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OLG Koblenz Urteil vom 16.03.1989 - 5 U 1162/88 - Arglistige Täuschung durch Herunterspielen von Unfallschäden

OLG Koblenz v. 16.03.1989: Arglistige Täuschung beim Autokauf durch Herunterspielen von Unfallschäden


Das OLG Koblenz (Urteil vom 16.03.1989 - 5 U 1162/88) hat entschieden:
Ein Gebrauchtwagenhändler täuscht den Kunden arglistig, wenn er auf Frage des Kunden nach der Unfallfreiheit nicht alles bekannt gibt, was ihm über Unfallschäden bekannt ist. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn der Händler angibt, der Vorbesitzer sei einmal zu schnell einen Bordstein hochgefahren, wodurch ein Blech am unteren Querlenker beschädigt aber auch wieder repariert worden sei. Im schriftlichen Vertrag war vermerkt: "Fahrzeug hatte 1 Unfallschaden (Achskörper)". Dem Händler lagen zwei Reparaturrechnungen vor über 5500 DM und 800 DM die betrafen: Karosserieinstandsetzung auf der Richtbank, Instandsetzung der Längskörper, Schaden am hinteren Fahrzeug, besonders bei Kotflügel.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Richtbankkosten - Richtbankarbeiten


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, Inhaberin eines Autohauses, Schadensersatz, weil der von ihr am 02.09.1986 vermittelte PKW-​Jahreswagen Daimler-​Benz, 190 D (Bl. 17 GA/Eigentümer damals U S, Sindelfingen/Bl. 99 GA), einen erheblichen Unfallschaden gehabt habe, was der Angestellte der Beklagten (Ehemann B Sc) ihr auf entsprechende Fragen hin verharmlost habe.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.900 DM (= Kaufpreis des PKW) abzüglich 1.966,25 DM Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW zu zahlen.
Die Beklagte, die
Klageabweisung
beantragt hat, hat hingegen behauptet, ihr Ehemann B Sc habe den Schaden in vollem Umfange offenbart.

Das Landgericht hat über den Inhalt der Verhandlungsgespräche den Ehemann der Klägerin (Bl. 90 GA) – diesen auch noch über die Fahrleistung des PKW ab Kauf (Bl. 91 unten GA) – sowie den Ehemann der Beklagten B Sc (Bl. 92 GA) und deren Sohn K R P Sc (Bl. 94 GA) als Zeugen vernommen; schließlich hat es noch die Klägerin als Partei vernommen (Bl. 109 GA).

Danach hat es die Beklagte am 21.06.1988 verurteilt, an die Klägerin 30.608,34 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.10.1986 Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW zu zahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil es die Nutzungsentschädigung mit 5.291,66 DM bemessen und im Wege des Vorteilsausgleiches von der Forderung der Klägerin abgesetzt hat (Bl. 113/126 GA).

Die Beklagte hafte als Vermittlerin der Klägerin gegenüber aus in Anspruch genommenem und gewährtem Vertrauen. Ihr Ehemann habe nämlich wider besseres Wissen auf Fragen hin erhebliche Unfallschäden verschwiegen.

Das ergebe sich aus den glaubhaften Aussagen des Ehemannes der Klägerin und der Klägerin als Partei; die widersprechenden Bekundungen der Zeugen Sc seien demgegenüber unzuverlässig.

Deshalb könne sich die Beklagte weder auf einen formularmäßigen Haftungsausschluss berufen noch erfolgreich die Einrede der kurzen Verjährung geltend machen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat – nach Widerspruch der Beklagten (Bl. 114 bis 116 GA)- den von der Klägerin im Termin am 23.06.1989 gestellten Zeugen (Ehemann) H W D dazu vernommen, welchen Kilometerstand der PKW an diesem Tage gehabt habe (Bl. 117 GA).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils, der zu den gerichtlichen Protokollen genommenen Erklärungen, der vorgelegten Urkunden, des Beweissicherungsverfahrens 17 H 4/87 AG Euskirchen, sowie der gewechselten Schriftsätze, die sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.


