Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil vom 29.11.2016 - 14 K 6395/16 -
VG Düsseldorf v. 29.11.2016:
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 29.11.2016 - 14 K 6395/16) hat entschieden:
Ein seiner baulichen Gestaltung nach eindeutig für die Benutzung durch Radfahrer bestimmter Straßenteil ist auch ohne Kennzeichnung durch Zeichen 237 ein Radweg. - Ein parkendes Kfz darf gebührenpflichtig abgeschleppt werden. Dies gilt im Regelfall auch dann, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des in einem verbotswidrigen Parken liegenden Rechtsverstoßes gelegen hat, ohne dass eine konkrete Verkehrsbehinderung vorgelegen haben muss.
Siehe auch Radweg und Radwegbenutzungspflicht und Abschleppkosten - Kfz.-Umsetzungsgebühren
Tatbestand:
Der Kläger stellte seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen E. -E1. 1183 in E2. auf der T.-straße Ecke X.-straße vor einem auslaufenden Radfahrstreifen und zum Teil auf dem Gehweg ab. Mitarbeiter der Beklagten bemerkten das Fahrzeug am 2. Mai 2016 um 12:24 Uhr, ließen es um 13:12 Uhr abschleppen und auf den Hof der Abschleppfirma verbringen. Dort holte der Kläger das Fahrzeug am selben Tag, dem 2. Mai 2016 ab.
Die Beklagte setzte mit Leistungs- und Gebührenbescheid vom 2. Mai 2016 gegenüber dem Kläger eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 54,00 Euro fest und machte Abschleppkosten in Höhe von 94,01 Euro sowie Standkosten in Höhe von 3,57 Euro geltend (insgesamt 151,58 Euro).
Der Kläger hat am 9. Mai 2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Abschleppmaßnahme sei rechtswidrig gewesen, da es sich bei dem Ort, an dem er das Fahrzeug abgestellt habe, nicht um einen Radweg gehandelt habe. Zwar sei an der Stelle, an der er geparkt habe, das Zeichen 237 auf der rechten Seite der Straße aufgemalt. Gemäß § 39 Abs. 5 S. 8 StVO seien aufgemalte Verkehrszeichen jedoch nur ein Hinweis auf aufgestellte Verkehrszeichen und hätten allein keine Bedeutung. Dies sei auch sinnvoll, da - wie auch hier - aufgemalte Verkehrszeichen schnell übersehen werden könnten und insbesondere durch andere Fahrzeuge verdeckt werden können. Dadurch, dass kein Zeichen 237 aufgestellt sei, habe er auch nicht davon ausgehen müssen, dass es sich um einen Radweg handeln soll. Es könne sich daher rechtlich nur um einen Seitenstreifen handeln, auf dem das Parken erlaubt ist.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Leistungs- und Gebührenbescheid der Beklagten vom2. Mai 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid und die im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos. Im Bereich der T.-straße sei durch eine Begrenzungslinie und das Sinnbild "Radverkehr" ein Sonderbereich für Radfahrer ausgewiesen und deutlich von der sonstigen Fahrbahn und dem Gehweg abgegrenzt. Bereits aufgrund dieser Kennzeichnung sei das Parken nicht erlaubt. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich bei dem betroffenen Bereich auch um einen gemäß Zeichen 237 benutzungspflichtigen Radweg handele. Eine besondere Gefahr resultiere ausweislich der Fotos daraus, dass durch die Parkweise des Klägers das Einordnen der Radfahrer in den fließenden Verkehr erschwert worden sei.
Für Erstattungsansprüche hinsichtlich der geltend gemachten Reisekosten und Auslagen sei der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben.
Mit Beschluss vom 8. September 2016 hat die Kammer das Verfahren der Vorsitzenden zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte trotz Ausbleiben des Klägers und eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten entschuldigt waren und sie gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) belehrt wurden.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Antrag des Klägers war gemäß § 86 Abs. 3 VwGO wie geschehen auszulegen.
