Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 08.06.1993 - VI ZR 192/92 - Erneute Vernehmung des Sachverständigen in der Berufungsinstanz
BGH v. 08.06.1993: Zur notwendigen erneuten Vernehmung des Sachverständigen in der Berufungsinstanz
Der BGH (Urteil vom 08.06.1993 - VI ZR 192/92) hat entschieden:
Das Berufungsgericht muss einen Sachverständigen jedenfalls dann selbst anhören, wenn es der Beurteilung medizinischer Vorgänge eine vom Sachverständigen abweichende Auffassung zugrundelegen und seine Ausführungen anders als das Landgericht würdigen will.
Siehe auch Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren und Die Beweiswürdigung in Zivilsachen
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen den beklagten Orthopäden Ansprüche wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unterlassener Aufklärung geltend.
Sie hat im Frühjahr 1986 wegen Schmerzen im rechten Schultergelenk nach einem zuvor erlittenen Sturz die Praxis des Beklagten aufgesucht. Dieser hat ihr - neben anderen Injektionen und Bestrahlungen - am 29. April und 5. Mai 1986 das cortisonhaltige Mittel Supertendin intraartikulär in das rechte Schultergelenk injiziert. Am 10. Juni 1986 erfolgte eine weitere Injektion in die rechte Schulter, nach Darstellung des Beklagten mit 3 ml des Schmerzmittels Meaverin. Anschließend verspürte die Klägerin heftige Schmerzen im Bereich dieses Gelenks und suchte in der Folgezeit verschiedene Ärzte auf, darunter am 16. Juni 1986 erneut den Beklagten, der zur Schmerzlinderung eine intragluteale Injektion mit Tramal vornahm. Am 18. Juni 1986 begab sie sich wegen Verdachts auf einen Eiterherd (Empyem) im Schultergelenk in die ihr von anderen Ärzten bereits am 14. und 17. Juni 1986 angeratene stationäre Behandlung, bei welcher diese Diagnose sich bestätigt hat. Deshalb wurde eine operative Revision des Gelenks mit umfangreicher Nachbehandlung durchgeführt. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks ist seither eingeschränkt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, für das Schultergelenkempyem und die daraus entstandenen Folgen sei eine Fehlbehandlung durch den Beklagten ursächlich. Die beiden ersten Injektionen mit Supertendin seien in zeitlich zu kurzem Abstand vorgenommen worden und hätten die Abwehrkräfte im Schultergelenk geschwächt. Zudem sei die Injektion vom 10. Juni 1986 entgegen der Darstellung des Beklagten nicht periartikulär mit einem Schmerzmittel, sondern wohl ebenfalls intraartikulär mit einem cortisonhaltigen Mittel und überdies unter Außerachtlassung der hygienischen Vorschriften verabreicht worden. Dies habe die Gelenkentzündung verursacht. Auch sei sie nicht aufgeklärt worden, dass eine Injektion ins Gelenk zu dessen Versteifung führen könne. Bei Aufklärung würde sie einer solchen Behandlung keinesfalls zugestimmt haben.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 37.956,32 DM nebst 4 % Zinsen sowie eines Schmerzensgeldes, das sie mit 60.000 DM für angemessen hält, zu verurteilen und seine Pflicht zum Ersatz zukünftigen Schadens festzustellen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin deren Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach stattgegeben und die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz materiellen und immateriellen Zukunftsschadens festgestellt. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, der Beklagte habe der Klägerin am 10. Juni 1986 eine periartikuläre Injektion mit 3 ml Meaverin in das rechte Schultergelenk verabreicht. Dabei habe er gegen anerkannte ärztliche Regeln verstoßen, weil nach dem im ersten Rechtszug eingeholten schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. G. bei Injektionen und Infiltrationen dieser Art die Einhaltung strenger hygienischer Bedingungen zu beachten sei. U.a. dürfe die Öffnung der Ampulle und der steril verpackten Instrumente erst unmittelbar vor der Injektion erfolgen. Das sei unstreitig nicht geschehen, weil der Beklagte der Darstellung der Klägerin nicht widersprochen habe, die Sprechstundenhilfe habe die Spritze ca. eine halbe Stunde vor Verabreichung der Injektion aufgezogen und bis zum Erscheinen des Beklagten hingelegt.
