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Amtsgericht Dortmund Urteil vom 27.09.2016 - 425 C 434/16 - Parkplatzunfall mit 2 ursprünglich rückwärts ausparkenden Fahrzeugen
AG Dortmund v. 27.09.2016: Parkplatzunfall mit 2 rückwärts ausparkenden Fahrzeugen
Das Amtsgericht Dortmund (Urteil vom 27.09.2016 - 425 C 434/16) hat entschieden:
- Verlassen 2 Fahrzeuge rückwärts fahrend ihre Parkplätze und kommt es zu Kollision, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Haftungsverteilung darauf an, welches Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt tatsächlich bereits getanden hat oder nicht (hier: 80:20).
- Für den Streitwert im Verhältnis zur ggf. erstattungspflichtigen Gegenpartei ist nicht die geltend gemachte Forderung maßgeblich, sondern der Betrag, der sich letztlich als begründet herausstellt. Dabei ist es egal, ob der Anspruch sich deshalb reduziert weil im Laufe des Verfahrens eine Haftungsquote zu berücksichtigen war oder weil sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass der materielle Schaden vom Kläger zu hoch beziffert war. Die s gilt auch im Fall des wirksamen Nachweises einer günstigeren Fachwerkstatt.
Siehe auch Rückwärts Ausparken aus Parklücken und Streitwert - Gegenstandswert - Rechtsmittelbeschwer
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 16.11.2015 Schadensersatz.
Am Unfalltag gegen 17.30 Uhr befuhr die Ehefrau des Klägers in seiner Gegenwart das Parkplatzgelände des S.-Supermarktes. Sie hatte vorwärts eingeparkt in einer Parkbox und hatte ihr Fahrzeug dann rückwärts auf den Fahrstreifen zurückgesetzt. In der mehr oder weniger gegenüberliegenden Parkbox hatte der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw gestanden. Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Beklagte zu 1) beim Rückwärtsherausrangieren aus seiner Parkbox gegen das Fahrzeug des Klägers gefahren ist oder ob die Ehefrau des Klägers gegen das Fahrzeug des Beklagten zu 1) gefahren ist.
Der Kläger behauptet, seine Frau habe zum Unfallzeitpunkt mit dem Pkw gestanden, als der Beklagte zu 1) rückwärtsfahrend in die hintere Tür seines Fahrzeugs gefahren sei. Er behauptet, dass hierdurch Reparaturkosten netto in Höhe von 2.687,94 € entstanden seien. Ferner habe er Gutachterkosten in Höhe von 522,41 € gehabt. Er ist ferner der Auffassung, dass ihm eine allgemeine Kostenpauschale von 30,00 € zustünde.
Die Beklagte zu 2) hat unstreitig auf die Reparaturkosten 795,33 €, auf die Sachverständigenkosten 261,20 € und auf die Kostenpauschale 15,00 € gezahlt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm die restlichen Reparaturkosten nach einer 100-prozentigen Quote und ohne die Möglichkeit der Abzüge für die Beklagte zu 2) in voller Höhe zustünden. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift und den weiteren Schriftsätzen des Klägers Bezug genommen. Der Kläger vertritt im Übrigen unter Bezugnahme auf einen Aufsatz seines Prozessbevollmächtigten (NJW 2016, 1546) die Auffassung, dass für die Erstattungspflicht der vorgerichtlichen Anwaltskosten die Höhe des Schadens nach dem vorgerichtlichen Gutachten und nicht nach Verweis auf die preiswertere Alternativwerkstatt maßgeblich ist.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 2.168,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2015 zu zahlen und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von der Verbindlichkeit gegenüber Herrn Rechtsanwalt Robin N. in Höhe von 293,45 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten, dass es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen sei, zumindest sei das Fahrzeug des Klägers in Bewegung gewesen. Ferner behaupten sie, dass die Reparaturkosten nicht erforderlich gewesen seien und berufen sich insofern auf eine niedrigere Kostenermittlung ihrerseits.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, welche Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt sich in Bewegung befunden haben und wie hoch der durch den Unfall verursachte Schaden am Fahrzeug des Klägers ist durch Einholung eines Gutachtens von Dipl.-Ing. T. von der E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das den Parteien bekannte und vorliegende Gutachten vom 18.07.2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 80 % des erstattungsfähigen Schadens gemäß § 7 StVG, gegenüber der Beklagten zu 2) i.V.m. § 115 VVG verlangen, im Übrigen hat der Kläger seinen Schaden selbst zu tragen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass der Verkehrsunfall sich auf einem Parkplatzgelände ereignete, als beide Fahrzeugführer mit ihren Fahrzeugen ihre jeweiligen Parkboxen verlassen wollten bzw. schon verlassen hatten und das Parkplatzgelände verlassen wollten. Bereits daraus folgt, dass beide Verkehrsteilnehmer besonders aufmerksam sein mussten. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es jedoch darauf an, welches Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt tatsächlich gestanden hat oder nicht. Nach dem schriftlichen Gutachten der E. konnten keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass sich das Klägerfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision in Bewegung befunden hat. Auch hiervon geht das erkennende Gericht aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen aus. Ferner geht das Gericht davon aus, dass am Fahrzeug des Klägers durch das sich in Bewegung befundene Fahrzeug des Beklagten zu 1) ein Schaden verursacht wurde, zu dessen Beseitigung ein Aufwand in Höhe von 1.914,96 € erforderlich ist.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist somit davon auszugehen, dass der Unfall in allerletzter Konsequenz dadurch verursacht wurde, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug der Klägerin beim Rückwärtsfahren hineingefahren ist oder dieses zumindest berührt hat. Auf der anderen Seite ist auf Seiten des Klägerfahrzeugs zumindest die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, weil das Unfallgeschehen nicht auf höherer Gewalt beruhte. Höhere Gewalt liegt bei einem außergewöhnlichen betriebsfremden von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (OLG Celle, MDR 2005, 1345). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes lag auf Seiten der Fahrerin des Fahrzeugs des Klägers keine höhere Gewalt vor, weil auf einem Parkplatzgelände mit gegenüberliegenden Parkboxen immer damit gerechnet werden muss, dass andere Verkehrsteilnehmer ebenso wie sie selbst den Parkplatz verlassen wollen und rückwärts rangieren. Insofern geht das erkennende Gericht von einer Schadensverteilung in Höhe von 80 % zu Lasten der Beklagten und von 20 % zu Lasten des Klägers aus.
Bei der Ermittlung des Schadens schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten dahingehend an, dass für die Beseitigung des Schadens insgesamt 1.914,96 € netto erforderlich sind. Insofern geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass der Kläger die Kosten einer Neulackierung ersetzt verlangen kann, da diese mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anfallen wird.
Bei den Stundenverrechnungssätzen schließt sich das erkennende Gericht der Auffassung der Beklagten an, wonach diese berechtigt waren, den Kläger auf die freie Werkstatt der Fa. H. aus Witten zu verweisen. Aus den überreichten Unterlagen ist klar und deutlich zu erkennen, dass dieser einen kostenlosen Hol- und Bringservice anbietet und deshalb ist ein Verweis auf die Werkstatt in der näheren Umgebung von Dortmund ohne Weiteres zulässig. Eine Partei, die die Kosten einer Reparatur selbst zu tragen hätte würde dieses Angebot mit hoher Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen. Bei den hier erforderlichen Arbeiten ist diese Werkstatt auch eine zulässige Alternativwerkstatt.
Unter Berücksichtigung von Sachverständigenkosten in Höhe von 522,41 € und im hiesigen Bezirk immer noch üblichen pauschalen Telefonkosten von 25,00 € ergibt dies bei einer 80-prozentigen Quote einen Schadensersatzbetrag von 1.969,90 €. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu 2) geleisteten Zahlung in Höhe von 1.071,53 € verbleibt noch der zu titulierende Restbetrag in Höhe von 898,37 €.
Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus dem Gesetz.
Weitere Anwaltskosten kann der Kläger von den Beklagten nicht verlangen. Bei einem berechtigten Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.969,90 € betragen die Anwaltskosten 255,85 €. Insofern hat die Beklagte zu 2) bereits mehr an den Kläger oder seinen Bevollmächtigten gezahlt.
Anzusetzen ist hier ein Streitwert von 1.969,00 €. Soweit der Klägervertreter unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in NJW 2016, 1546 der Auffassung ist, dass hier der ursprünglich geltend gemachte Betrag nach dem Gutachten in Ansatz zu bringen ist, beruht dies auf einer nach Ansicht des erkennenden Gerichts falschen Beurteilung der Rechtslage. Es geht hier nur darum, welchen Schaden die Gegenseite zu erstatten hat und nicht darum, welchen Gebührenanspruch der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber seinem eigenen Mandanten hat. Es mag ja sein, dass der eigene Mandant den Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung eines höheren als rechtlich tatsächlich bestehenden Anspruchs beauftragt hat. Wenn dieser Anspruch dann aber nicht in dieser Höhe zu realisieren ist, hat die Gegenseite auch nur in Höhe des berechtigten Anspruchs die Anwaltskosten zu regulieren. Dabei ist es völlig egal, ob der Anspruch sich deshalb reduziert weil im Laufe des Verfahrens eine Haftungsquote zu berücksichtigen war oder weil sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass der materielle Schaden vom Kläger zu hoch beziffert war. Soweit der Klägervertreter dabei wohl die Auffassung vertritt, dass erst durch den Verweis auf eine Alternativwerkstatt eine Reduzierung in Form einer Art Erledigung des Schadensersatzanspruches eintritt, ist dies nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht richtig. Der Anspruch war von vornherein und immer nur in der reduzierten Höhe gegeben. Der Verweis innerhalb der Regulierung auf eine günstigere Regulierungsmöglichkeit ist keine Einrede oder teilweise Erfüllung, sondern nur der Hinweis auf die Rechtslage. Der Anspruch besteht von vornherein nur in Höhe dessen, was die Versicherung im Laufe des Verfahrens gesagt hat.
Das erkennende Gericht hat vorliegend, da es sich um eine ganz durchschnittliche Unfallregulierung handelt, den Mittelwert also eine 1,3-Gebühr in Ansatz gebracht. Für einen darüber hinaus gehenden Anspruch besteht zumindest in der Unfallregulierung gegenüber der Gegenseite kein Anlass.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.