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OLG Karlsruhe Urteil vom 22.12.2015 - 14 U 63/15 - Zum Ersatz überhöhter Reparaturkosten
OLG Karlsruhe v. 22.12.2015: Zum Ersatz überhöhter Reparaturkosten
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 22.12.2015 - 14 U 63/15) hat entschieden:
Solange dem Geschädigten nicht ausnahmsweise bezüglich des beauftragten Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt, sind ihm die Kosten zu erstatten, die er aufgrund des Gutachtens als notwendig ansehen darf und von denen er nach erfolgter Reparatur aufgrund der gestellten Werkstattrechnung annehmen darf, dass er sie als Auftraggeber schuldet. Der Unfallgeschädigte darf sowohl auf die Sachkunde des Gutachters vertrauen, als auch darauf, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, das Gutachten aus eigener Kenntnis zu überprüfen oder die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigte nur in besonderen Fällen.
Siehe auch Reparaturkosten und Reparaturwerkstatt - Werkstattverschulden
Gründe:
A.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte insoweit weiter die Abweisung der Klage, als mit dem erstinstanzlichen Urteil der Klägerin Reparaturkosten in Höhe von 3.706,93 € zugesprochen wurden. Die Beklagte ist der Auffassung, der Schadensersatzanspruch der Klägerin beschränke sich auf den Betrag, der zum einen nach den Feststellungen des Sachverständigen zur Schadensbehebung objektiv erforderlich war, zum anderen aber auch dem Wert der tatsächlich erbrachten Reparaturleistungen entspricht. Der Geschädigte habe nur in den Fällen das Werkstatt- und Prognoserisiko nicht zu tragen, in denen die Werkstatt Arbeiten ausgeführt und berechnet habe, die objektiv nicht erforderlich sind. Im vorliegenden Fall habe es gar keine tatsächlichen Mehraufwendungen gegeben; daher sei die Rechtsprechung, die sich auf unnötigen Mehraufwand beziehe, nicht anwendbar. Faktisch sei nicht damit zu rechnen, dass die reparierende Werkstatt trotz des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Kosten für die ausgeführten und nicht notwendigen Reparaturen durchsetzen würde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16.04.2015, Aktenzeichen: 2 O 114/13, teilweise aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte dazu verurteilt wird, mehr als 2.618,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013 sowie mehr als 61,88 € vorgerichtliche Vergütung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist darauf, dass sie vorprozessual die gesamte Reparaturrechnung bezahlt hat. Sie habe zu keinem Zeitpunkt erkennen können, dass mit der Rechnung Arbeiten abgerechnet worden seien, die tatsächlich nicht durchgeführt wurden. Dieses habe sie erst durch die durchgeführte Beweisaufnahme erfahren. Sie habe auch keinen Anlass gehabt, an der Höhe der Rechnung zu zweifeln, da sich diese im Rahmen der vom Sachverständigen S… kalkulierten Reparaturkosten bewegte.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
B.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Landgericht hat der Klägerin auch in Höhe von weiteren 3.706,93 € zu Recht Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zugesprochen. Der erforderliche Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB umfasst auch diesen Betrag.
Maßgeblich ist der Aufwand, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint; dabei ist auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 475/14 - ; BGH, Urteil vom 29.10.1974 - VI ZR 42/73 -; BGH, Urteil vom 15.10.1991 - VI ZR 314/90 -, Juris). Solange dem Geschädigten nicht ausnahmsweise bezüglich des beauftragten Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt, sind ihm die Kosten zu erstatten, die er aufgrund des Gutachtens als notwendig ansehen darf und von denen er nach erfolgter Reparatur aufgrund der gestellten Werkstattrechnung annehmen darf, dass er sie als Auftraggeber schuldet. Der Unfallgeschädigte darf sowohl auf die Sachkunde des Gutachters vertrauen, als auch darauf, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, das Gutachten aus eigener Kenntnis zu überprüfen oder die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigte nur in besonderen Fällen. Dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen.
Im Hinblick auf den Schadensbegriff des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB macht es keinen Unterschied, ob der objektiv zu hohe Betrag, der vom Geschädigten gefordert wird, auf tatsächlich durchgeführte, überflüssige Arbeiten oder auf nicht erbrachte, betrügerisch abgerechnete Aufwendungen zurückzuführen ist. Maßgeblich ist, ob der Geschädigte im Rahmen seiner subjektiven Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten den überflüssigen Mehraufwand oder die Täuschung über den tatsächlichen Umfang der Arbeiten vermeiden konnte. Im Fall der Klägerin steht fest, dass sie aufgrund der Schadensermittlung eines sorgfältig ausgewählten Sachverständigen den geltend gemachten Rechnungsbetrag als erforderlich ansehen durfte; erst die gerichtlich veranlasste Begutachtung hat ergeben, welche Arbeiten überflüssig bzw. nicht ausgeführt worden waren.
Auf den Gesichtspunkt, dass die Werkstatt angesichts des Beweisergebnisses die Forderung voraussichtlich nicht durchsetzen würde, kommt es vorliegend nicht an. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erster Instanz, dass die Werkstattrechnung in voller Höhe bezahlt worden sei, wurde ausweislich des Protokolls von der Beklagten nicht bestritten.
Auf die Frage, ob sich der Anspruch der Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB verringert bzw. teilweise erledigt, wenn sich im Laufe des Schadensersatzprozesses mit der Versicherung herausstellt, dass eine noch nicht ausgeglichene Forderung der Werkstatt überhöht ist, kommt es daher nicht an. Keinesfalls ist die Geschädigte verpflichtet, den zuviel gezahlten Betrag auf eigenes Risiko gegenüber der Werkstatt geltend zu machen; die Beklagte kann im Rahmen der Vorteilsausgleichung von der Klägerin die Abtretung von Rückforderungsansprüchen verlangen. Die Belange der Beklagten sind insofern hinreichend gewahrt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Eine Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht. Der Rechtstreit wirft keine Fragen auf, die nicht bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt wären (§ 543 Abs. 2 ZPO). Insbesondere ist die Rechtsprechung, soweit sie sich auf die subjektive Schadensbetrachtung und die Zuweisung des Prognose- und Werkstattrisikos bezieht, vollkommen einheitlich. Ob das Verschulden der Werkstatt darin liegt, dass sie überflüssige Arbeiten ausführt und in Rechnung stellt, oder ob sie betrügerisch nicht durchgeführte Rechnungen abrechnet, ist lediglich ein Unterschied im tatsächlichen Bereich, der die rechtliche Würdigung des Schadensersatzanspruchs zwischen Schädiger und Geschädigten nicht berührt.