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OLG Bamberg Beschluss vom 20.01.2016 - 2 Ss OWi 1145/15 - Gehörsverletzung durch Ablehnung eines Beweisantrages

OLG Bamberg v. 20.01.2016: Gehörsverletzung durch Ablehnung eines Beweisantrages


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 20.01.2016 - 2 Ss OWi 1145/15) hat entschieden:
  1. Die Ablehnung eines Beweisantrages vermag nur dann einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu begründen, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, der seinen Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen hat und dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird.

  2. Ein Fall der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen liegt nicht vor, wenn der Tatrichter den Beweisantrag des Betroffenen zur Kenntnis genommen und durch begründeten Beschluss über ihn entschieden und sich in den Urteilsgründen darüber hinaus mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Betroffenen auseinander gesetzt hat.

Siehe auch Der Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und Rechtliches Gehör


Gründe:

Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

1. Was die seitens des Betroffenen in zulässiger Weise gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 30.06.2015 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens betrifft, so liegt eine Versagung des rechtlichen Gehörs nicht vor.

Die Ablehnung eines Beweisantrages vermag nur dann einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu begründen, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, der seinen Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen hat und dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird (BVerfG NJW 1992, 2811). Ein Fall der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen liegt hier aber nicht vor. Das Amtsgericht hat vielmehr den Beweisantrag des Betroffenen zur Kenntnis genommen und durch begründeten Beschluss über ihn entschieden. In den Urteilsgründen setzt sich die Tatrichterin darüber hinaus mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Betroffenen auseinander. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Tatrichterin dazu, die Ausführungen des Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und in die Entscheidungsüberlegungen einzubeziehen. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen des Betroffenen in den Entscheidungsgründen zu bescheiden, die von dem Betroffenen gewünschten Schlussfolgerungen zu ziehen oder seinen Anträgen zu entsprechen (KK-​Senge OWiG 4. Aufl. § 80 Rn 41 m.w.N.).

Selbst wenn die Tatrichterin den Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hätte, läge darin noch nicht eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Versagung des rechtlichen Gehörs. Die Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts ist vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu überprüfen (OLG Köln VRS 83, 446 f.; OLG Hamm NJW 2008, 453; NZV 2006, 217). Anderes gilt nur dann, wenn das Amtsgericht den Beweisantrag ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, also willkürlich, abgelehnt hätte und die Zurückweisung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar wäre (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811 f.; OLG Bamberg Beschluss vom 10.01.2011 – 2 Ss OWi 2031/2010; OLG Oldenburg NStZ-​RR 2012,182; OLG Hamm VRR 2010,113; OLG Köln VRR 2008,113; OLG Karlsruhe DAR 2003,182). Davon kann hier nicht die Rede sein, nachdem das Amtsgericht im Rahmen seiner Beweisaufnahme zur Ordnungsgemäßheit der Messung insbesondere den Zeugen POK A. als Messbeamten vernommen und dabei alle relevanten Fragen von der Aufstellung des Messgerätes, des vorliegenden Eichscheins, über die entsprechenden Schulungen am Messgerät bis hin zur Durchführung der vorgeschriebenen Tests einschließlich der Rahmenbedingungen, wie sie im Messprotokoll enthalten waren, sowie anhand des vom Bayer. Polizeiverwaltungsamt hergestellten Ausdrucks des Originalmessbildes insbesondere Fragen der zweifelsfreien Zuordnung der Messung geklärt hat. Dabei hatte es keinerlei Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass der Messbeamte die Bedienungsanleitung nicht eingehalten hat bzw. eine Fehlmessung vorliegt, sodass es sich zu einer weiteren Beweiserhebung nicht gedrängt sehen musste. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats (OLG Bamberg DAR 2014, 38 in Übereinstimmung etwa mit OLG Stuttgart DAR 2012, 274; KG DAR 2010, 331; OLG Düsseldorf VRR 2010, 116; OLG Frankfurt a.M. DAR 2015, 149) erfüllt die Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessverfahren PoliScan Speed die Voraussetzungen eines sog. standardisierten Messverfahrens, weil die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. hierzu rechtsgrundsätzlich BGHSt 39, 291 und BGHSt 43, 277). Bei Verwendung eines von der PTB zugelassenen und gültig geeichten Messgerätes, das durch geschultes Personal entsprechend den Vorgaben der Bedienungsanleitung bedient wurde, ist das Tatgericht deshalb nicht gehalten, weitere technische Prüfungen, insbesondere auch zur Funktionsweise des Gerätes zu veranlassen (grundlegend hierzu Senatsbeschluss vom 22.10.2015 - 2 Ss OWi 641/15 - m.w.N. in juris). Vor diesem Hintergrund ist nicht ansatzweise erkennbar, dass sich die Tatrichterin bei der Ablehnung des Beweisantrages in der Hauptverhandlung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

Soweit sich der Betroffene in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des OLG Oldenburg vom 06.05.2015 - 2 Ss (OWi) 65/15 - beruft, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Entscheidung rechtlich zu folgen ist. Nach eigener Diktion betrifft die Entscheidung nämlich eine Ausnahmekonstellation, in der die Übersendung der Messdatei an die Verteidigung durch das Amtsgericht ohne jede Begründung abgelehnt wurde. Eine solche Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben.

2. Soweit der Betroffene geltend macht, sein rechtliches Gehör sei dadurch verletzt, dass das Amtsgericht die in der Hauptverhandlung vom 23.06.2015 gestellten Beweisanträge nicht verbeschieden habe, ist die Verfahrensrüge ebenfalls unbegründet, denn jedenfalls in den Urteilsgründen wird im Einzelnen begründet, weshalb die Tatrichterin die beantragte Erholung eines Sachverständigengutachtens jeweils nicht für geboten erachtete. Damit mag ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 OWiG im Raum stehen, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet dagegen nach Maßgabe der unter Ziffer 1 angestellten Erwägungen aus.

3. Soweit der Betroffene in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vom 07.07.2015 die Auffassung vertritt, die unterbliebene Übersendung der Originalmessdatei verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. im ergänzenden Schriftsatz vom 09.07.2015 rügt, durch die Ablehnung des Antrags auf Übersendung der Originalmessdatei incl. Passwort und Token sei die Verteidigung in einem wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden, verhilft auch dies seinem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die Nichtbeiziehung bzw. Nichtverwertung dieser Daten berührt nicht den Schutzbereich des Grundrechts auf rechtliches Gehör. Das Gericht hat insoweit gerade keine Tatsachen oder Beweismittel verwertet, zu denen der Betroffene nicht zuvor gehört worden wäre. Befinden sich derartige Messdaten nicht bei den Gerichtsakten, so ist im Hinblick auf den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen formellen Aktenbegriff als Rechtsgrundlage für das Beiziehungs- bzw. Einsichtsbegehren der Verteidigung nicht § 147 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG, sondern der Grundsatz des fairen Verfahrens heranzuziehen (vgl. nur Cierniak zfs 2012, 664 sowie DAR 2014, 2). Dies bedeutet, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens regelmäßig mit der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG geltend zu machen ist. Eine solche ist hier schon deshalb nicht in zulässiger Weise erhoben worden, weil es die Rechtsbeschwerde unterlässt, den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss mitzuteilen. Entscheidend ist vorliegend freilich, dass die mit der Rüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung behauptete Verletzung sonstigen Verfahrensrechts kein Zulassungsgrund sein kann, wenn - wie hier - mit dem angefochtenen Urteil eine Geldbuße in Höhe von lediglich bis zu 100 € verhängt wurde (§ 80 Abs. 2 OWiG). Dasselbe gilt im Übrigen für die nicht näher ausgeführte Aufklärungsrüge und die in der Gegenerklärung vom 05.10.2015 und damit verspätet gerügte Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird daher nach § 80 Abs. 4 Sätze 1 und 3 OWiG verworfen. Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 4 OWiG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.