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Amtsgericht Potsdam Urteil vom 01.03.2013 - 34 C 248/12 - Berechnung des Nutzungsausfallschadens bei einem 11 1/2 Jahre alten Kraftfahrzeug
AG Potsdam v. 01.03.2013: Berechnung des Nutzungsausfallschadens bei einem 11 1/2 Jahre alten Kraftfahrzeug
Das Amtsgericht Potsdam (Urteil vom 01.03.2013 - 34 C 248/12) hat entschieden:
Das bloße Alter eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs (hier: 11 1/2 Jahre) rechtfertigt für sich allein keine Herabsetzung des auf Grundlage der Schwackeliste zu ermittelnden Tagessatzes. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände mindert das bloße Alter eines Fahrzeugs seine Gebrauchsvorteile nicht.
Siehe auch Nutzungsausfall und Fahrzeugalter und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 19.01.2012 gegen 8.25 Uhr auf der Zeppelinstraße in Potsdam in Fahrtrichtung stadtauswärts. Der Kläger steuerte seinen Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der Beklagte zu 1 fuhr vor ihm am Steuer des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkws Citroen mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der Beklagte wollte auf der Straße wenden. Im Zuge dieses Fahrmanövers stieß der Kläger mit der Ecke vorne links seines Pkw gegen Seitenteil und Stoßstange hinten links des Fahrzeugs der Beklagten.
Der Kläger ließ seinen Sachschaden durch einen Gutachter nach Auftrag vom 23.01.2012 ermitteln. Der Gutachter, der 397,49 € in Rechnung stellte, schätzte den Schaden – als wirtschaftlichen Totalschaden – auf 1170,00 €. Die Wiederbeschaffungszeit schätze er auf 14 Kalendertage.
Der Kläger nutzte für den Zeitraum vom 19.01. bis zum 02.02.2012 zum Preis von 531,93 € einen Mietwagen. Für den Zeitraum vom 02.02.2012 bis zum 08.02.2012 begehrt er auf Grundlage der "Schwacke-Liste" für sechs Tage Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von insgesamt 210,00 €. Ferner macht er eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € geltend.
Mit Anwaltsschreiben vom 25.01.2012 und vom 16.03.2012 machte er seine Ansprüche gegenüber den Beklagten geltend, wobei der Auftrag an seine Bevollmächtigten die Mietwagenkosten nicht umfasste. Am 08.03.2012 ließ der Kläger ein neues Fahrzeug auf sich zu.
Die Beklagte zu 2 glich den Sachschaden, die Mietwagenkosten und die allgemeine Kostenpauschale zu 70% aus. Auf die Gebührenforderung seiner Bevollmächtigten – einer 1,3 – Gebühr nach einem Wert von 2.334,87 € zzgl. 20,00 € allgemeine Pauschale, insgesamt 229,30 € netto – zahlte die Beklagte zu 2) 86,80 €. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.
Mit der am 11.01.2003 zugestellten Klageschrift verfolgt der Kläger seine Ansprüche auf Schadensersatz und restliches Anwaltshonorar in Höhe von 103,29 € (brutto) weiter.
Der Kläger behauptet, er habe die Zeppelinstraße in der linken Fahrspur befahren, der Beklagte zu 1) in der rechten. An der Unfallstelle habe die Zeppelinstraße einen durchgezogenen Mittelstrich aufgewiesen. Der Beklagte zu 1 sei zunächst teilweise in die linke Fahrspur geraten, habe dann wieder nach rechts gelenkt und alsbald mit seinem Wendemanöver begonnen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen 847,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.04.2012 zu zahlen sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von der Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 103,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2013 freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, der Beklagte zu 1) habe den linken Fahrstreifen der Zeppelinstraße befahren. Im Moment des Aufpralls habe sich sein Fahrzeug bei nahezu abgeschlossenem Wendemanöver bereits überwiegend auf der Gegenfahrbahn befunden.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat Anspruch auf die Urteilssumme als restlichen Schadensersatz, §§ 823, 249 ff BGB in Verbindung mit §§ 7, 18 StVG, §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO, § 115 VVG, § 3 PflVersG.
Der Beklagte zu 1 hat den Unfall so überwiegend verschuldet, das demgegenüber ein Mitverschulden des Klägers oder auch die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs gänzlich zurücktritt. Der Beklagte zu 1 missachtete die ihm durch § 9 Abs. 5 StVO auferlegte höchstmögliche Sorgfalt, indem er auf der Straße wendete, ohne dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war.
Danach hat der Kläger Anspruch auf weitere 30% seiner Schadenspositionen Sachschaden, Sachverständigenkosten, Mietwagenkosten und – der Höhe nach unstreitigen – allgemeinen Kostenpauschale. Ferner hat der Kläger Anspruch auf 3 Tage Nutzungsausfall in Höhe von 105,00 €. Damit ist außer der Wiederbeschaffungszeit auch eine angemessene Überlegungsfrist abgedeckt, die dem Kläger zustand. Die Höhe des Tagessatzes nach der "Schwacke-Liste" ist nicht zu beanstanden. Insbesondere rechtfertigt das bloße Alter des beschädigten Fahrzeuges von unstreitig nahezu 11 ½ Jahren für sich allein keine Herabsetzung des Tagessatzes. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände, für die vorliegend kein Anhalt besteht, mindert das bloße Alter eines Fahrzeugs seine Gebrauchsvorteile nicht.
Die Zinsanspruch insoweit ist nach §§ 288, 286 BGB begründet. Der ausgeurteilte Zinsfuß entspricht dem gesetzlichen Satz; jedenfalls auf Grund des Anwaltschreibens vom 16.03.2012 waren die Beklagten vom 05.04.2012 an in Verzug.
Der weitergehende Nutzungsausfall war – wie dargelegt – abzuweisen.
Ebenfalls abzuweisen war der über den ausgeurteilten Betrag hinausgehende Freistellungsanspruch des Klägers. Grundlage der Gebühren seiner Bevollmächtigten ist ein Streitwert von 1.697,94 €. Von dem Gesamtschaden des Klägers waren in die Kosten des Mietwagens ebenso abzusetzen, wie drei weitere Tage Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 105,00 €. Danach entstanden – der Berechnungsmethode seiner Anwälte folgend – für den Kläger Anwaltskosten in Höhe von 192,90 € netto, auf die die Beklagte zu 2) 142,50 € entrichtete. Zur danach verbliebenen Differenz von 50,40 € waren 9,58 € UmSt. hinzuzurechnen, woraus sich der Betrag von 59,98 € ergibt.
Der Zinsanspruch insoweit ist nach §§ 288, 291 BGB begründet. Mit Zustellung der Klageschrift trat Rechtshängigkeit ein; der ausgeurteilte Zinsfuß entspricht dem gesetzlichen Satz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Mit 12% ist der Kläger nicht mehr verhältnismäßig geringfügig unterlegen. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.