Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 04.06.2015 - 122 C 3142/14 - Kein Eigenersparnisabzug bei einer Fahrleistung während der Mietzeit unter 1000 km

AG Berlin-Mitte v. 04.06.2015: Kein Eigenersparnisabzug bei einer Fahrleistung während der Mietzeit unter 1000 km


Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 04.06.2015 - 122 C 3142/14) hat entschieden:
  1. Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Mietpreises, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot (noch) entspricht, kann das Gericht auf den sog. Modus im Schwacke-Automietpreisspiegel zurückgreifen, der hierfür eine zuverlässige Schätzgrundlage darstellt (Anschluss BGH, 26. Juni 2007, VI ZR 163/06, NJW 2007, 2916).

  2. Die Mietwagenkosten sind angesichts einer unter 1.000 km liegenden Gesamtfahrleistung während der Mietzeit nicht um ersparte Eigenaufwendungen aufgrund des Stillstandes des eigenen Fahrzeugs zu reduzieren.

Siehe auch Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten und Der Unfallersatztarif


Tatbestand:

Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 115 VVG einen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von € 419,05 nebst Verzugszinsen.

1. Für den Ersatz von Mietwagenkosten gilt grundsätzlich:

Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als sog. Herstellungsaufwand (nur) den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Daher kann er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen (st. Rechtsprechung, vgl. z. B. BGH NJW 2007, 2916; NJW 2008, 1519 f.).

Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Mietpreises, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot (noch) entspricht, kann das Gericht auf den sog. Modus im Schwacke-​Automietpreisspiegel zurückgreifen, der hierfür eine zuverlässige Schätzgrundlage darstellt (vgl. dazu BGH NJW 2007, 2916; 2008, 1519), und der in den Erhebungen ab 2008 den Kriterienkatalog noch einmal erweitert hat und insbesondere auch Internettarife berücksichtigt (vgl. auch BGH vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09 – z. B. in NZV 2010, 239 ff. und vom 17.05.2011 – VI ZR 142/10 – zitiert nach juris).

Zwar bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, dann (aber auch nur dann) der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass konkret dargelegte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. nur BGH v. 17.05.2011 – VI ZR 142/10 – z. B. in NZV 2011, 431 f., zitiert nach juris). Derartige Mängel sind jedoch seitens der Beklagten nicht in einem entscheidungserheblichen Maße aufgezeigt. Die "Schwacke-​Liste" ist nicht schon deswegen ungeeignet, weil die "Fraunhofer-​Liste" geringere Werte aufweist. Der Bundesgerichtshof sieht grundsätzlich jede Liste als geeignete Schätzungsgrundlage an und zwar gerade in Kenntnis ihrer Unterschiedlichkeit (z. B. BGH vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09–; vgl. auch OLG Nürnberg vom 18.07.2012 – 12 U 1821/10 –, beide zitiert nach juris). Auch die Behauptung günstigerer Angebote durch die Beklagte hindert die Anwendung der Liste nicht. Denn dies würde voraussetzen, dass deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufgezeigt werden (BGH vom 18.12.2012 – VI ZR 316/11 – juris Rdnr. 11). Bezüglich der von der Beklagten eingereichten Angebote fehlt es daran jedoch, weil diese sich auf März 2015 und somit auf einen Zeitpunkt beziehen, der mehrere Jahre nach der hier streitgegenständlichen Anmietung liegt. Zudem handelt es sich um unverbindliche Internet-​Angebote, bei denen etwaige Vorbuchungsfristen, das etwaige Erfordernis der Vorlage einer Kreditkarte, eine möglicherweise nicht sichergestellte Fahrzeugverfügbarkeit und das Erfordernis der Angabe einer festen Mietdauer zu berücksichtigen sind. Eine Vergleichbarkeit ist daher nicht gegeben.

Offen bleiben kann, ob dem Kläger vorgeworfen werden kann, er habe die Einholung von Vergleichsangeboten unterlassen. Abgesehen davon, dass der Kläger angesichts der Anmietung noch am Unfalltag offenbar sofort ein Ersatzfahrzeug benötigte, was seine Möglichkeiten eines Vergleichs einschränkte, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten wiederum nicht hinreichend dargetan worden, dass er in diesem Fall tatsächlich einen Mietwagen zu günstigeren Konditionen erhalten hätte. Auch insoweit genügt die Einreichung der Internet-​Angebote, wie bereits dargelegt wurde, nicht.

2. Hiernach ergibt die im Sinne des § 249 BGB erforderliche Miete anhand des hier einschlägigen Schwacke-​Mietpreisspiegels 2012 im Postleitzahlengebiet 130 (Wohnort des Klägers und Ort der Anmietung) im Modus für zwei Wochenpauschalen (Mietzeit 04.10.– 18.10.2012) für die Mietwagenklasse 2 insgesamt € 1.063,00 brutto.

Der Mietpreis ist angesichts der unter 1.000 km liegenden Gesamtfahrleistung während der Mietzeit nicht um ersparte Eigenaufwendungen aufgrund des Stillstandes des eigenen Fahrzeugs zu reduzieren (vgl. dazu Böhme/Biela, Kraftverkehrs-​Haftpflicht-​Schäden, 25. Aufl., Kap. 4 Rdnr. 80 m. w. N.).

Demnach waren jedenfalls Kosten in Höhe von € 1.063,00 für die Anmietung des Ersatzfahrzeuges durch den Kläger angemessen. Da der Klage angesichts der in geringerer Höhe von € 1.041,05 in Rechnung gestellten Mietwagenkosten und der bereits geleisteten Teilzahlung in Höhe von € 622,00 ein Mietrestbetrag von € 419,05 zugrunde liegt, steht dem Kläger eine Restzahlung in dieser Höhe zu.

3. Daran ändert auch das Bestreiten der Bezahlung der Mietwagenrechnung nichts. Denn selbst wenn mangels Bezahlung nur ein Freistellungsanspruch des Klägers bestanden hätte, hätte sich dieser angesichts der Zahlungsverweigerung der Beklagten zwischenzeitlich in einen Zahlungsanspruch gewandelt (Palandt-​Grüneberg, Kommentar zum BGB, 74. Aufl., § 250 Rdnr. 2).

4. Verzugszinsen kann der Kläger wie beantragt aufgrund der Zahlungsverweigerung der Beklagten im Schreiben vom 12.11.2012 gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen.


II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.