Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 12.11.2009 - 11 BV 08.792 - Fortsetzungsfeststellungsklage - Feststellungsinteresse und Wiederholungsgefahr

VGH München v. 12.11.2009: Fortsetzungsfeststellungsklage - Feststellungsinteresse und Wiederholungsgefahr


Der VGH München (Beschluss vom 12.11.2009 - 11 BV 08.792) hat entschieden:
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer dem erledigten Verwaltungsakt ähnlichen Belastung bei einem abzusehenden, vergleichbaren Sachverhalt vorgetragen werden. Ist das Entstehen einer im Wesentlichen gleichartigen Beschwer völlig ungewiss, liegt keine ein Feststellungsinteresse rechtfertigende Wiederholungsgefahr vor.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Fortsetzungsfeststellungsklage


Gründe:

Der Kläger hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 8. November 2009 die Hauptsache für erledigt erklärt; die Landesanwaltschaft Bayern hat dem bereits vorab mit Schreiben vom 20. Juli 2009 sowie nochmals mit Schreiben vom 11. November 2009 zugestimmt. Das Verfahren war daher entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die Wirkungslosigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO.

Über die Kosten des Rechtsstreits ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu befinden. Billigem Ermessen entspricht es, dem Kläger die Verfahrenskosten aufzuerlegen, da er, wäre der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden, aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Mit dem von ihm zuletzt als Hauptantrag angekündigten Fortsetzungsfeststellungsbegehren hätte er nicht durchdringen können, da das dafür erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht dargelegt wurde.

Ein ideelles Interesse des Klägers, die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Fahrtenbuchauflage geklärt zu erhalten, besteht nicht, da dieser Verwaltungsakt weder seinem Inhalt nach noch wegen der Umstände seines Erlasses das Ansehen des Klägers beeinträchtigen konnte (vgl. zu diesem Erfordernis Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, RdNrn. 142 f. zu § 113). Durch die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches wird vom Halter eines Fahrzeugs verlangt, für eine begrenzte Zeit an der Erreichung des gemeinwohlbezogenen Anliegens mitzuwirken, dass Personen, die Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften begehen, ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden können. Diese Forderung ist nicht ehrenrührig; insbesondere wurde dem Kläger in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids nicht zur Last gelegt, sich selbst rechtswidrig verhalten zu haben.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr, wie es der Kläger ebenfalls geltend gemacht hat, setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer dem erledigten Verwaltungsakt ähnlichen Belastung bei einem abzusehenden, vergleichbaren Sachverhalt vorgetragen werden (Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 271 zu § 113). Ist das Entstehen einer im Wesentlichen gleichartigen Beschwer völlig ungewiss, liegt keine ein Feststellungsinteresse rechtfertigende Wiederholungsgefahr vor (Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 86a zu § 113).

Aus dem Vorbringen des Klägers kann nicht entnommen werden, es sei konkret damit zu rechnen, er werde entweder selbst (auch) künftig als Kraftfahrer Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften begehen, oder ein Dritter werde sich mit einem Fahrzeug, dessen Halter der Kläger ist, verkehrsbezogene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zuschulden kommen lassen. Ebenfalls nicht aufgezeigt hat der Kläger, dass sich in einer Konstellation, bei der sich der Beklagte ggf. erneut veranlasst sehen könnte, ihm gegenüber die Führung eines Fahrtenbuches anzuordnen, im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen stellen würden, auf die in einer aus Anlass des vorliegenden Falles ergehenden Berufungsentscheidung ggf. einzugehen wäre. Insbesondere ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass nach einer mit Fahrzeugen des Klägers in Zukunft u. U. begangenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr ein an ihn gerichtetes Anhörungsschreiben wiederum an eine Adresse gerichtet würde, die wegen eines Wohnungswechsels des Klägers nicht mehr zutrifft.

Die im Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 10. August 2009 hilfsweise zu dem Fortsetzungsfeststellungsantrag abgegebene Erledigterklärung war unwirksam (vgl. BVerwG vom 20.4.1994 NVwZ-​RR 1995, 172/174; Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 29b zu § 161).

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Abschnitt II.46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).



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