Entscheidungsgründe:

Die ordnungsgemäß eingelegte Berufung ist bis auf einen geringen Teil (Erhöhung der Nutzungsentschädigung wegen weiteren Gebrauchs des PKW) unbegründet.

Die Beklagte haftet der Klägerin aus schuldhaft pflichtwidrigem Verhalten bei Abschluss des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und dem Eigentümer des PKW.

Das angefochtene Urteil hat das in vollem Umfange zutreffend erwogen. Auf seine rechtlichen Ausführungen und auf seine in tatsächlicher Hinsicht überzeugenden Feststellungen wird verwiesen.

1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Beklagte als Gebrauchtwagenhändlerin verpflichtet ist, der Klägerin auf deren Frage nach der Unfallfreiheit des Wagens alles das bekannt zu geben, was ihr über Beschädigungen bekannt war. Es liegt nämlich nicht in ihrem Ermessen zu beurteilen, ob Schäden für die Klägerin unerheblich sind (BGH NJW 77, 1914 = LM § 276 BGB Nr. 21). Hierbei muss sich die Beklagte das Verhalten ihres Angestellten, ihres Ehemannes B Sc, zurechnen lassen (§ 278 BGB).

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Ehemann der Beklagten (B Sc) auf die Fragen des Ehemannes der Klägerin (W D), ob der PKW unfallfrei ist, erwiderte, der ihm, B Sc, bekannte Vorbesitzer sei lediglich einmal vorne an einem Bordstein zu schnell hochgefahren; dabei sei vorne ein Blech am unteren Querlenker beschädigt worden; dieser Teil sei indessen im Werk erneuert worden. Seine (des Zeugen D) weitere Frage, ob Reparaturrechnungen vorlägen, sei verneint worden. Er, B Sc, habe dazu weiter erwidert, um jeden Ärger auszuschalten, sollten die Mängel schriftlich im Vertrag vermerkt werden.

Damit erklärt der Ehemann der Klägerin den Vermerk im Kaufvertrag vom 02.09.1986 "Fahrzeug hatte 1 Unfallschaden (Achskörper)" (Bl. 17 GA).

Das Landgericht hat einleuchtend dargelegt, dass die entsprechenden Bekundungen des Ehemannes der Klägerin, die durch deren eigene Aussage bekräftigt wird, entgegen den Schilderungen der Zeugen Sc glaubhaft sind. Hierauf wird verwiesen.

Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten nicht, die Bekundungen der Eheleute D widersprächen schon dem erwähnten Vermerk.

Unerheblich ist, ob ein "Schaden am Achskörper" auf die geschilderte Weise "überhaupt nicht entstanden sein kann". Entscheidend ist, was der Zeuge B Sc geäußert hat, und wie es die Klägerin und deren Ehemann verstanden haben. Warum eine solche Erklärung "offenkundig" und "für einen Laien ersichtlich" nicht überzeugend wirken sollte, ist unverständlich.

2. Die vom Landgericht festgestellten Äußerungen des Zeugen B Sc waren indessen falsch. Denn ausweislich der Reparaturrechnungen der Firma D-​B, Böblingen, vom 04.06.1985 über 5.505,91 DM (Bl. 74 GA) und vom 07.03.1986 über 802,83 DM (Bl. 97/78 GA) in Verbindung auch mit dem Gutachten des Beweissicherungsverfahrens hatte der PKW namentlich vorne einen erheblichen Unfallschaden – mit unter anderem: Karosserieinstandsetzung auf der Richtbank, Instandsetzung der Längskörper –, und war auch später noch hinten – besonders beide Kotflügel – beschädigt worden.

3. Das Landgericht hat weiter überzeugend festgestellt, dass der Zeuge B Sc die weitreichenden Unfallschäden in dem Bewusstsein verschwiegen hat, sie könnten für den Kaufentschluss der Klägerin ursächlich sein.

Dem Zeugen waren nämlich, wie er selbst einräumt, die vorgenannten Reparaturrechnungen im Zeitpunkt des Kaufes bekannt.