Die Außerachtlassung der Hygienevorschriften stelle einen Behandlungsfehler dar, für welchen der Beklagte einzustehen habe. Die Klägerin habe durch das Sachverständigengutachten den Nachweis geführt, dass die Bewegungseinschränkung im Schultergelenk auf die Injektion vom 10. Juni 1986 zurückzuführen sei. Im übrigen habe der Beklagte gegen elementare und eindeutige Regeln der Injektionstechnik verstoßen, also einen groben Behandlungsfehler begangen mit der Folge, dass sich die Beweislast umkehre. Den bei dieser Sachlage erforderlichen Nachweis, dass die durchgeführte Behandlung nicht Ursache des Schadens sei, habe der Beklagte nicht geführt.
Eine Ersatzpflicht des Beklagten bestehe auch deshalb, weil mangels hinreichender Aufklärung ein wirksames Einverständnis der Klägerin nicht vorgelegen habe. Die Injektion vom 10. Juni 1986 sei mit einem spezifischen Infektionsrisiko verbunden gewesen, zumal die körpereigenen Abwehrkräfte durch die Injektionen vom 29. April und 5. Mai 1986 vermindert gewesen seien. Die hiernach erforderliche Aufklärung habe der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe auch plausibel dargelegt, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung zumindest in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, zumal - wie die intragluteale Injektion eines Schmerzmittels am 16. Juni 1986 zeige - alternative Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Das Berufungsgericht legt in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass die Injektion vom 10. Juni 1986 periartikulär mit dem Schmerzmittel Meaverin erfolgt ist, wie dies dem Vorbringen des Beklagten entspricht. Hiervon ist zu dessen Gunsten für das Revisionsverfahren auszugehen.
Allerdings bestehen Bedenken dagegen, dass das Berufungsgericht diesen Sachverhalt für unstreitig erachtet hat. Die Klägerin hat jene Feststellung in der Revisionsverhandlung in zulässiger Weise (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. Oktober 1975 - IX ZR 166/73 - MDR 1976, 138) mit der Rüge nach § 286 ZPO angegriffen und zutreffend darauf hingewiesen, dass sie diese Darstellung des Beklagten in den Vorinstanzen bestritten hat. Das Berufungsgericht konnte auch nicht etwa annehmen, dass die Klägerin die Darstellung des Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestehen wollte, zumal sie diese nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in einem nachgelassenen Schriftsatz nochmals ausdrücklich bestritten hat.
Da das Berufungsgericht einerseits im Tatbestand des angefochtenen Urteils eine periartikuläre Injektion mit Meaverin als unstreitig behandelt, andererseits jedoch auf die Berufungsbegründung der Klägerin verweist, in welcher diese Darstellung des Beklagten bestritten worden ist, ist der Tatbestand in diesem Punkt widersprüchlich, weil das Vorbringen der Klägerin infolge der im Urteil ausgesprochenen Bezugnahme zum Tatbestand des Berufungsurteils gehört (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - VIII ZR 222/87 - BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Tatbestand 3); überdies wird im Tatbestand bei Wiedergabe des klägerischen Berufungsvorbringens ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin von einer intraartikulären Infiltration ausgehe. Ob schon dieser Mangel zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nötigen würde, kann indes dahinstehen, weil das Urteil schon aus anderen Gründen der Aufhebung unterliegt.
2. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Injektion vom 10. Juni 1986 für die Gelenkentzündung ursächlich geworden ist, und zieht auch den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht in Zweifel, wonach die Missachtung elementarer Hygieneregeln bei der Verabreichung von Injektionen einen - ggf. groben - Behandlungsfehler darstellen könne. Sie bekämpft jedoch mit Erfolg die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Injektion vom 10. Juni 1986 unter Verletzung derartiger elementarer Hygieneregeln erfolgt sei.
a) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht diese Beurteilung ausschließlich aus dem im ersten Rechtszug eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten hergeleitet hat, während das Landgericht nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen Dr. G. zum Ergebnis gelangt ist, eine Verletzung der Hygienevorschriften liege nicht vor.
