Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss vom 16.06.2016 - Au 7 S 16.671 - Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum
VG Augsburg v. 16.06.2016: Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum
Das Verwaltungsgericht Augsburg (Beschluss vom 16.06.2016 - Au 7 S 16.671) hat entschieden:
- Gibt der informatorisch befragte Verkehrsteilnehmer an, zuletzt vor etwa 3 bis 4 Jahren Cannabis konsumiert zu haben und wird im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme ein aktiver THC-Wert von 5,4 ng/ml festgestellt, ist von mindestens zwei Konsumakten und somit von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen.
- Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl angesichts des bei ihr festgestellten THC-Werts eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung ihrer Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist. Eine ausreichende Trennung liegt nur dann vor, wenn durch die vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann, was bei einem THC-Werte von 5,4 ng/ml nicht der Fall ist.
Siehe auch Konsumgrade / Konsummuster bei Cannabis und Der aktive THC-Wert als Nachweis von gelegentlichem Cannabiskonsum
Gründe:
I.
Der Antragstellerin wurde erstmalig die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen B, L, M und S im Rahmen des begleiteten Fahrens am 27. August 2009 durch das Landratsamt ... erteilt. Der Kartenführerschein wurde am 10. September 2009 ausgehändigt.
Am Montag den 29. Juni 2015 um 13:50 Uhr wurde die Antragstellerin von Beamten der Polizeiinspektion ... in der ...straße in ... als Lenkerin eines PKWs einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen. Bei der Überprüfung der Fahrtauglichkeit ergaben sich Verdachtsmomente auf eine eventuelle Drogenbeeinflussung. Auf Nachfrage bezüglich eines vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums gab die Antragstellerin an, dass sie zuletzt im Jahr 2012 Betäubungsmittel konsumiert habe. Sowohl ein angebotener Urinschnelltest, als auch ein Speicheltest wurden verweigert. Es erfolgte eine fernmündliche Anordnung einer Blutentnahme durch die zuständige Richterin am Amtsgericht .... Die Blutuntersuchung durch das Institut der Rechtsmedizin der Uniklinik ... erbrachte den Nachweis von Cannabisprodukten. Dabei wurden folgende Substanzen quantitativ erfasst:
THC 5,4 ng/ml
THC-COOH 63,1 ng/ml
11-OH-THC 2,2 ng/ml.
Aufgrund dieses Sachverhalts hat die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Juli 2015 zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis angehört und ihr Gelegenheit gegeben, sich bis zum 14. August 2015 zu äußern. Ebenso wurde sie auf die Möglichkeit der freiwilligen und kostenlosen Abgabe des Führerscheins innerhalb dieser Frist hingewiesen.
Am 11. August 2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Akteneinsicht. Nachdem ihm diese am 27. August 2015 gewährt wurde nahm er mit Fax vom 19. September 2015 Stellung zum beabsichtigten Fahrerlaubnisentzug und beantragte das Entzugsverfahren einzustellen. Es würde kein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegen, da die Antragstellerin mit Strafbefehl vom 9. Juli 2013 lediglich wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt worden sei. Der dem Strafbefehl zugrunde gelegte Sachverhalt sage nicht aus, inwieweit hier tatsächlich Konsum vorausgegangen bzw. nachgegangen sei. Weiter wurde ein Aufklärungsmangel gerügt. Es seien weitere Maßnahmen geboten, um den Sachverhalt für das behördliche Handeln vollständig zu ermitteln. Sofortige geeignete Abstinenzkontrollen der Antragstellerin würden durch den Prozessbevollmächtigten angeboten.
Die Fahrerlaubnisbehörde folgte dem Ansinnen des Prozessbevollmächtigten und ordnete gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zur Abklärung des Cannabiskonsums der Antragstellerin am 6. Oktober 2015 die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens mit einer Vorlagefrist bis zum 11. Dezember 2015 an.
