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VGH Mannheim Beschluss vom 07.01.1998 - 7 S 3117/97 - Erledigung der Hauptsache und Fortsetzungsfeststellungsinteresse
VGH Mannheim v. 07.01.1998: Begründung eines Interesses an der Fortsetzung des erledigten Rechtsstreits im Zulassungsantrag für das Rechtsmittel
Der VGH Mannheim (Beschluss vom 07.01.1998 - 7 S 3117/97) hat entschieden:
- Erledigt sich der Rechtsstreit nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und vor der Stellung des Berufungszulassungsantrags, muss der Rechtsmittelführer im Zulassungsantrag auch darlegen, weshalb an der Fortsetzung des Verfahrens ein berechtigtes Interesse besteht.
- Mit dem Hinweis, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte abweiche, sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht dargelegt.
- Besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO sind nur ausreichend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer geltend macht, dass die von ihm aufgeworfene tatsächliche oder rechtliche Frage signifikant vom Spektrum der verwaltungsgerichtlichen Verfahren abweicht (vgl VGH Bad-Württ, Beschluss vom 22.4.1997 - 14 S 913/97 -, VBlBW 1997, 298).
Siehe auch Fortsetzungsfeststellungsklage und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht
Gründe:
I.
Der Kläger beantragte die Genehmigung zur Einfuhr von Rindern aus der Schweiz zum Zwecke des Weidegangs (Sömmerung) für den Zeitraum vom 25.4.1997 bis zum 20.11.1997. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15.5.1997 ab, weil § 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 der BSE-Verordnung vom 28.3.1996 (Bundesanzeiger Nr. 63, S. 3817) eine Einfuhr von Rindern aus der Schweiz nicht zulasse. Mit Urteil vom 17.9.1997 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden. In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es u.a.: Die Tierseuchenrechtliche BSE-Verordnung vom 28.3.1996 sei nichtig, weil BSE keine Seuche im Sinne des Tierseuchengesetzes sei. Ob § 79 a Abs. 1 TierSG eine ausreichende Grundlage für das Importverbot darstellen könne, bedürfe keiner Prüfung, weil die Verordnung ausdrücklich auf § 7 Abs. 1 TierSG gestützt worden sei. Ein Austausch der Ermächtigungsgrundlage komme aber wegen des Zitiergebots des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG nicht in Betracht.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 19.11.1997 zugestellt, der am 9.12.1997 die Zulassung der Berufung beantragt hat.
II.
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil er insgesamt den gesetzlichen Darlegungserfordernissen nicht genügt (§ 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO).
1. Der Beklagte macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und trägt insoweit vor, dass keine Rechtsverordnungen zur Bekämpfung der BSE auf der Grundlage des Tierseuchengesetzes erlassen werden könnten, wenn BSE nicht als Tierseuche im Sinne des TierSG anzusehen wäre. Dann würde eine bundeseinheitliche Bekämpfung der BSE scheitern.
Damit ist eine Frage grundsätzlicher Bedeutung nicht ausreichend dargelegt. Mit der Grundsatzrüge muss eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufgeworfen werden, die sich über den Einzelfall hinaus stellt, im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und klärungsfähig sein wird. Das Vorbringen des Beklagten ist jedenfalls nicht geeignet, die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage erkennen zu lassen. Denn der Antrag des Klägers, über den das Verwaltungsgericht entschieden hat, bezog sich auf den Zeitraum vom 25.4. bis zum 20.11.1997. Am 9.12.1997, als der Berufungszulassungsantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht wurde, war der Bewilligungszeitraum abgelaufen, das Verfahren somit in der Hauptsache erledigt. Wäre der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren unterlegen, hätte er in dieser Verfahrenssituation die Zulassung der Berufung nur erreichen können, wenn er nach Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässigerweise auf die Fortsetzungsfeststellungsklage hätte umstellen können, was bereits im Berufungszulassungsantrag zum Ausdruck hätte kommen müssen. Der Kläger hätte deshalb bereits im Zulassungsantrag im einzelnen darlegen müssen, weshalb ihm trotz Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses für die Verpflichtungsklage gleichwohl ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite steht. Soweit der Kläger erstinstanzlich obsiegt hat, besteht für eine Umstellung auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren weder Anlass noch Raum. Er kann wegen des Zeitablaufs zwar nicht mehr tatsächlich von der ihm zugesprochenen Position Gebrauch machen; durch das stattgebende Urteil befindet er sich aber bereits in der Position, die ihm auch ein Obsiegen bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage verschafft hätte.