Soweit die Revision allerdings rügt, dass dem Berufungsgericht die medizinische Literatur nicht vorgelegen habe, welche der Sachverständige dem Landgericht bei seiner mündlichen Anhörung überlassen hat, ist ein Verfahrensfehler nicht ersichtlich, weil das landgerichtliche Urteil nicht erkennen lässt, dass diese Literatur überhaupt verwertet worden ist. Deshalb bedarf es auch keines Eingehens auf die Frage, unter welchen Umständen derartige Fachliteratur vom Tatrichter ausgewertet werden kann (dazu Senatsurteil vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92, zur Veröffentlichung bestimmt).
Vielmehr beruht die Beweiswürdigung des Landgerichts ersichtlich auf der abschließenden Stellungnahme des Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung, nach den Bekundungen der Zeugen über die Injektionspraxis des Beklagten sei die Einhaltung der hygienischen Kautelen anzunehmen. Wenngleich diese Äußerung des Sachverständigen entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht protokolliert worden ist, ist sie doch in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils enthalten und gehört somit zum Prozessstoff des ersten Rechtszugs, der vom Berufungsgericht gemäß § 286 ZPO zu würdigen war. Das Berufungsgericht hat sich jedoch mit dieser Auffassung des Sachverständigen nicht auseinandergesetzt und sie im angefochtenen Urteil nicht einmal erwähnt, sondern sich ausschließlich auf das vorangegangene schriftliche Sachverständigengutachten gestützt.
Diese Verfahrensweise begegnet durchgreifenden Bedenken. Auch wenn es grundsätzlich im pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts steht, ob und inwieweit eine im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen ist - insoweit gelten die Grundsätze des § 398 ZPO auch für die Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 402 ZPO -, kann von einer erneuten mündlichen Anhörung des Sachverständigen jedenfalls dann nicht abgesehen werden, wenn das Berufungsgericht dessen Ausführungen abweichend vom Landgericht würdigen will (Senatsurteil vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - VersR 1986, 366, 367). Insoweit kann nichts anderes gelten als bei der abweichenden Beurteilung von Zeugenaussagen erster Instanz oder der abweichenden Beurteilung des Ergebnisses eines Augenscheins (Senatsurteile vom 21. Mai 1985 und vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 235/83 - VersR 1985, 839, 841; vom 12. November 1991 - VI ZR 369/90 - NJW 1992, 741 = VersR 1992, 237, 238).
b) Nach diesen Grundsätzen war jedenfalls deshalb eine Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht geboten, weil dieses die injektionstechnischen Vorgänge ersichtlich anders beurteilt, als sie der Sachverständige nach der in seiner Anwesenheit erfolgten Zeugenvernehmung bewertet hat.
Dabei ergeben sich Unstimmigkeiten und Unklarheiten vor allem daraus, dass das schriftliche Sachverständigengutachten Hygieneanforderungen für intraartikuläre Injektionen mit einem Cortisonpräparat zugrunde legt, während das Berufungsgericht von einer periartikulären Injektion mit einem Schmerzmittel ausgeht.
aa) Bei dieser Sachlage ist das Vorbringen der Revision nicht von der Hand zu weisen, dass die Hygieneanforderungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten, auf welches das Berufungsgericht sich bezogen hat, nur für intraartikuläre Injektionen mit Cortison Geltung haben, nicht jedoch für die vorliegend zu unterstellende periartikuläre Injektion mit einem Schmerzmittel. Neben der oben bereits erörterten Frage, welche Injektion am 10. Juni 1986 tatsächlich erfolgt ist, wird das Berufungsgericht mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob - falls von einer periartikulären Injektion mit einem Schmerzmittel auszugehen ist - hierfür möglicherweise herabgeminderte hygienische Vorschriften gelten. Insoweit könnte es vor allem auf die Frage ankommen, ob auch bei einer derartigen Injektion die Ampulle erst unmittelbar vor Verabreichung geöffnet werden darf. Soweit die Sachverständigen sich für diese Auffassung in ihrem schriftlichen Gutachten auf das Urteil des Senats vom 3. November 1981 - VI ZR 119/80 - NJW 1982, 699, 700 bezogen haben, ist darauf hinzuweisen, dass es dort nicht eigentlich um eine Injektion, sondern um die Zubereitung einer Infusionslösung gegangen ist.
