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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 15.05.2014 - 106 C 3213/13 - Vergleichbarkeit von Internet-Angeboten mit der Schwacke-Liste
AG Berlin-Mitte v. 15.05.2014: Vergleichbarkeit von Internet-Angeboten mit der Schwacke-Liste
Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 15.05.2014 - 106 C 3213/13) hat entschieden:
Mängel der Schwacke-Liste, die sie als Grundlage der Schätzung des Normaltarifs ungeeignet machen, werden durch die Vorlage von Preisangeboten von Mietwagenunternehmen aus dem Internet nicht substantiiert vorgetragen, wenn diese nicht repräsentativ sind und damit deshalb nicht dargelegt werden kann, dass die nach der Schwacke-Liste begehrten Tarife überhöht sind.
Siehe auch Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten und Der Unfallersatztarif
Tatbestand:
Die Klägerin macht Schadenersatzforderungen in Höhe verbleibender Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom 7.12.2012 zwischen dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxx und dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen xxx, dessen Eigentümer im Unfallzeitpunkt Frau xxx war, geltend. Bei dem geschädigten Fahrzeug handelt es sich um einen BMW 320i Coupé (1991 cm³, 110 kW).
Mit Abtretungserklärung vom 10.12.2012 hat die Geschädigte ihre Ansprüche bzgl. der Mietwagenkostenforderung erfüllungshalber an die Klägerin abgetreten. Auf den Inhalt der Abtretungserklärung (Anlage K 3 Blatt 17 der Akte) wird Bezug genommen.
Die Haftung der Beklagten für den der Zedentin aus dem Unfall entstandenen Schaden ist dem Grunde nach unstreitig. Die Zedentin mietete bei der Klägerin für den Reparaturzeitraum, ihres geschädigten Fahrzeuges in der Zeit vom 7.12.2012 bis zum 21.12.2012 bei der Klägerin ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 5 .
Die Klägerin stellte ihr dafür unter dem 21.12.2012 insgesamt 1.632,68 EUR brutto in Rechnung. auf den Inhalt der Rechnung ( Anlage K 2 Blatt 16 der Akte) wird Bezug genommen.
Die Beklagte zahlte auf die geltend gemachten Mietwagenkosten vorprozessual 615,16 EUR. Mit Schreiben vom 25.3.2013, lehnte die Beklagte eine Regulierung weiterer Mietwagenkosten ab.
Die Klägerin trägt vor, der Mietzins sei angemessen und damit gemäß § 249 BGB erstattungsfähig. Eine Abrechnung der Mietwagenkosten sei auf der Grundlage eines Fahrzeuges der Kategorie 4 erfolgt, so dass bereits aus diesem Grund keine Eigenersparnis der Zedentin zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.017,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.3.2013 zu zahlen.
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 155,30 EUR durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der weiter geltend gemachte Mietzins sei nicht erstattungsfähig, da nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis gemäß §§ 249 ff, 823, 398 BGB, 115 VVG.
Die Haftung der Beklagten für die der Zedentin unfallbedingt entstandenen Schäden ist dem Grunde nach unstreitig.
Im Rahmen des Schadensersatzes gemäß § 249 BGB ist grundsätzlich der Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, mithin grundsätzlich neben der Instandsetzung des beschädigten Fahrzeuges auch die Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugen für die Dauer des Ausfalls der beschädigten Fahrzeuges als Naturalrestitution in Form des Herstellungsaufwandes im Sinne von § 249 S.2 BGB. (BGH NJW 1985, 2639; NJW 2005, 51;NJW 2007, 1449; NJW 2009, 58). Mietwagenkosten sind danach jedoch nur erstattungsfähig, wenn und soweit sie sich im Rahmen des zur Herstellung objektiv Erforderlichen halten. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH a.a.O).
Unstreitig war im Hinblick auf den Mobilitätsbedarf des Geschädigten die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges während der unfallbedingten Ausfallzeit grundsätzlich erforderlich in obigem Sinne.
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Hinblick auf die Höhe des Schadens ist neben der Ortsüblichkeit und Angemessenheit des Mietpreises der auf dem Grundsatz des § 242 BGB zurückgehende Rechtsgedanke des § 254 Abs.2 BGB anzuwenden, wonach der Geschädigte im Rahmen des ihm zumutbaren unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet gleichsam eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten (OLG München, NZV 1992, 363, unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1985, 2639; 1985, 2637(2638); 1982, 1518(1519).