Nachdem die Antragstellerin die Fahrerlaubnisbehörde am 15. Oktober 2015 über die Beauftragung der ... informierte, legte sie am 4. Januar 2016 das fachärztliche Gutachten der ... vom 4. November 2015 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Antragstellerin mindestens gelegentlicher Konsum von Cannabisprodukten vorliege. Aktuell gebe es keine Abhängigkeit. Es würden keine ausreichenden Abstinenznachweise vorliegen. Zur weiteren Begründung der Feststellungen wird im Gutachten erläutert, dass die Antragstellerin die Einbestellung der Prüfstelle zum zweiten Urinscreening nicht befolgt habe. Beim Begutachtungstermin habe sie bezüglich des Konsumzeitpunkts ihrer Aussage bei der Polizeikontrolle vom 29. Juni 2015 widersprochen und ausgesagt, dass lediglich am 28. Juni 2015 ein Cannabiskonsum erfolgt sei. Zuvor habe sie einen früheren Zeitpunkt angegeben und sich erst korrigiert, als ihr erläutert worden sei, dass die festgestellte Blut-Drogenkonzentration nicht mit ihrer ursprünglichen Aussage zu erklären wäre. Im Übrigen sei es nach Ansicht der Begutachtungsstelle eher unwahrscheinlich, dass jemand beim erstmaligen Konsum sich ans Steuer setzte und ein Fahrzeug führe und dann auch noch in einer Verkehrskontrolle überprüft werde. Zum Konsumverhalten im Jahr 2012 sei die Antragstellerin nicht weiter befragt worden.
Im Rahmen der abermaligen Anhörung der Antragstellerin zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis beharrte der Prozessbevollmächtigte darauf, dass es sich beim Vorfall am 29. Juni 2015 um einen einmaligen Cannabiskonsum gehandelt habe. Im Jahr 2012 habe es keinen Konsum gegeben. Außerdem habe die Antragstellerin die Einbestellung per SMS zum zweiten Urinscreening nicht erhalten (Auszug des Handydisplays wurde vorgelegt) und sei nur deswegen nicht gekommen. Die Begutachtungsstelle sei gar nicht berechtigt, Schlüsse zu ziehen in der Art, dass eine Fahrt beim erstmaligen Konsum von Cannabis unwahrscheinlich sei.
Auf Nachfrage der Fahrerlaubnisbehörde bei der Begutachtungsstelle teilte diese mit Schreiben vom 23. März 2016 mit, dass das Gutachten nicht nur wegen des fehlenden zweiten Urinscreening zum Ergebnis gekommen ist, dass bei der Antragstellerin zumindest ein gelegentlicher Konsum vorliege. Es sei vielmehr der Gesamteindruck gewesen. Zur Vorhaltung, man hätte im Rahmen der Begutachtung keine Schlüsse ziehen dürfen, wurde angegeben, dass auch die Gutachtensstelle berechtigt sei, eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen.
Mit Bescheid vom 6. April 2016, zugegangen am 11. April 2016, wurde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen (Ziffer 1). Sie wurde verpflichtet, ihren Führerschein spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt ... abzugeben (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der Ziffer 2 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziffer 4).
Mit Schreiben vom 14. April 2016 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegen den Fahrerlaubnisentzug Widerspruch eingelegt. Am 18. April 2016 hat die Antragstellerin ihren Führerschein beim Landratsamt ... abgegeben.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2016 ließ die Antragstellerin durch ihrem Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragen:
Die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels in der Hauptsache – hier: des Widerspruchs vom 14. April 2016 in beglaubigter Kopie A1 zu diesem Schriftsatz – gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners – in anwaltlich beglaubigter Kopie A2 zu diesem Schriftsatz – vom 6. April 2016, zugestellt am 11. April 2016, wird wiederhergestellt.
Die Antragstellerin habe bei der Durchführung des angeforderten fachärztlichen Gutachtens den Vorgaben des Antragsgegners vom 6. Oktober 2015 vollumfänglich entsprochen. Sie sei in diesem Zusammenhang aufgefordert worden eine Haaranalyse oder ersatzweise zwei Urinscreenings unter festgelegten forensischen Voraussetzungen abzuliefern. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nun bei streitiger zweiter Probe vom 24. November 2015 dem angeforderten Abstinenznachweis keine Bedeutung mehr zukommen solle. Insbesondere sei – den Ausführungen der ...-MPU Stelle folgend – auch bei Durchführung eines zweiten Screenings und bei Unauffälligkeit dieses Screenings seitens der Begutachtungsstelle davon ausgegangen worden, dass „trotzdem keine ausreichenden Abstinenznachweise vorgelegen“ hätten. Das bedeute im Umkehrschluss, dass der Antragsgegner am 6. Oktober 2015 von Anfang an eine bedeutungs- und damit sinnlose Maßnahme angeordnet hätte. Es könne dem Rechtsunterworfenen nicht die Durchführung einer Maßnahme zugemutet werden, die – auch bei unterstelltem negativem Gutachtensergebnis – keine Bedeutung für die Kraftfahreignung habe.