Die Bekundungen des Zeugen B Sc, der Zeuge D habe auf seinen Vorschlag, die Rechnungen in seiner, des Zeugen, Wohnung zu holen, bemerkt, er wolle die Rechnungen nicht, nachdem er abgelehnt habe, den vorderen und hinteren Unfallschaden in den Vertrag aufzunehmen, sind, wie das Landgericht zutreffend bemerkt hat, unverständlich.

Soweit die Beklagte erwägt, es "könne" für dieses Verhalten bestimmend gewesen sein, die Absicht der Klägerin, den Kauf zu finanzieren "oder ähnliches oder aus sonstigen Gründen eine Sicherungsübereignung" vorzunehmen, fehlt dafür jeglicher Anhalt. Sollte das Fahrzeug in dem beschädigten Zustand tatsächlich den vereinbarten Kaufpreis wert gewesen sein, wie die Beklagte weiter behauptet (Bl. 162 GA), so ist zudem unverständlich, warum die Klägerin die genannten Umstände etwa einer Bank hätte verschleiern sollen.

4. Da die Beklagte somit arglistig Mängel verschwiegen hat, verjährt ein Anspruch gegen sie nicht wie sonst im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag in sechs Monaten (§ 476 BGB), sondern erst in 30 Jahren (BGH a.a.O.). Somit greift die Verjährungseinrede der Beklagten nicht durch.

5. Das Landgericht hat in einleuchtender Weise den Umfang des Schadens der Klägerin ermittelt (§ 287 ZPO).

Der Senat hat lediglich zusätzlich noch zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit der letzten mündlichen Verhandlung des Landgerichts (Tachostand damals 34.112 km – Bl. 111 GA) weitere 10.463 km (Tachostand 23.02.1989: 44.875 km) gefahren ist. Hierdurch erhöht sich die Nutzungsentschädigung, die sich die Klägerin im Wege des Vorteilsausgleiches anrechnen lassen muss, von 5.291,66 DM um 2.516,67 DM also auf insgesamt 7.808,33 DM.

Dazu, warum pro Tausend Kilometer statt einer Nutzungsentschädigung von 0,67 % (so das Landgericht mit erläuternder Begründung) vom Kaufpreis 1 % zugrunde zu legen ist, hat die Beklagte nichts gesagt; sie hat sich vielmehr lediglich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen. Für die Einholung eines solchen Gutachtens sieht der Senat keinen Anlass.

Zudem würde dessen Einholung bei der gegebenen Sach- und Beweislage unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 4. Aufl., Rdn. 183).

Der Senat entnimmt den Tachostand am 23.02.1989 den sehr eingehenden und überzeugenden Bekundungen des Zeugen Werner D. von diesem Tage.

Der Zeuge hat auf den Senat einen persönlich glaubwürdigen Eindruck gemacht.

Der Senat hat Einwendungen der Klägerin gegen die Vernehmung des Zeugen mit begründeten Beschlüssen zurückgewiesen.

Der Gegenbeweisantrag der Klägerin, zu dem Kilometerstand eine sachverständige Äußerung einzuholen, ist unerheblich. Es geht nämlich insoweit nicht um die Vermittlung allgemeiner Erfahrungssätze aus einem bestimmten Fachgebiet (Sachverständiger), sondern lediglich um das Wissen über eine bestimmte Tatsache Bach, 45. Aufl., Übersicht vor § 402 ZPO, Anm. 1 A).

6. Der Senat steht auch keinen Anlass, die Zeugen S wiederholt zu vernehmen (§ 398 ZPO, Thomas-​Putzo, 15. Aufl., § 398 ZPO, Anm. 1).

Schließlich braucht auch darüber, dass der von der Klägerin für den PKW gezahlte Kaufpreis üblich und angemessen sei, kein Sachverständigengutachten eingeholt zu werden. Hierdurch wird der von der Klägerin geltend gemachte große Schadensersatzanspruch (Zurverfügungstellung des PKW und Forderung des durch Nichterfüllung entstandenen Schadens) nicht berührt.

7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Beschwer der Klägerin und Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.608,34 DM.