Vorliegend war zunächst festzustellen, dass die Zedentin ein Fahrzeug der Mietwagenklasse 5 für die Zeit der Instandsetzung des durch den Unfall geschädigten Fahrzeuges gemietet hat und ihr für insgesamt 14 Tage unter Zugrundelegung eines Fahrzeuges der Kategorie 4 ein Gesamtmietpreis von 1.632,68 EUR in Rechnung gestellt wurde.
Es ergibt sich nach der von der Klägerin unter Bezug genommenen sog. Schwacke-Mietpreisliste 2011 für das PLZ-Gebiet 135 der Anmietstation und des Wohnortes des Klägers für ein Fahrzeug der Kategorie 4 ein Wert von 1419,60EUR zuzüglich der Kosten für die Kaskoversicherung in Höhe von insg. 301,70 EUR. Daraus ergeben sich nach der genannten Schwacke-Mietpreisliste ein Gesamtbetrag in Höhe von 1721,30 EUR.
Der Bundesgerichtshof bestätigte auch in seiner aktuellen Rechtsprechung die Anwendbarkeit der sog. Schwacke-Liste als Grundlage einer richterlichen Schätzung des ortsüblichen Normalpreises gemäß § 287 ZPO (vgl. BGH Entscheidung vom 18.5.2010, Az. Vl ZR 293/08; 22.2.2011, Az. VI ZR 353/09 jeweils nach juris).
Auch nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vergleiche zuletzt BGH, Urteil vom 12.4.2011, Vl ZR 300/09 nach juris) kann der Geschädigte nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleitet Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt nicht nur für Unfallgeschädigte erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Betrachtung nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war ( BGH a.a.O.; vgl. auch LG Potsdam, Urteil vom 3.8.2011, 7 S 18/11).
Die Bemessung des Schadensersatzes ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (BGH a.a.O.) Da § 287 ZPO die Art der Schätzgrundlage nicht vorgibt, darf das Gericht seiner Schadensschätzung sowohl die Schwacke-Liste als auch den Fraunhofer Mietspiegel zugrundelegen (BGH a.a.O.). Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnis führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Der insoweit erstattungsfähigen Normaltarif kann mithin auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels ermittelt werden. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.10.2008, Vl 308/07 ausdrücklich klargestellt, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den Normaltarif auf der Grundlage des als gewichtetes Mittel anerkannten Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlgebiet des Geschädigten ermitteln kann. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblicher Weise auswirken. Derartige tatsächlich Mängel bezogen auf den konkret zu entscheidenden Fall sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit die Beklagte vorliegend konkrete Preisangebote von Mietwagenunternehmen aus dem Internet vorlegt, sind diese bezogen auf den hier zu entscheidenden Fall wenig aussagekräftig.
Zunächst sind solche Angebote nicht repräsentativ. Dies wäre aber erforderlich, um darzulegen, dass die von dem Kläger nach der Schwacke-Liste begehrten Tarife überhöht sind. Erst dann wäre auch die Klägerin in der Pflicht, ihrerseits vorzutragen, aus welchem Grunde sie gehindert gewesen wäre, ein Mietfahrzeug zu einem solchen günstigeren Tarif anzumieten. Ferner handelt es sich um Internetangebote, also um Angebote eines Sondermarktes, der nach wie vor nicht jedermann zugänglich ist (vergleiche AG Mitte, Urteil vom 23.08.2011, 112 C 3283/10).
Darüber hinaus sind die Angebote bezogen auf eine Anmietung im November 2013 und nicht auf den Unfallzeitpunkt. Inwieweit hier eine Vergleichbarkeit gegeben sein soll, erschließt sich nicht.
Da die Klägerin bereits ein Fahrzeug einer niedrigeren Kategorie abrechnet, war auch bereits aus diesem Grunde kein Abzug im Hinblick auf ersparte Eigenkosten vorzunehmen.
Da die geltend gemachten Mietwagenkosten insgesamt unterhalb der Werte der Schwacke Mietpreisliste liegen, waren diese unter Abzug der bereits geleisteten Zahlung insgesamt zu ersetzen.
Der Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 286, 288, 247 Abs.1 BGB.
Die geltend gemachten Freistellungsanspruch folgt als eigener Anspruch der Klägerin aus § 286 BGB i.V.m. §§ 13,14, Nr. 2300 und 7002 VV RVG, da auch die Voraussetzungen des § 10 RVG vorliegen und damit der Eintritt eines Schadens in geltend gemachter Höhe substanziiert vorgetragen wurde.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.