Der Antragsgegner habe seine Amtsaufklärungspflicht nach § 24 VwVfG verletzt. Die angefochtene Verfügung enthalte keine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit der Aussage der Antragstellerin – „sie habe zuletzt 2012 Betäubungsmittel konsumiert“ – überhaupt gefolgt werden könne. Im Hinblick auf die Relevanz dieser Aussage für die Frage des Vorliegens eines gelegentlichen Konsummusters bei der Antragstellerin, hätte die Behörde die Aussagegenese überprüfen müssen. Dies ergebe sich daraus, dass je nach Umständen des konkreten Einzelfalles und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen der Kontext zu berücksichtigten sei, in welchem der fragliche Vortrag des Beteiligten – hier: der Antragstellerin – erfolgt sei (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage, § 24 Rn. 31, 31a). Dies habe der Antragsgegner unterlassen, hätte aber bei Feststellung der Aussagegenese erkennen müssen, dass die vorgenannte Aussage der Antragstellerin lediglich eine Schutzbehauptung darstelle, um somit die kontrollierenden Beamten zu veranlassen, von einer weitergehenden Kontrolle, die das Risiko der Aufdeckung eines zeitnäheren Konsums in sich berge, Abstand zu nehmen. Dieser offenkundige Versuch hätte vom Antragsgegner erkannt und bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Aussage in die Abwägung mit einbezogen werden müssen. Da dies unterlassen worden sei, liege ein Aufklärungsmangel vor.
Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 beantragte das Landratsamt ... für den Antragsgegner:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
Eine telefonische Rücksprache mit der Begutachtungsstelle zur Einbestellung der Antragstellerin per SMS für das zweite Urinscreening am 24. November 2015 habe ergeben, dass man bei Versenden einer SMS jeweils eine Bestätigung (auf dem Handy) erhalte. Das werde dann in der internen Akte vermerkt, so sei es auch bei der Antragstellerin gewesen. Wiederholt wurde betont, dass jedoch das fehlende zweite Urinscreening nicht ausschlaggebend für das Ergebnis des Gutachtens gewesen sei.
Der Fahrerlaubnisentzug sei zu Recht erfolgt. Laut Gutachten habe die Behörde von gelegentlichem Cannabiskonsum ausgehen müssen. Durch die Fahrt vom 29. Juni 2015 sei zudem das fehlende Trennungsvermögen belegt. Damit sie keine Fahreignung gegeben, die Fahrerlaubnis sei zu entziehen.
Auch die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Anordnung des Gutachtens sei notwendig gewesen um, nachdem – trotz gegenteiliger Angaben der Antragstellerin bei der polizeilichen Vernehmung beim Vorfall am 29. Juni 2015 – im anschließenden Fahrerlaubnis-Entzugsverfahren behauptet wurde, dass im Jahr 2012 kein Betäubungsmittelkonsum stattgefunden habe. Die Forderung einer Haarprobe (ersatzweise 2 Urinscreenings) sei angefordert worden, da ausgeschlossen können werden müsse, dass es sich um eine gelegentliche oder reguläre Cannabiskonsumentin handele oder sogar andere Drogen genommen würden. Insbesondere sei die Einholung des Gutachtens auch nicht sinnlos oder bedeutungslos gewesen, da sich bei der Begutachtung herausstellen hätte können, dass nur ein einmaliger Konsum vorliege; eine negative Haaranalyse bzw. zwei negative Urinscreenings hätten eine solche Schlussfolgerung dabei unterstützen können. Da die Begutachtungsstelle aufgrund des Gesamteindrucks der Antragstellerin zur Annahme eines mindestens gelegentlichen Konsums gelangt sei, habe diese davon ausgehen müssen, dass die bisher vorliegenden Abstinenznachweise nicht zur Wiedererlangung der Fahreignung ausreichen würden. Denn bei festgestelltem gelegentlichem Cannabiskonsum sei ein Abstinenznachweis von 12 Monaten nötig. Der im Rahmen der polizeilichen Vernehmung genannte frühere Konsumzeitpunkt im Jahr 2012 sei nicht ausschlaggebend gewesen für den Fahrerlaubnisentzug. Da bereits festgestanden habe, dass bei der Betroffenen gelegentlicher Konsum vorliege, hätte zu einem eventuellen Konsum im Jahr 2012 auch keine weitere Aufklärung mehr erfolgen müssen. Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 122 Abs. 1, § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Widerspruchs gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 6. April 2016 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO wiederherzustellen ist, da die Fahrerlaubnisbehörde die sofortige Vollziehung der in den Ziffern 1 und 2 getroffenen Verfügungen in Ziffer 4 des Bescheids angeordnet hat. Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Ziffer 3 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, vgl. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes/BayVwZVG) ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO nicht gewollt war. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Antragstellerin im Antrag vom 28. April 2016 nur die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids vom 6. April 2016 hinsichtlich der „Entziehungsverfügung“ angreift und zum anderen daraus, dass die Antragstellerin ihren Führerschein bereits am 18. April 2016 beim Landratsamt ... abgab. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohung würde damit ins Leere gehen.
