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Amtsgericht Hamburg-St. Georg Urteil vom 16.07.2015 - 924 C 128/14 - Streit über Auffahrunfall oder Rückwärtsfahren

AG Hamburg-St. Georg v. 16.07.2015: Streit über Auffahrunfall oder Rückwärtsfahren


Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg (Urteil vom 16.07.2015 - 924 C 128/14) hat entschieden:
Bleibt unklar, ob die Kollision durch eine Rückwärtsfahrt des Vorausfahrenden oder aber durch zu spätes Bremsen des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht wurde, so ist nach den üblichen Beweislastgrundsätzen zu Lasten des Hintermanns von einem von ihm allein verschuldeten Auffahrunfall auszugehen.


Siehe auch Auffahren / Rückwärtsfahren und Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle


Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall.

Der Kläger befuhr am 22.07.2013 mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... gegen 17:55 Uhr den Kreuzweg in Richtung Adenauerallee. Die Lichtzeichenanlage am Ende des Kreuzwegs zur Adenauerallee zeigte für die Linksabbiegerspur rot,. Die Beklagte zu 1) stand zunächst mit dem Fahrzeug ..., welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, auf der Linksabbiegerspur. Nachdem der Kläger ebenfalls auf die Linksabbiegerspur gefahren war, kam es in der Folge zu einem Auffahrunfall. Ausweislich der bei Gericht eingereichten Lichtbilder standen die Fahrzeuge kurz nach dem Unfall achsparallel, die Fahrzeugfronten überdeckten sich fast vollständig. Infolgedessen verlangte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten von der Beklagten zu 2) unter Fristsetzung bis zum 07.03.2014 Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 1.214,78 EUR, Kosten für die Begutachtung durch einen Sachverständigen in Höhe von 428,29 EUR, eine Unkostenpauschale von 20,-​- EUR sowie Nutzungsausfallentschädigung von insgesamt 86,-​- EUR. Die Beklagte zu 2) wies diese Ansprüche mit Schreiben vom 23.04.2014 zurück.

Der Kläger behauptet zum Unfallhergang, dass er zunächst hinter dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) gehalten habe. Die Beklagte zu 1) sei dann mit ihrem Fahrzeug zurückgesetzt, um auf die Geradeausspur abzubiegen. Die Ampel der Geradeausspur habe zu diesem Zeitpunkt bereits grün gezeigt. Beim Zurücksetzen habe sie die Fahrzeugfront des klägerischen Fahrzeugs beschädigt.

Der Kläger beantragt daher,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
  1. an den Kläger € 1.749,07 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2014 zu zahlen und

  2. an den Kläger weitere € 255,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.09.2015 für vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren seiner Prozessbevollmächtigten zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, das Fahrzeug der Beklagten zu 1) habe gestanden, als der Kläger mit seinem Fahrzeug auf das Fahrzeug aufgefahren ist. Sie sind der Auffassung, dass der Kläger den Unfall selbst verschuldet hat und daher zu 100 % selbst haftet.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie die bei Gericht eingereichten Schriftsätze sowie das eingeholte Sachverständigengutachten verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Ersatzanspruch nach §§ 7, 17 StVO schon dem Grunde nach nicht zu. Nach der Auffassung des Gerichts konnte der genaue Unfallhergang nicht aufgeklärt werden. Bei der Anhörung des Klägers sowie der Beklagten zu 1) haben beide ihre gegensätzliche Unfallschilderung bestätigt. Die Zeugenvernehmung der Zeugin ... war - was den Vortrag des Klägers betraf - unergiebig. Sie konnte sich insbesondere nicht daran erinnern, dass die Beklagte zu 1) das Fahrzeug vor dem Zusammenstoß zurückgesetzt hat. Auch das seitens des Gerichts eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen ... konnte keine weitere Aufklärung bringen. Nach den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen kann anhand der Schadensbilder an beiden Fahrzeugen nicht geklärt werden, ob die Beschädigungen durch eine Rückwärtsfahrt der Beklagten zu 1) oder aber durch ein zu spätes Bremsen des Klägers verursacht worden ist. Auch die seitens der Parteien eingereichten Lichtbilder vermögen keine weitere Aufklärung zu bringen.

Der Entscheidung waren demnach die Beweislastgrundsätze zugrundezulegen. Diese führten im vorliegenden Fall dazu, dass zu Lasten des Klägers von einem von ihm allein verschuldeten Auffahrunfall auszugehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. bspw. OLG Zweibrücken, BeckRS 2009, 18609 unter 2.2) gibt es einen Anscheinsbeweis dahingehend, dass in Konstellationen, in denen die beiden Fahrzeuge, die am Unfall beteiligt waren, gleichgerichtet und achsparallel standen sowie eine Zweidrittelüberdeckung der Fahrzeugfronten bestand, ein Anscheinsbeweis dahingehend anzunehmen ist, dass Auffahrverschulden allein beim Auffahrenden liegt. So ist der Fall hier. Ausweislich der bei Gericht eingereichten Fotos standen die Fahrzeug gleichgerichtet, achsparallel und überdeckten sich die Fahrzeugfronten zu 2/3. Einen anderweitigen Geschehensablauf konnte der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht beweise. Insbesondere das eingeholte Sachverständigengutachten war insofern unergiebig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.



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