Das Verkehrslexikon

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BayObLG Beschluss vom 13.08.1999 - 2 ObOWi 375/99 - Unterbrechungswirkung einer Terminsanberaumung

BayObLG v. 13.08.1999: Zur Unterbrechungswirkung einer Terminsanberaumung ohne Ladung des Betroffenen bzw seines Verteidigers


Das BayObLG (Beschluss vom 13.08.1999 - 2 ObOWi 375/99) hat entschieden:
Die Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung ohne Ladung des Betroffenen und seines Verteidigers kann die Verjährung auch dann unterbrechen, wenn der Amtsrichter den vorgesehenen Termin nur durchführen will, wenn bis dahin eine für das Verfahren maßgebliche obergerichtliche Entscheidung ergangen ist.


Siehe auch Der Verlauf eines Bußgeldverfahrens und Verjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten


Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 240 DM.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 19.7.1997 gegen 23.53 Uhr mit seinem Pkw die Straße von A. nach Z. und überschritt dabei die innerorts geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h infolge Fahrlässigkeit um mindestens 28 km/h.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt hat. Er ist der Auffassung, die in Frage stehende Ordnungswidrigkeit sei verjährt. Im übrigen sei die Geschwindigkeitsmessung "unrechtmäßig" erfolgt.


II.

Da gegen den Betroffenen lediglich eine Geldbuße von 240 DM festgesetzt worden ist, bedurfte die Rechtsbeschwerde der Zulassung. Der gemäß § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG im Zulassungsverfahren zuständige Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da eine Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts geboten erscheine und sie gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur Entscheidung übertragen.


III.

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch den Einzelrichter gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, aber nicht begründet.

1. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit ist nicht verjährt.

a) Folgender Verfahrensgang ist den Akten zu entnehmen: Mit Bußgeldbescheid vom 23.9.1997 wurde gegen den Betroffenen wegen des Vorwurfs, im Gemeindebereich A. die innerhalb geschlossener Ortschaft geltende Geschwindigkeit von 50 km/h um 28 km/h überschritten zu haben, eine Geldbuße von 240 DM festgesetzt. Der Beschluß wurde dem Betroffenen am 30.9.1997 zugestellt. Am 30.10.1997 gingen die Akten beim Amtsgericht ein. Der Amtsrichter bestimmte mit Verfügungen vom 5.3., 20.5. und 10.10.1998 sowie 22.1.1999 Termin zur Hauptverhandlung, die am 26.3.1999 stattfand. Erst nach der letzten Terminierung ordnete der Amtsrichter auch die Ladungen des Betroffenen und des Verteidigers an. Im angefochtenen Urteil wird zu dieser Verfahrensweise ausgeführt:
"Nachdem sich der Betroffene nach Eingang der Akten bei Gericht mit Schriftsatz vom 19.11.1997 gegen die Zulässigkeit der 'Kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung' gewandt hatte, hielt es das Gericht für sinnvoll, hierzu eine Entscheidung des BayObLG abzuwarten. Diese Entscheidung des BayObLG ist am 17.02.1999 (2 ObOWi 751/98) ergangen. Die wiederholten Terminsverlegungen von Amts wegen sind auf diesen Umstand zurückzuführen".
b) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG unterbricht jede Anberaumung einer Hauptverhandlung die Verjährung. Die enumerative Aufzählung verjährungsunterbrechender Handlungen in § 33 OWiG sollte (ebenso wie in § 78 c StGB) gegenüber der früher geltenden Regelung der Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit dienen, weil angesichts des Gewichts der Unterbrechungshandlungen und damit ihrer generellen Eignung zur ernstlichen Förderung der Verfolgung nunmehr grundsätzlich im Einzelfall keine Prüfung mehr notwendig sein sollte, ob die Unterbrechungshandlung zur Förderung des Verfahrens geeignet oder bestimmt war (BayObLGSt 1976, 28/30; 1979, 91/92; Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl. § 33 Rn. 3; SK/Rudolphi StGB 7. Aufl. § 78 c Rn. 7 jeweils mit Nachweisen der Rechtsprechung).

Aus dieser Intention des Gesetzgebers folgt, daß den in § 33 OWiG aufgeführten Maßnahmen nur in engen Grenzen die Unterbrechungswirkung abgesprochen werden kann (vgl. LK/Jähnke StGB 11. Aufl. § 78 c Rn. 11). Es besteht deshalb - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, daß die Grenze zur Unbeachtlichkeit der Unterbrechungshandlung erst darin überschritten wird, wenn es sich um eine Scheinmaßnahme handelt, mit der eine Förderung des Verfahrens nicht beabsichtigt war. Bestand etwa von vornherein die Absicht, die getroffene Maßnahme nicht durchzuführen oder gleich wieder aufzuheben oder besteht kein Zweifel über die Unerreichbarkeit des verfolgten Zwecks, so entfällt die Unterbrechungswirkung. Eine Scheinmaßnahme ist mithin nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Handlung im Einzelfall objektiv ungeeignet war, das Verfahren wirklich zu fördern oder fördern zu können, sondern erst dann, wenn sie nicht ernst gemeint und subjektiv die Zielrichtung nicht wirklich erstrebt war. Ist die Maßnahme aber ernsthaft gewollt, so ist unerheblich, ob sie gerade mit dem Ziel einer Verjährungsunterbrechung vorgenommen wurde (vgl. BayObLGSt 1976, 28/30; OLG Hamburg VRS 53, 445; OLG Hamm NStZ 1982, 166; OLG Koblenz VRS 59, 445/446; OLG Celle NStZ 1985, 218; LK/Jähnke § 78 c Rn. 11; Göhler OWiG 12. Aufl. § 33 Rn. 3; Rebmann/Roth/Herrmann § 33 Rn. 4).

Eine derartige Ausnahme ist z.B. in einem Fall angenommen worden, in dem der Amtsrichter terminiert hatte, wegen seiner bevorstehenden Pensionierung und seines Gesundheitszustandes aber von vornherein beabsichtigte, keine Hauptverhandlung mehr durchzuführen (OLG Zweibrücken VRS 48, 293). Der Rückleitung der Akten durch die Staatsanwaltschaft an die Polizei gemäß § 43 OWiG wurde eine Unterbrechungswirkung abgesprochen, weil mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für eine Straftat die ohne eine aus den Akten sich ergebende Verfügung durchgeführte Übersendung der Akten von der Polizei an die Staatsanwaltschaft sachlich nicht geboten und inhaltsleer gewesen sei (OLG Köln VRS 57, 46). Das OLG Düsseldorf hat einer "Umterminierung" um 5 Minuten eine Unterbrechungswirkung abgesprochen, weil damit keinerlei Verfahrensförderung beabsichtigt gewesen sei (NJW 1999, 2055).

c) Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Die Tatsache allein, daß mit der Terminierung zunächst keine Ladung des Betroffenen oder von Zeugen verfügt wurde, nimmt ihr nicht die verjährungsunterbrechende Wirkung (OLG Hamm bei Göhler NStZ 1988, 65; OLG Celle bei Göhler NStZ 1982, 12; Rebmann/Roth/Herrmann § 33 Rn. 39). Daß die "noch" nicht angeordnete Ladung der Terminierung nicht die Ernsthaftigkeit nimmt, zeigt sich im vorliegenden Fall gerade daran, daß der Amtsrichter nach Kenntnis von der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.2.1999 die Ladung zu dem von ihm bestimmten Termin angeordnet hat. Gerade diese Verfahrensweise belegt, daß auch die vorangehenden Terminierungen nicht willkürlich waren. Der Amtsrichter war vielmehr offenbar ernsthaft gewillt, den jeweils angeordneten Termin durchzuführen, sofern rechtzeitig die von ihm erwartete Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ergangen war.

Die bloße Möglichkeit der Nichtdurchführung des Termins, weil die erwartende Entscheidung noch ausstand, nimmt der Maßnahme nicht die verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. OLG Celle NStZ 1985, 218). Die Durchführung eines Termins kann auch aus anderen Gründen sinnlos werden, so etwa wenn die rechtzeitige Erstattung eines Sachverständigengutachtens in Frage steht oder der Richter sonstige Ermittlungshandlungen angeordnet hat, deren rechtzeitige Durchführung nicht sicher ist. Daß der Amtsrichter in einem derartigen Fall in erster Linie deshalb Termin anberaumt, weil sonst Verjährung droht, ist unerheblich, sofern die ernsthafte Absicht besteht, den Termin gegebenenfalls, d.h. bei rechtzeitiger Erstattung des Gutachtens, der Erledigung sonstiger Ermittlungshandlungen oder Erlaß einer erwarteten höchstrichterlichen Entscheidung, durchzuführen.

Ob ein derartiges Zuwarten auf eine obergerichtliche Entscheidung sachlich geboten war oder eine eigene Entscheidung des Amtsrichters näher gelegen hätte, ist unerheblich. Ein Richter kann auch einen Termin verlegen, ohne daß hierfür prozeßfördernde Gesichtspunkte maßgebend sind. Als Scheinmaßnahme kann eine derartige Neuterminierung allenfalls eingeordnet werden, wenn von vornherein die Absicht fehlt, einen ins Auge gefaßten Termin durchzuführen. Die dadurch bewirkte Verzögerung des Verfahrens kann im Hinblick auf die Höchstfristen des § 33 Abs. 3 OWiG hingenommen werden.

Die Terminierung war auch entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht nicht deshalb willkürlich, weil dem Amtsrichter noch kein konkretes Verfahren, in dem eine klärende Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht zu erwarten war, bekannt war. Die Erwartung einer derartigen Entscheidung war dennoch durchaus berechtigt. Die Zulässigkeit der Geschwindigkeitsmessung durch den Markt Feucht aufgrund einer Kommunalen Zweckvereinbarung unter Einschaltung von Leiharbeitnehmern war umstritten. Die Staatsanwaltschaft war daher an einer baldigen Klärung interessiert, so daß mit einer Entscheidung durch das Bayerische Oberste Landesgericht, sei es aufgrund eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft oder des Betroffenen, in absehbarer Zeit zu rechnen war. Tatsächlich ist diese Entscheidung auch innerhalb eines Jahres nach der ersten Terminierung erfolgt.

Bei dieser Sachlage hält der Senat die vorgenommenen Terminierungen - ungeachtet der Frage, ob eine andere Verfahrensweise angemessener gewesen wäre - für nicht willkürlich und damit geeignet, die Verjährung zu unterbrechen.

2. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung deckt im übrigen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf.

Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Geschwindigkeitsmessung. Die Auffassung des Verteidigers, der Senat habe in seiner Entscheidung vom 17.2.1999 die Frage offengelassen, ob die Messung zulässig sei, wenn der Leiharbeitnehmer "physisch-​räumlich und organisatorisch" in die Gemeindeverwaltung integriert war, ist unzutreffend. Der Senat hat diese Frage vielmehr ausdrücklich im Sinne einer Zulässigkeit bejaht (NJW 1999, 2200).

Die Rechtsbeschwerde wird daher als unbegründet verworfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.