwendende Recht ist daher nach den Vorschriften dieser Verordnung zu bestimmen.

52 Nach Art. 4 der Rom-II-Verordnung ist, soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eingetreten ist, d. h. in den Ausgangsverfahren das Recht des Staates, in dem der durch den Unfall unmittelbar verursachte Schaden entstanden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Lazar, C-350/14, EU:C:2015:802, Rn. 24). Nach Art. 15 Buchst. a und b der Rom-II-Verordnung ist dieses Recht maßgebend für den Grund und den Umfang der Haftung sowie für ihre Teilung.

53 Daher bestimmt sich nach dem Recht des Ortes des unmittelbaren Schadens, hier nach deutschem Recht, wer dem Geschädigten gegenüber schadensersatzpflichtig ist und welchen Schadensbeitrag gegebenenfalls der Halter des Anhängers und der Halter oder Fahrer der Zugmaschine jeweils geleistet haben.

54 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Pflicht eines Versicherers, einem Geschädigten den diesem entstandenen Schaden zu ersetzen, nicht aus diesem Schaden ergibt, sondern aus dem Vertrag mit dem verantwortlichen Versicherten. Ein solcher Schadensersatz hat daher seinen Ursprung in einem vertraglichen Schuldverhältnis, so dass das auf ein solches Schuldverhältnis anzuwendende Recht nach den Vorschriften der Rom-I-Verordnung zu bestimmen ist.

55 Es ist daher anhand des auf den Versicherungsvertrag für die Zugmaschinen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden und den Versicherungsvertrag für die an diese Zugmaschinen gekoppelten Anhänger jeweils anzuwendenden Rechts zu prüfen, ob die Versicherer dieser beiden Fahrzeugarten nach diesen Verträgen den Geschädigten eines durch diese Fahrzeuge verursachten Unfalls tatsächlich zum Schadensersatz verpflichtet waren.

56 Drittens ist zu der Frage, ob der Versicherer einer Zugmaschine, der den Schaden eines Opfers beglichen hat, gegebenenfalls über einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den Versicherer des Anhängers verfügt, festzustellen, dass Art. 19 der Rom-II-Verordnung zwischen den Fragen, die der Regelung für unerlaubte Handlungen, und den Fragen, die der Regelung für Vertragsbeziehungen unterliegen, unterscheidet. Diese Bestimmung ist u. a. anzuwenden, wenn ein Dritter, nämlich der Versicherer, den Schaden des Unfallopfers, dem gegenüber der Fahrer oder der Halter eines Kraftfahrzeugs aus unerlaubter Handlung schadensersatzpflichtig ist, beglichen hat, und zwar aufgrund einer Verpflichtung, den Geschädigten zu befriedigen.

57 Art. 19 der Rom-II-Verordnung sieht insoweit vor, dass in diesem Fall das für die Schadensersatzpflicht des Dritten, d. h. des Haftpflichtversicherers, gegenüber dem Geschädigten maßgebende Recht regelt, ob ein Eintritt in die Rechte dieses Geschädigten möglich ist.

58 Da sich die Verpflichtung des Versicherers zur Deckung der zivilrechtlichen Haftung des Versicherten gegenüber dem Geschädigten aus dem mit dem Versicherten geschlossenen Versicherungsvertrag ergibt, ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer die Ansprüche des Unfallgeschädigten gegen die für den Unfall Verantwortlichen geltend machen kann, aus dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden nationalen Recht, das nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung bestimmt wird.

59 Dagegen sind nach Art. 19 der Rom-II-Verordnung weiterhin deren Art. 4 ff. maßgebend für das Recht, das auf die Bestimmung der Personen, die haftbar gemacht werden können, sowie auf eine mögliche Teilung der Haftung zwischen diesen Personen und ihren jeweiligen Versicherern anzuwenden ist.

60 Es ist daher insbesondere festzustellen, dass in dem Fall, dass nach dem gemäß den Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung anzuwendenden Recht der Geschädigte eines durch eine Zugmaschine mit Anhänger verursachten Unfalls über Ansprüche sowohl gegen den Halter als auch den Versicherer des Anhängers verfügt, der Versicherer der Zugmaschine – nach Schadensersatzleistung an den Geschädigten – einen Regressanspruch gegen den Versicherer des Anhängers geltend machen kann, soweit das nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht einen Eintritt des Versicherers in die Rechte des Geschädigten vorsieht.

61 Daher haben die vorlegenden Gerichte als Erstes zu prüfen, wie der den Geschädigten zu leistende Schadensersatz gemäß dem nach der Rom-II-Verordnung anzuwendenden nationalen Recht zwischen dem Fahrer und dem Halter der Zugmaschine einerseits und dem Halter des Anhängers andererseits aufzuteilen ist.

62 Als Zweites ist nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung das auf die Versicherungsverträge zwischen den in den Ausgangsverfahren klagenden Versicherern und ihrem jeweiligen Versicherten anzuwendende Recht zu bestimmen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang diese Versicherer aus abgeleitetem Recht die Ansprüche des Geschädigten gegen den Versicherer des Anhängers geltend machen können.

63 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen ist, dass diese Vorschrift keine spezielle Kollisionsnorm zur Bestimmung des auf die Regressklage zwischen Versicherern in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren anzuwendenden Rechts enthält.

64 Die Rom-I-Verordnung und die Rom-II-Verordnung sind dahin auszulegen, dass das auf eine Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden der Opfer eines vom Fahrer dieses Fahrzeugs verursachten Unfalls beglichen hat, gegen den Versicherer des bei diesem Unfall gezogenen Anhängers anzuwendende Recht nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung bestimmt wird, wenn die nach den Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung auf diesen Unfall anzuwendenden deliktischen Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadensersatzpflicht vorsehen.


Kosten

65 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift keine spezielle Kollisionsnorm zur Bestimmung des auf die Regressklage zwischen Versicherern in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren anzuwendenden Rechts enthält.

Die Verordnungen (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sind dahin auszulegen, dass das auf eine Regressklage des Versicherers einer Zugmaschine, der den Schaden der Opfer eines vom Fahrer dieses Fahrzeugs verursachten Unfalls beglichen hat, gegen den Versicherer des bei diesem Unfall gezogenen Anhängers anzuwendende Recht nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung bestimmt wird, wenn die nach den Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung auf diesen Unfall anzuwendenden deliktischen Haftungsnormen eine Aufteilung der Schadensersatzpflicht vorsehen.