bb) Weiter rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungsgericht die Darstellung der Klägerin zum Aufziehen der Spritze als unstreitig behandelt hat. Der Beklagte habe von Anfang an vorgetragen, die Spritze sei bis unmittelbar vor der Injektion mit einer Schutzkappe - nämlich der erforderlichen sterilen Verpackung - versehen gewesen. Das Aufziehen der Spritze sei von dem vom Sachverständigen verlangten Auswechseln der Kanüle unmittelbar vor der Injektion zu unterscheiden. Zwar stellt die Revision nicht in Abrede, dass beim Aufziehen der Spritze jedenfalls die Ampulle geöffnet worden sein muss, so dass in diesem Punkt ein Verstoß gegen Hygieneregeln - sofern sie für die vorliegende Injektion in dieser Strenge Geltung haben - vorliegen könnte. Hinsichtlich der Kanüle hat das Berufungsgericht jedoch entgegen § 286 ZPO das erstinstanzliche Beweisergebnis nicht beachtet, wonach zwei Zeuginnen bekundet haben, die zum Aufziehen der Spritze verwendete Kanüle werde anschließend durch eine neue Kanüle mit steriler Verpackung (Schutzkappe) ersetzt, die erst unmittelbar vor der Injektion entfernt werde. Dieses Beweisergebnis durfte das Berufungsgericht nicht außer Acht lassen, zumal es naheliegt, dass der Sachverständige gerade wegen dieser Darstellung der Zeuginnen zum Ergebnis gelangt ist, die Hygienevorschriften seien beachtet worden.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision liegt allerdings kein Verfahrensfehler darin, dass das Berufungsgericht die Dauer des Zeitraums zwischen dem Aufziehen der Spritze und der Injektion für unstreitig erachtet hat. Der Beklagte hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht eingeräumt, es könne sein, dass die Spritze schon aufgezogen gewesen sei, als er das Behandlungszimmer betreten habe, und sich auch nicht gegen die Darstellung der Klägerin in diesem Termin wie auch später bei ihrer Anhörung vor dem Oberlandesgericht gewendet, wonach sie zwischen dem Aufziehen der Spritze und der Verabreichung der Injektion längere Zeit gewartet habe. Bei dieser Sachlage brauchte das Berufungsgericht die an jene Anhörung anschließende Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, die Darlegungen der Klägerin würden bestritten, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO nicht auf den Zeitraum zwischen dem Aufziehen der Spritze und der Injektion zu beziehen.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe anlässlich der Injektion vom 10. Juni 1986 seine Pflicht zur Aufklärung der Klägerin über die Risiken dieser Injektion verletzt.
a) Die Revision zieht insoweit den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht in Zweifel, dass ein wirksames Einverständnis des Patienten in den ärztlichen Heileingriff die hinreichende Aufklärung über dessen Verlauf, Erfolgsaussichten und Risiken sowie über eventuelle Behandlungsalternativen voraussetzt. Mit Recht rügt die Revision jedoch auch hier, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht auf hinreichender Tatsachenfeststellung beruhen.
