Der Tatrichter kann in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im maßgeblichen Postleitzahlgebiet ermitteln, was jedoch nicht bedeutet, dass eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sog. Fraunhofer-Liste, oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen grundsätzlich rechtsfehlerhaft wäre. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich nicht daran gehindert, angesichts der deutlichen Preisunterschiede beider Listen und der jeweils unterschiedlichen Methodik der Datenerhebung, wie auch hier geschehen, den erstattungsfähigen Normaltarif unter Ansatz des Mittelwerts beider Listen zu ermitteln.
Siehe auch Der Unfallersatztarif und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung
Gründe:
I.
Die Klägerin, ein Mietwagenunternehmen, geht aus abgetretenem Recht eines Kunden vor. Sie nimmt die Beklagte aufgrund eines Verkehrsunfalls vom … auf restlichen Ausgleich von Mietwagenkosten in Höhe von 1.651,92 € - es ist dabei eine Eigenersparnis in Höhe von = 5,1 % in Abzug gebracht worden - gemäß Rechnung vom 29.04.2014 (2.517,14 €) in Anspruch.
Die Anmietung erfolgte vom 18.11.2013 bis zum 27.11.2013 während der Zeit der Fahrzeugreparatur.
Bei dem unfallgeschädigten PKW handelt es sich um einen Q, welcher der Mietwagenklasse 10 angehört. Der Kunde hatte einen ebenfalls der Gruppe 10 zuzuordnenden PKW Q1 angemietet.
Unstreitig hat die Beklagte als Versicherer des Schädigers für den dem Kunden der Klägerin entstandenen Schaden in vollem Umfang einzustehen.
Die Beklagte hat auf die Rechnung vorprozessual 736,61€ gezahlt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der von ihr berechnete Betrag marktüblich sei, bzw. sie sogar einen geringeren Mietpreis als andere Anbieter berechnet habe.
Die Beklagte ist dem entgegentreten.
Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 519,11 € stattgegeben. Der erstattungsfähige Normaltarif ist in Anwendung des Mittelwerts der Schwacke Liste und der Fraunhofer Liste ermittelt worden.
Ferner sind Nebenkosten für die Zustellung bzw. Abholung des Mietwagens und für dessen Ausrüstung mit Winterreifen zuerkannt worden. Diese sind jedoch gegenüber den tatsächlich berechneten Kosten gekürzt worden.
Mit der Berufung rügt die Klägerin die fehlerhafte Rechtsanwendung als auch, dass wesentlicher Vortrag nicht berücksichtigt worden sei.
II.
Die gemäß §§ 511 ff ZPO zulässige und auch im Übrigen statthafte Berufung der Klägerin ist weitgehend begründet. Die Beklagte hat der aus abgetretenen Recht ihres unfallgeschädigten Kunden vorgehenden Klägerin gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 1 ff PflVG, 249 BGB Mietwagenkosten in Höhe weiterer 1.029,60 € zu erstatten.
1. Schon aufgrund des Klägervortrags und der dazu überreichten Unterlagen spricht viel dafür, dass es dem Geschädigten nicht möglich war, ein dem verunfallten PKW – Q2 typgleiches Fahrzeug dieses Herstellers zu einem geringeren, als dem berechneten Mietpreis anzumieten. Die Beklagte ist dem dazu vereinzelten Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten, sondern hat sich auf Erwägungen allgemeinen Inhalts dazu beschränkt, zu welchem Mietpreis sonstige der Mietwagenklasse 10 zuzuordnende Fahrzeugtypen anderer Hersteller anzumieten gewesen wären.
2. Selbst wenn diesen Überlegungen nicht zu folgen wäre, käme man auch in Anwendung der in diesem Zusammenhang einschlägigen höchstrichterlichen als auch obergerichtlichen Rechtsprechung zu keinem abweichenden Ergebnis.
Insoweit gilt, dass die Bemessung der Höhe des hier geltend gemachten Schadensersatzanspruchs in Gestalt von Mietwagenkosten in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist. Sie ist vom Berufungsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsgrundsätze außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.
Die Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden.
Demgemäß hat der BGH mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auch auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im maßgeblichen Postleitzahlgebiet ermitteln kann, was jedoch nicht bedeutet, dass eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sog. Fraunhofer-Liste, oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen grundsätzlich rechtsfehlerhaft wäre. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 18.5.2010 – VI ZR 293/08-; Urteil vom 22.2.2010 – VI ZR 353/09 -; Urteil vom 17.5.2011 – VI ZR 142/10 -; Urteil vom 18.12.2012 – AZ: VI ZR 316/11 -).
Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich nicht daran gehindert, angesichts der deutlichen Preisunterschiede beider Listen und der jeweils unterschiedlichen Methodik der Datenerhebung, wie auch hier geschehen, den erstattungsfähigen Normaltarif unter Ansatz des Mittelwerts beider Listen zu ermitteln (so u.a. OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016 – 9 U 142/15 -).
Zwar hat, wie bereits ausgeführt, in Anwendung der zitierten höchstrichterlicher Rechtsprechung etwas anderes dann zu gelten, wenn der Eignung der vom Gericht der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde gelegten Listen mit konkreten Einwendungen in Gestalt den abgerechneten Kosten vergleichbarer Angebote anderer, ortsansässiger Mietwagenunternehmen entgegen getreten wird.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat sie mit der Replik vom 21.12.2015, Blatt 49 ff, keine konkreten, das heißt, sich über die konkrete Anmietzeit verhaltende Angebote anderer in F ansässiger Mietwagenunternehmen vorgelegt.
Die Angebote der Internetanbieter F1, Q3 sowie F2, Blatt 62 ff d.A., beziehen sich schon nicht auf den örtlich relevanten Markt. Ferner sind jedenfalls die dort angebotenen Fahrzeuge des Typs Q4 ausweislich der von der Klägerin mit der Klageschrift überreichten Übersicht K3 = Blatt 8 d.A., nicht der hier einschlägigen Mietwagenklasse 10, sondern der Klasse 11 zuzuordnen.
Die zudem vorgelegten Mietpreislisten der Firmen C, T, F3 und T1, Blatt 74 ff d.A., lassen ausgenommen derjenigen der Firma T1 nicht erkennen, für welchen Zeitraum sie Gültigkeit hatten, außerdem erlauben sie keinen Rückschluss darauf, welche Angebote im November 2013 auf dem örtlich relevanten Markt zu erzielen waren.
Das überdies vorgelegte Gutachten des Sachverständigen T2 befasst sich mit dem Mietpreismarkt N, dasjenige des Sachverständigen Q5 mit dem Mietpreismarkt im Raum T3.
Soweit die Klägerin zum Beweis dafür, dass der von ihr berechnete Tarif zum Unfallzeitpunkt marktüblich war, pauschal die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hat, handelt es sich um ein untaugliches Beweismittel. Es ist unklar, inwiefern einem zu beauftragenden gerichtlichen Sachverständigen gegenüber den beiden anderen Erhebungsmethoden (Schwacke einerseits bzw. Fraunhofer andererseits) überlegene Methoden zur Verfügung stehen sollten. Bei einer rückwirkenden Ermittlung marktüblicher Mietpreise handelt es sich auch für einen Sachverständigen um eine offene Datenerhebung (OLG Dresden, Endurteil vom 26.03.2014 – 7 U 1110/13-; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2013 – 1 U 130/12 – juris, Rn. 74; Urteil OLG Celle vom 29.023.2012 – 14 U 49/11- juris, Rn. 26).
Beide Parteien haben gegen die vom Amtsgericht unter obiger Prämisse vorgenommene Ermittlung des Mittelwerts von 1.281,91 € (Tagespreis von 142,43 €) keine die Richtigkeit der Berechnung betreffende Einwendungen erhoben, so dass der so ermittelte Betrag im Sinne des erstattungsfähigen Normaltarifs der rechtlichen Bewertung zugrunde zu legen ist.
Obwohl ausgehend von dieser Prämisse der von der Klägerin berechnete Nettomietpreis von täglich 216, 45 € den erstattungsfähigen, im Wege der Schätzung ermittelten Normaltarif von täglich 142,43 € deutlich übersteigt, kann sie Ersatz der von ihr für die Anmietung berechneten höheren Mietwagenkosten beanspruchen, weil dem Geschädigten, aus dessen abgetretenen Recht sie vorgeht, unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Hierfür trifft grundsätzlich die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast, denn insoweit geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.
Die Berufung weist zutreffend daraufhin, dass es zur Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf ankommt, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre, wobei die Höhe des angebotenen Tarifs eine maßgebliche Rolle spielt.
Liegt die Höhe des Mietpreises weit über den Vergleichspreisen und ist das Angebot des in Anspruch genommenen Vermieters um ein Vielfaches erhöht, wird sich ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten um eine preisgünstigere Möglichkeit der Anmietung bemühen. Die Frage, welche Bemühungen um einen günstigeren Tarif dem Geschädigten zuzumuten sind, ist somit maßgeblich beeinflusst von der Höhe des Mietpreisangebots (BGH NJW 2010, 2569 mwN). In der zuvor zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag der Tarif für die reinen Mietwagenkosten um deutlich über 100 % über dem ermittelten Vergleichspreis. Eine solche Abweichung ist vorliegend eindeutig nicht feststellbar.
Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht dazu festgelegt, ab welcher prozentualen Differenz zwischen dem Normaltarif und dem angebotenen Tarif eine Nachfrage des Geschädigten nach einem günstigeren Tarif veranlasst ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Dresden soll eine Erkundigungspflicht des Geschädigten jedenfalls dann bestehen, wenn die Tarifüberschreitung mindestens 50 % beträgt (zuletzt Urteil OLG Dresden vom 26.03.2014 – 7 U 1110/13- mwN).
Der von der Klägerin in Rechnung gestellte Nettomietwagenpreis von täglich 216,45 € inklusive Haftungsbeschränkung überschreitet den im Wege der Schätzung zu ermittelnde Normaltarif von netto 142,43 € inklusive Haftungsbegrenzung um 52%.
Unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Rechtsprechung und insbesondere des Umstands, dass sich der Bundesgerichtshof bisher nicht auf eine prozentuale Differenz festgelegt hat, ab deren Überschreiten der Geschädigte zu einer Erkundigung nach günstigeren Tarifen gehalten sein soll als auch, dass es sich bei dem verunfallten PKW um ein nicht bei jedem Mietwagenanbieter vorrätiges Fahrzeug der Luxusklasse handelt, ist die hier errechnete prozentuale Differenz noch nicht dergestalt bemessen, dass es sich für einen vernünftig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten aufgedrängt hätte, sich nach einem günstigeren Tarif zu erkundigen.
Die Klägerin kann darüber hinaus die Erstattung von Nebenkosten dafür verlangen, dass sie zum einen den Mietwagen dem Unfallgeschädigten zugestellt und nach Ablauf der Mietzeit wieder abgeholt als auch dafür, dass sie den PKW mit Winterreifen ausgestattet hat. Die Beklagte hatte sich in erster Instanz nur gegen den Grund der in diesem Zusammenhang verlangten Kosten, nicht jedoch gegen deren Höhe gewandt. Beide Nebenkostenarten sind grundsätzlich erstattungsfähig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die sich damit befassenden Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht waren diese Kosten zum einen in der konkret berechneten Höhe in Ansatz zu bringen, da, wie bereits ausgeführt, die Beklagte diese nicht angegriffen hatte. Daraus folgt zugleich, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, diese in der vom Amtsgericht vorgenommenen Weise herabzusetzen.
Dies vorausgeschickt ergibt sich folgende Berechnung der ausgleichspflichtigen Mietwagenkosten:
Mietwagenkosten 2.318,19 € abzüglich der Eigenersparnis, welche die Kammer in ständiger Rechtsprechung mit 10 % bemisst 231,82 € Zwischensumme 2.086,37 € zuzgl. Zustellung, Abholung, Winterreifen 198,95 € Insgesamt 2.285,32 € abzüglich vorgerichtlicher Zahlung 736,61 € abzüglich in erster Instanz zuerkannt 519,11 € noch auszugleichende Differenz 1.029,60 €
Die Klägerin hatte die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 30.04.2014, Blatt 175 d.A., vergeblich zur Zahlung gemahnt. Zwar ist dieses Anschreiben erst mit der Berufungsbegründung vorgelegt worden. Da die Beklagte dem aber nicht entgegengetreten ist, ist der Vorgang als unstreitig zu bewerten, so dass der Berücksichtigung dessen nicht der in § 531 II Ziffer 3 ZPO geregelte Novenausschluss entgegensteht.
Die Nebenentscheidungen sind gemäß §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO begründet.