Der angefochtene Leistungs- und Gebührenbescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 VwGO.
Gegen die Verwaltungsgebühr bestehen weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtliche Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 77 VwVG NRW i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 7 VO VwVG NRW i.V.m. § 24 Nr. 13 OBG NRW und § 46 Abs. 1 und 3 PolG NRW.
Nach diesen Bestimmungen kann die Ordnungsbehörde als Vollstreckungsgläubigerin von dem Pflichtigen für das (rechtmäßige) Abschleppen eines Fahrzeugs eine Verwaltungsgebühr erheben.
Die Abschleppmaßnahme war hier rechtmäßig.
Die in § 14 OBG NRW verlangte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand im vorliegenden Fall. Im Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten lag ein Verstoß gegen § 12 Abs. 4, 39 Abs. 5, § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 237 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) vor, weil das Fahrzeug des Klägers auf einem Radfahrstreifen abgestellt war. Der Verstoß wird durch die im beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Fotos belegt.
Entgegen der Ansicht des Klägers handelte es sich erkennbar um einen dem Radverkehr vorbehaltenen Fahrstreifen und nicht um einen Seitenstreifen, der zum Parken berechtigte. Denn es handelte sich um einen Radfahrstreifen, der ein mit Zeichen 237 gekennzeichneter und durch Zeichen 295 von der Fahrbahn abgetrennter Sonderweg ist (vgl. Ziffer I Nr. 3 der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO). Dabei ist gemäß § 39 Abs. 5 S. 1 StVO klargestellt, dass die entsprechende Markierung für die Radverkehrsführung ein Verkehrszeichen darstellt, so dass entgegen der Ansicht des Klägers die auf der Straße aufgebrachte Markierung des Zeichens 237 die Bedeutung eines Verkehrszeichens hat. Die seitens des Klägers angeführte Bestimmung des § 39 Abs. 5 S. 8 StVO soll lediglich klarstellen, dass für den Fall, dass weitere Verkehrszeichen aufgestellt sind, die Schriftzeichen und die Wiedergabe von Verkehrszeichen auf der Fahrbahn keine selbstständigen Ge - oder Verbote enthalten (Gesetzesbegründung zur Verordnung zur Neufassung der StVO vom 6. März 2013 - BR-Drucksache 428/12).
Bei verständiger Betrachtungsweise war der Radweg im Zusammenhang mit dem auslaufenden Radfahrstreifen auch als solcher erkennbar. Darüber hinaus sind unabhängig von dem Vorhandensein oder der Sichtbarkeit des Zeichens 237 auf der Straße auch nur baulich dargestellte Radwege Radfahrern vorbehalten.
Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., 2015, § 2 StVO, Rdnr. 67; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 21. Juni 1978 - 1 Ob OWI 343/77 - juris
Die Sicherstellung war entgegen der Auffassung des Klägers auch verhältnismäßig. Sie war erforderlich, denn eine den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme kam nicht in Betracht. Der Aufenthalt des Fahrers war unstreitig nicht bekannt.
Die Maßnahme hat auch nicht zu Nachteilen geführt, die zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis standen. Sie belastete den Kläger mit den Abschleppkosten, der Verwaltungsgebühr und dem Zeitaufwand bei der Wiedererlangung des Fahrzeugs. Sowohl die Höhe des zu zahlenden Geldbetrages als auch die den Kläger treffenden sonstigen Ungelegenheiten sind geringfügig. Schon deshalb standen sie zu dem mit der Maßnahme erstrebten Erfolg in keinem offensichtlichen Missverhältnis. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen im Regelfall auch dann, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des in einem verbotswidrigen Parken liegenden Rechtsverstoßes gelegen hat, ohne dass eine konkrete Verkehrsbehinderung vorgelegen haben muss.
Vgl. OVG NRW , Urteil vom 26.09.1996 - 5 A 1746/94 - m.w.N.; Urteil vom 15.05.1990, - 5 A 1687/89, NJW 1990, 2835.