aa) Soweit die Revision allerdings beanstandet, das Berufungsgericht habe auf die Risiken einer intraartikulären Injektion mit Cortison abgestellt und den Unterschied zu den Risiken der hier verabreichten periartikulären Injektion mit einem Schmerzmittel nicht hinreichend beachtet, trifft sie nicht den Kern der Ausführungen des Berufungsgerichts. Dieses bemängelt nämlich nicht die Unterlassung einer Aufklärung über das Risiko einer intraartikulären Injektion mit Cortison, sondern führt aus, der Injektion vom 10. Juni 1986 habe nach den Ausführungen des Sachverständigen ein spezifisches Infektionsrisiko mit möglichen schweren Folgen angehaftet, welches der Aufklärung bedurft habe, zumal Behandlungsalternativen für die angestrebte Schmerzlinderung zur Verfügung gestanden hätten. Diese Aufklärungspflicht gelte umso mehr, als durch die vorangegangenen Cortisoninjektionen die körpereigenen Abwehrkräfte gegen Entzündungserreger mit der Folge geschwächt gewesen seien, dass es leichter zu einer Entzündung habe kommen können.
bb) Der vorliegende Sachverhalt erfordert keine abschließende Beurteilung, wann und in welchem Umfang über das Risiko von Injektionen aufzuklären ist. Die Revision beanstandet jedenfalls mit Recht, dass das Berufungsurteil insoweit nicht auf gesicherten Tatsachen beruht. So hat sich das Berufungsgericht hinsichtlich der Häufigkeit von Infektionen bei periartikulären Injektionen mit einem Schmerzmittel auf die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. vor dem Landgericht bezogen, ohne zu klären, ob sie tatsächlich derartige Injektionen oder nicht vielmehr intraartikuläre Injektionen mit Cortison betreffen, wie sie den Gegenstand des schriftlichen Gutachtens gebildet haben. Hierauf hat nämlich der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung Bezug genommen, ohne dass ersichtlich wäre, dass im Gegensatz dazu bei der mündlichen Anhörung die Häufigkeit von Infektionen bei periartikulären Injektionen mit Schmerzmitteln erörtert worden wäre.
b) Beruht schon von daher die Annahme einer Aufklärungspflicht nicht auf gesicherten tatsächlichen Feststellungen, so gilt dies auch für die zusätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichts, wonach die Infektionsgefahr bei der Injektion vom 10. Juni 1986 durch die beiden vorangegangenen Injektionen derart erhöht gewesen sei, dass jedenfalls hierdurch eine Aufklärungspflicht ausgelöst worden sei.
Dabei kann allerdings außer Betracht bleiben, dass sich nach dem Klägervortrag nicht eigentlich das besondere Risiko einer Injektion ins Gelenk verwirklicht hat, sondern das Risiko mangelhafter Desinfektion, also eines Behandlungsfehlers, über welchen nicht aufgeklärt zu werden brauchte. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil können nämlich jedenfalls dahin verstanden werden, dass durch die vorangegangenen Infektionen die körpereigenen Abwehrkräfte gegenüber Erregern derart geschwächt worden seien, dass es auch bei Beachtung der Hygienevorschriften zu einer Gelenkentzündung habe kommen können. Soweit das Berufungsgericht ausführt, über dieses Risiko habe auch dann aufgeklärt werden müssen, wenn es sehr selten sei, ist dies zwar vom rechtlichen Ansatz her zutreffend, weil ein der Injektion vom 10. Juni 1986 etwa anhaftendes Risiko einer Gelenkversteifung die Lebensführung des Patienten derart belasten konnte, dass auch bei seltener Verwirklichung dieses Risikos eine Aufklärungspflicht bestehen konnte (Senatsurteil BGHZ 106, 391, 395). Es begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht ein derartiges Risiko bejaht hat, ohne dass die Ausführungen im schriftlichen Sachverständigengutachten hierzu hinreichenden Anhalt boten. Auch dem Protokoll über die mündliche Anhörung des Sachverständigen lässt sich nicht entnehmen, dass durch jene Injektionen ein erhöhtes Infektionsrisiko mit der Folge einer Aufklärungspflicht entstanden sei.
III.
Das angefochtene Urteil kann mithin keinen Bestand haben, weil die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts weder für die Annahme eines Behandlungsfehlers noch für eine Verletzung der Aufklärungspflicht ausreichen.
Es war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird die Klägerin Gelegenheit haben, auch zu den anderen Rügen der Beklagten betreffend ihre hypothetische Einwilligung und das Fehlen von Behandlungsalternativen Stellung zu nehmen.