Der insoweit zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet.
1. Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Entzugs des Führerscheins, die im Bescheid gegeben wird, entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Danach hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalles darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommen, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid dargelegt, warum die Antragstellerin als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr angesehen wird. Das besondere öffentliche Interesse, die Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr sofort zu unterbinden und die Bestandskraft des Bescheids nicht abzuwarten, wird mit den nicht ausgeräumten Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen der Antragstellerin abgewogen, was den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (std. Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris).
2. Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse der Antragstellerin, zumindest vorläufig weiter von ihrer Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, hier also der Widerspruch vom 14. April 2016. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass der Widerspruch mit Sicherheit Erfolg haben wird ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten der Antragstellerin ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen.
3. Diese Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids, da der Widerspruch der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird; der angefochtene Bescheid ist nach der im Eilverfahren ausreichenden aber auch erforderlichen summarischen Prüfung rechtmäßig.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier auf die Zugang des Bescheids vom 6. April 2016 – dies war der 11. April 2016 – abzustellen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2015 (BGBl S. 186) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl. S. 2213), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entfällt die Fahreignung bei gelegentlichem Cannabiskonsum und fehlendem Trennungsvermögen zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr. Die Behörde ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin gelegentlich Cannabis konsumiert (nachfolgend unter a)) und gegen das Trennungsgebot verstoßen hat (nachfolgend unter b)), so dass die Fahreignung nicht vorliegt.
a) Gelegentlicher Cannabis-Konsum liegt nach ständiger Rechtsprechung bereits dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen ( BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris, Rn. 16ff.; siehe auch BayVGH, B.v. 21.7.2014 – 11 CS 14.988; B.v. 13.12.2010 – 11 CS 10.2873, beide juris).
Die Antragstellerin hat jedenfalls im unmittelbaren Zeitraum vor der Verkehrskontrolle am 29. Juni 2015 THC konsumiert. Dies steht aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens des Instituts der Rechtsmedizin der Uniklinik ... vom 8. Juli 2015 (5,4 ng/ml THC im Blutserum) fest.
Ein zweiter Konsumakt wurde durch den Antragsgegner ebenfalls zu Recht angenommen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Antragstellerin im Rahmen eines informatorischen Gesprächs gegenüber den Polizeibeamten im Rahmen der Verkehrskontrolle angab, zuletzt im Jahre 2012 Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Damit liegt grundsätzlich ein zweiter Konsumakt in gewissem zeitlichem Zusammenhang vor.
Diese Angabe korrigierte die Antragstellerin im Rahmen der durchgeführten fachärztlichen Begutachtung vom 4. November 2015, nachdem ihr seitens der Begutachtungsstelle erläutert wurde, dass der Konsumakt aus dem Jahre 2012 nicht den festgestellten THC-Wert von 5,4 ng/ml erklären könne. Somit gab die Antragstellerin an am 28. Juni 2015 Cannabis konsumiert zu haben. Bei unterstellter Richtigkeit dieser Aussage, ist aber dennoch von insgesamt zwei Konsumakten auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist THC nach einem Einzelkonsum nur vier bis sechs Stunden nachweisbar (B. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13). Handelt es sich also beim Konsumakt vom 28. Juni 2015 um einen Einzelkonsum (sprich: ein Joint), so muss der Verkehrskontrolle vom 29. Juni 2015 ein weiterer Konsumakt vorausgegangen sein. Zwar gibt die Antragstellerin nicht an, wann sie am 28. Juni 2015 Cannabis konsumiert habe. Geht man aber zu ihren Gunsten vom letztmöglichen Zeitpunkt um 24:00 Uhr aus, so wäre das THC spätestens am 29. Juni 2015 um 6:00 Uhr nicht mehr nachweisbar bzw. würde den Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht überschreiten. Die Verkehrskontrolle fand aber erst am 29. Juni 2015 um 13:50 Uhr statt, so dass in der Zwischenzeit ein weiterer selbständiger Konsumakt stattgefunden haben muss.
Geht man dagegen vom Einverleiben mehrerer Konsumeinheiten der Antragstellerin am 28. Juni 2015 aus, so gilt sie allein deshalb bereits als gelegentliche Konsumentin.
Es kann also dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin im Jahre 2012 oder – wie sie später behauptet – am 28. Juni 2015 zuletzt Cannabis konsumiert hat. In beiden Fallvarianten ist ein gelegentlicher Konsum anzunehmen. Damit ist der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, es habe im Jahre 2012 seitens der Antragstellerin lediglich der Erwerb von Cannabis, aber kein Konsum stattgefunden, vorliegend nicht entscheidungserheblich.
Das heißt auch, dass es auf die Ergebnisse des streitgegenständlichen Gutachtens vom 4. November 2014 nicht ankommt, da sich der gelegentliche Cannabiskonsum der Antragstellerin bereits allein auf deren Aussagen stützen lässt. Insbesondere kann damit offen bleiben, ob das Gutachten der ... in rechtmäßiger Weise erstellt wurde. Es ist aufgrund der von der Antragstellerin getroffenen Aussagen nicht entscheidungserheblich, ob der Gutachter der ... den Rahmen des ihm obliegenden Begutachtungsauftrags verlassen hat, indem er möglicherweise eine ihm nicht zustehende Beweiswürdigung bzw. rechtliche Wertung vorgenommen hat.
b) Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, dem Erlass des Bescheids vom 6. April 2016, ist von einem fehlenden Vermögen oder einer fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin auszugehen, zwischen dem (gelegentlichen) Cannabiskonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Ein gelegentliche Konsumentin von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn sie fährt, obwohl angesichts des bei ihr festgestellten THC-Werts eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung ihrer Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris Rn. 36). Eine ausreichende Trennung liegt nur dann vor, wenn durch die vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann (BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 32). Bei der Antragstellerin wurden jedoch bei der Fahrt vom 29. Juni 2015 THC-Werte von 5,4 ng/ml festgestellt. Bei einer solchen Konzentration ist die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht ausgeschlossen (vgl. (BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 37 - 42).
c) Da die Antragstellerin somit als gelegentliche Konsumentin von Cannabis unter Wirkung dieser Droge am Straßenverkehr teilgenommen hat, hat sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, mit der Folge, dass ihr die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war ( § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 7 FeV, Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Ein Ermessen stand der Behörde bei dieser Entscheidung nicht zu.
d) Es stellt keinen Aufklärungsmangel und auch keine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Sinne des Art. 24 Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) dar, dass die Behörde der Aussage der Antragstellerin im Rahmen der Polizeikontrolle vom 29. Juni 2015 – „sie habe zuletzt 2012 Betäubungsmittel konsumiert“ – zunächst Glauben geschenkt hat. Auch wenn die Antragstellerseite korrekt vorträgt, dass im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Kontext einer Aussage eines Beteiligen auch zu würdigen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage, § 24 Rn. 31, 31a), so waren für die Fahrerlaubnisbehörde keinerlei Anhaltspunkte vorhanden, die vorgenannte Aussage der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen. Insbesondere da diese im Rahmen eines informatorischen Gespräches auf freiwilliger Basis und nicht als Folge einer Beschuldigtenbelehrung getätigt wurde. Erst als die Antragstellerin die vorgenannte Aussage im Rahmen der Begutachtung vom 4. November 2014 revidierte bzw. abänderte, musste die Behörde den Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Aussage anzweifeln und hat folgerichtig ein fachärztliches Gutachten auf Grundlage der § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 2 Satz 1, 2 FeV angeordnet. Von der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes bzw. des Vorliegens eines Aufklärungsmangels kann daher nicht die Rede sein.
e) Die Antragstellerin hat seit der Drogenfahrt vom 29. Juni 2015 ihre Fahreignung nicht wiedererlangt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Entziehungsbescheids am 11. April 2016 war die „verfahrensrechtliche“ Jahresfrist noch nicht abgelaufen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl. 2006, 18, juris). Die Antragstellerin wird erst im Rahmen der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten ( § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV) nachzuweisen haben, dass sie entweder kein Cannabis mehr konsumiert oder zumindest den Cannabiskonsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann und der diesbezügliche Einstellungswandel motivational gefestigt ist. Im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis spielt der Nachweis abstinenten Verhaltens dagegen grundsätzlich keine Rolle ( BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 25). Damit ist klar, dass der einmalige Abstinenznachweis der Antragstellerin im Rahmen des Urinscreenings am 4. November 2015 nicht zur Wiedererlangung der Fahreignung führen kann.
4. Die von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt hier zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse daran, die Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr weiterhin zu unterbinden, ein größeres Gewicht einzuräumen ist, als dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Entziehungsbescheids die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.