Es kann aber letztlich dahingestellt bleiben, ob eine Abschleppmaßnahme auch dann angemessen ist, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des im verbotswidrigen Parkens liegenden Rechtsverstoßes liegt, oder ob dies stets nur dann der Fall ist, wenn eine weitere Beeinträchtigung (etwa Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, negative Vorbildwirkung gegenüber weiteren Kraftfahrern, Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche) hinzukommt.
So etwa OVG NRW, Urteil vom 29. September 1989 - 5 A 878/89 -; Urteil vom 15. Mai 1990 - 5 A 1687/89 -, NJW 1990, 2835 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 - 3 C 3/90 -, NJW 1993, 870; Beschluss vom 18. Februar 2002 - 3 B 149/01 -, DVBl. 2002, 1560, 1561.
Im vorliegenden Fall beeinträchtigte das verbotswidrige Parken auf dem Radweg nämlich die Funktion dieser Verkehrsfläche. Denn die Freihaltung des Radweges muss jederzeit- und zwar in vollem räumlichen Umfang - gewährleistet sein, um einen ungehinderten Radverkehr jederzeit zu ermöglichen; nur so kann der Radweg seiner Funktion entsprechend, der Sicherheit und Leichtigkeit des gesamten Verkehrs zu dienen, uneingeschränkt genutzt werden.
Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2002 - 16 VG 4499/2001 - juris.
Es besteht demnach ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Freihaltung dieser Verkehrsflächen. Durch das Abstellen des Fahrzeuges des Klägers war diese Verkehrsfläche nur noch eingeschränkt nutzbar. Diese Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche rechtfertigte vorliegend daher ein sofortiges Entfernen des Fahrzeuges.
Bezüglich der Höhe der Gebühr bestehen keine Bedenken. Sie liegt im mittleren Bereich des Gebührenrahmens von 25,00 bis 150,00 Euro und ist bereits mehrfach auf ihre Berechtigung hin überprüft worden.
Soweit der Kläger die Rückzahlung der unmittelbar an das Abschleppunternehmen gezahlten Abschleppkosten in Höhe von 97,58 Euro begehrt, ist seine Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft.
Diese ist zulässig, aber unbegründet.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt lediglich § 21 Abs. 1 Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) i.V.m. § 77 Abs. 4 VwVG NRW in Betracht. Hiernach sind überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten, zu Unrecht erhobene Kosten jedoch nur, soweit eine Kostenentscheidung noch nicht unanfechtbar geworden ist.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind nicht gegeben. Die unmittelbar an das Abschleppunternehmen gezahlten Kosten für die durchgeführte Abschleppmaßnahme wurden nicht zu Unrecht im Sinne von § 21 Abs. 1 GebG NRW i.V.m. § 77 Abs. 4 VwVG NRW erhoben. Denn der Kläger hat durch die vorgenommene Zahlung einen Anspruch der Beklagten gemäß § 77 Abs. 1 VwVG NRW, § 20 Abs. 2 Nr. 8 der VO VwVG NRW i.V.m. § 24 Nr. 13 OBG NRW, § 46 Abs. 3, § 43 Nr. 1 PolG NRW bzw. in § 77 Abs. 1 VwVG NRW, § 20 Abs. 2 Nr. 8 VO VwVG NRW i.V.m. § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW erfüllt. Hiernach hat der Ordnungspflichtige die durch eine rechtmäßige Ersatzvornahme bzw. Sicherstellung entstandenen Kosten, mithin die Kosten der Abschleppmaßnahme, zu tragen. Die durchgeführte Abschleppmaßnahme war - wie oben dargelegt - rechtmäßig.
Soweit der Kläger schriftsätzlich angekündigt hat, Erstattungsansprüche hinsichtlich von Reisekosten und Auslagen geltend machen zu wollen, bleibt es ihm unbenommen, diese nach Rechtskraft des Urteils im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilproessordnung (ZPO).
Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgt.