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Amtsgericht Weißenburg Urteil vom 07.01.2016 - 2 C 257/15 - Wiederbeschaffungswert und Restwert bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten

AG Weißenburg v. 07.01.2016: Wiederbeschaffungswert und Restwert bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten


Das Amtsgericht Weißenburg (Urteil vom 07.01.2016 - 2 C 257/15) hat entschieden:
  1. Hat der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte das Unfallfahrzeug als Unternehmer veräußert, muss er insoweit auch die Umsatzsteuer ausweisen, weshalb der Restwert nur um diese bereinigt anzusetzen ist.

  2. Bei einem zum Unfallzeitpunkt bereits über 10 Jahre alten Kfz handelt es sich um ein Fahrzeug, welches auf dem örtlichen Händlermarkt nicht mehr erhältlich ist, sondern nur noch auf dem privaten Markt beschafft werden kann. Eine Umsatzsteuer wird hier gerade nicht ausgewiesen und kann vom Geschädigten deshalb auch nicht mit seiner Umsatzsteuerlast verrechnet werden. Bei dem Wiederbeschaffungswert gilt somit brutto gleich netto.

Siehe auch Totalschaden und Umsatzsteuerersatz und Der Restwert des unfallbeschädigten Fahrzeugs bei Totalschaden


Tatbestand:

Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte Restschadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 29.08.2014 in Treuchtlingen, wobei die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach nicht im Streit ist.

Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro L... mit der Schadenfeststellung an seinem Fahrzeug. Dieses ermittelte bei wirtschaftlichem Totalschaden einen steuerneutralen Wiederbeschaffungswert von 2.900,00 EUR und einen steuerneutralen Restwert von 150,00 EUR, wobei der Restwert aufgrund von 3 konkreten Angeboten ermittelt wurde.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.09.2014 lediglich 1.316,81 EUR gezahlt.

Daraufhin beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten welcher die Beklagte mit Schreiben vom 05.11.2014 zur Zahlung des restlichen Schadensersatz in Höhe von 1457,14 € bis 12.11.2104 aufforderte.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er bei weiterer Nutzung seines Fahrzeuges im Totalschadenfall bei der Abrechnung nach fiktiven Wiederbeschaffungskosten lediglich die in dem Gutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert in Abzug bringen müsse. Zudem sei der Wiederbeschaffungswert in voller Höhe anzusetzen.

Er behauptet, der Restwert in Höhe von 150,00 € sei unter Berücksichtigung des regionalen Marktes richtig ermittelt.

Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1457,14 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.11.2014 nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 201,71 € zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Restwert beträgt auf dem regionalen Markt 1.333,00 € brutto. Diesen Betrag müsse sich der Kläger netto anrechnen lassen.

Sie ist der Auffassung, dass der zu Grunde zulegende Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.900,00 € lediglich unter Abzug der Umsatzsteuer in Ansatz zu bringen ist, da der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt ist. Ein über das bereits regulierte hinausgehender Anspruch seitens des Kläger bestünde daher nicht.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch restlichen Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe.

1. Die Haftung der Beklagten für den Schaden aus dem Unfallereignis vom 29.08.2014 in Treuchtlingen dem Grunde nach steht außer Streit.

2. Dem Kläger steht der Anspruch auch der Höhe nach vollumfänglich zu.

Beide Parteien gehen dabei übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass vorliegend nur Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges erforderlichen Kosten, mithin der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes, verlangt werden kann.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten muss sich der Kläger jedoch nicht das beklagtenseits ermittelte Restwertangebot in Höhe von 1.333,00 € entgegenhalten lassen.

Sofern der Geschädigte im Totalschadenfall sein unfallbeschädigtes Fahrzeug weiterbenutzt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen. Er muss sich nicht an einem Angebot eines Restwerthändlers außerhalb des ihm zugänglichen allgemeinen regionalen Markts festhalten lassen, das über das Internet recherchiert worden ist. Der Schädiger hätte es andernfalls in der Hand den Verkauf des Fahrzeuges zu erzwingen, indem er ein entsprechend hohes Angebot vorlegt. Denn bei Weiternutzung und späterem Verkauf liefe der Geschädigte Gefahr, für die Beschaffung des Ersatzfahrzeuges eigene Mittel aufwenden zu müssen, weil er nur einen niedrigeren Verkaufspreis erzielt.

Dass der Kläger das Fahrzeug hier weiterhin nutzte hat er mit der Vorlage der Zulassungsbescheinigung (Teil I und II) sowie der Quittung für die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs am 11.08.2015 (Anlagen K 6-​8) hinreichend nachgewiesen.

Auch der vom Kläger angesetzte Restwert ist korrekt ermittelt. Dem klägerseits vorgelegten Gutachten lässt sich neben der jeweiligen Angebotshöhe auch entnehmen von wem das jeweilige Angebot stammt. Es handelt sich dabei jeweils um regionale Autohändler welche in einem Umkreis bis rund 30 km angesiedelt sind.

Die Beklagte hat, nachdem der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Restwertes durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigenbüro L... vom 02.09.23014 nachgekommen ist, auch nicht nachgewiesen, dass auf dem regionalen Markt für den Kläger ein weitaus höherer Restwert, wie von ihr in die Abrechnung eingebracht, zu erzielen gewesen wäre.

Die von der Beklagten insoweit angeführten Restwertangebote entstammen allesamt nicht dem für den Kläger maßgeblichen regionalen Markt. Das naheste Angebot ist noch rund 70 km vom Wohnort des Klägers entfernt. Die vorgelegten Angebote waren damit nicht geeignet den vom Kläger mittels Sachverständigengutachten geführten Beweis zu erschüttern.

Damit ergibt sich vorliegend ein Restwert in Höhe von 150,00 €. Nachdem der Kläger den Pkw als Unternehmer veräußert, muss er insoweit auch die Umsatzsteuer ausweisen, weshalb der Restwert auch nur um diese bereinigt, also in Höhe von 126,05 € anzusetzen ist. Nachdem der Kläger bei einem Verkauf die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss, ist er hierdurch auch nicht bereichert. (vgl. OLG Thüringen vom 13.05.2009, AZ 7 U 711/08)

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der insoweit unstrittige Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.900,00 € vollumfänglich in Ansatz zu bringen. Bei dem zum Unfallzeitpunkt bereits über 10 Jahre alten (Baujahr 2002) klägerischen Fahrzeug handelt es sich um ein Fahrzeug, welches auf dem örtlichen Händlermarkt nicht mehr erhältlich ist nur noch auf dem privaten Markt beschafft werden kann. Eine Umsatzsteuer wird hier gerade nicht ausgewiesen und kann vom Kläger auch nicht mit seiner Umsatzsteuerlast verrechnet werden. Bei dem Wiederbeschaffungswert gilt somit brutto gleich netto, er ist demnach in voller Höhe anzusetzen.

c) Es ergibt sich damit ein Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von insgesamt 2.773,95 € (2.900,00 € - 126,05 €). Abzüglich der bereits regulierten 1.316,18 € hat der Kläger einen Anspruch restlichen Schadensersatz in Höhe von 1457,14 €.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als weiteren Schadensersatz. Jedoch besteht dieser Anspruch lediglich in Höhe von 169,50 €. Der Kläger ist als Unternehmer vorsteuerabzugsberechtigt, so dass es sich bei der Mehrwertsteuer, welche auf die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren entfällt, um einen durchlaufenden Posten handelt, und damit keinen Schaden darstellet. Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

III.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 05.11.2014 zur Zahlung bis 12.11.2014 auf, so dass sich die Beklagte seit 13.11.2014 in Verzug befindet

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.