In dieser Situation ist es allein Sache des Beklagten, initiativ zu werden. Hierbei muss er selbstredend der eingetretenen Erledigung der Hauptsache Rechnung tragen, wobei seine Rolle mit der Situation des Klägers vergleichbar ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. BVerwGE 20, 146 <154 f.>; Buchholz 310 § 161 Nr. 90), dass der Beklagte trotz Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache an seinem Klagabweisungsantrag festhalten kann, wenn ihm insoweit ein berechtigtes Interesse zur Seite steht. Schützenswert ist ein solches Interesse, wenn der Beklagte Amtshaftungsansprüche abwehren will oder wenn eine Wiederholungsgefahr besteht (BVerwGE 20, 146 <154 f.>); hierbei muss sich die Rechtsfrage voraussichtlich wieder gerade im Verhältnis zum konkreten Kläger stellen (BVerwG Buchholz 310 § 161 Nr. 83; a.A. für das Wehrpflichtrecht BVerwG Buchholz 310 § 161 Nr. 78). Auch muss dargelegt werden, dass voraussichtlich gleiche tatsächliche Verhältnisse vorliegen werden (BVerwG Buchholz 310 § 113 Nr. 181). Der Zulassungsantrag des Beklagten geht aber auf die eingetretene Erledigung überhaupt nicht ein und genügt von daher den zu stellenden Anforderungen nicht.
2. Der Zulassungsantrag legt - unabhängig von der Problematik der eingetretenen Erledigung - auch nicht ausreichend das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils dar. Hier trägt der Beklagte lediglich vor, dass andere Verwaltungsgerichte die aufgeworfene Frage anders entschieden hätten. Ernstliche Zweifel sind aber nur dann ausreichend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer unter konkreter Auseinandersetzung mit den tragenden Urteilsgründen erläutert, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts voraussichtlich im Ergebnis fehlerhaft ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ansatzweise erfolgt.
Die Abweichung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte ist zulassungsrechtlich ohnehin bedeutungslos. Weder wird durch sie allein die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache begründet (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 132 Nrn. 205 und 249), noch werden hierdurch die Voraussetzungen einer Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erfüllt. Ein Zulassungsantrag kann nur erfolgreich auf Divergenz gestützt werden, wenn das VG von Entscheidungen des OVG abweicht. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts steht aber im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Das rechtsstaatliche Erfordernis einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung ist nur ein Teilziel, das der Gesetzgeber in seine Erwägungen einzustellen hat. Welche konkrete Ausgestaltung des Rechtsweges der Gesetzgeber wählt, unterliegt seinem Ermessen, wobei ihm eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfGE 60, 253 <268>). Er kann insbesondere auch dem Ziel, Rechtssicherheit innerhalb angemessener Zeit herzustellen (vgl. hierzu BVerfGE 60, 253 <269 f.>), dadurch Rechnung tragen, dass er das verwaltungsgerichtliche Verfahren grundsätzlich auf eine Instanz konzentriert und den Zugang zum Rechtsmittelgericht nur noch unter eingeschränkten Bedingungen eröffnet. Mit der daraus zwangsläufig folgenden Zunahme von Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung müssen die betroffenen Behörden ebenso leben, wie die rechtssuchenden Bürger.
Unabhängig von den Darlegungserfordernissen bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen nur dann, wenn erhebliche (überwiegende) Gründe vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die getroffene Entscheidung voraussichtlich im Ergebnis fehlerhaft (unvertretbar) ist. Das angegriffene Urteil ist aber keineswegs unvertretbar, sondern gut und überzeugend begründet.
3. Der Zulassungsantrag genügt auch nicht den Darlegungserfordernissen hinsichtlich des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss geltend machen, dass die von ihm aufgeworfene entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Frage signifikant vom Spektrum der verwaltungsgerichtlichen Verfahren abweicht (Bad.-Württ. VGH NVwZ 1997, 1230 = VBlBW 1997, 298). Dies ist nicht erfolgt.
Unabhängig davon liegen besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO grundsätzlich nicht vor, wenn keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen (Bad.-Württ. VGH VBlBW 1997, 219).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 13 Abs. 1 S. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.