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OLG Celle Urteil vom 03.05.2016 - 5 U 60/15 - Nutzungsausfallentschädigung bei einem Oldtimer

OLG Celle v. 03.05.2016: Nutzungsausfallentschädigung bei einem Oldtimer


Das OLG Celle (Urteil vom 03.05.2016 - 5 U 60/15) hat entschieden:
Fällt ein Oldtimer unfallbedingt aus und steht ein Ersatzfahrzeug nicht bzw. im nur sehr eingeschränkten Maß - wie Fahrzeug der Ehefrau - zur Verfügung, und ist der Geschädigte auf Grund der ländlichen abgelegenen Wohnlage auf die ständige Nutzung eines Kfz angewiesen, so besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.


Siehe auch Nutzungsausfall und Fahrzeugalter und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung


Gründe:

- Abgekürzt gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO -

Die Berufung ist zulässig und hat mit dem zuletzt gestellten Antrag zur Hauptsache Erfolg, hinsichtlich der Nebenforderung bleibt sie erfolglos.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für 95 Tage á 79,00 €, mithin 7.505,00 €.

Die alleinige Haftung der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 13. Juni 2014 ist zwischen den Parteien unstreitig.

Dem Kläger ist Nutzungsentschädigung zu gewähren, denn für den hier fraglichen Zeitraum sollte der Oldtimer wie ein normales Verkehrs- und Beförderungsmittel genutzt werden (sogleich unter 1.) und ein Ersatzfahrzeug stand dem Kläger nicht zur Verfügung (siehe unten 2.).

1. Zwischen den Parteien ist in zweiter Instanz nicht mehr streitig, dass der Kläger den Wagen, den er üblicherweise für Alltagsfahrten verwendete, nämlich den Audi A6, bereits vor dem Unfall mit dem Oldtimer verkauft hatte, sodass er wegen seiner Verpflichtung zur Übergabe des Fahrzeuges den Audi A6 ab dem 21. Juni 2014 nicht mehr zur Verfügung hatte und der bestellte Neuwagen erst Anfang Oktober 2014 geliefert wurde. Für die Zeit vom 22. Juni 2014 bis zum 23. September 2014 (Zulassung des Ersatz-​Oldtimers) hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung der entgangenen Nutzungsmöglichkeit.

2. Dem Kläger stand für die fragliche Zeit ein Ersatzfahrzeug nicht zur Verfügung. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich wiederholten Beweisaufnahme war es zur Überzeugung des Senats zwischen dem Kläger und dessen Ehefrau so geregelt, dass jedem jeweils ein Auto „zugewiesen“ war. Auf die Eigentumsverhältnisse im Einzelnen kommt es bei dieser Konstellation nicht an. Der Oldtimer und der Audi waren „die Wagen des Klägers“, die er regelmäßig und seine Frau nur im Ausnahmefall nutzte, der Seat war „der Wagen seiner Ehefrau“, den sie regelmäßig und der Kläger nur im Ausnahmefall nutzte. Es ist unerheblich, ob der Seat nun im gemeinschaftlichen Eigentum beider Ehegatten oder eines Ehegatten stand. Entscheidend ist die Zuweisung innerhalb der Familie und die praktizierte Nutzung.

Die Ehefrau des Klägers hat in der Vernehmung vor dem Senat anschaulich geschildert, dass und warum beide Ehegatten auf die Nutzung eines Pkws angewiesen waren. Sie wohnen in einer eher ländlich geprägten Gegend, an einem Berg außerhalb des Ortskerns. Jegliche Erledigungen, die zu tätigen sind, also beispielsweise das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des häuslichen Bedarfs, Treffen mit Freunden, Fahrten zu Sport- und sonstigen Veranstaltungen, Besuche von Familienmitgliedern, etc. führte jeder Ehegatte mit dem ihm „gehörenden“ Pkw durch. Die Zeugin hat glaubhaft geschildert, dass beide Ehegatten daran gewöhnt waren, ohne Planung im Speziellen sofort loszufahren und Dinge zu besorgen, wenn dies erforderlich wurde, seien es beispielsweise Einkäufe von Lebensmitteln, Pflanzen oder sonstiges Gartenzubehör bei einer Arbeit im Garten etc. oder sich sonst spontan etwas ergab, wozu das Auto benötigt wurde. Wegen der Entfernung vom Ortskern und der hügeligen Lage kam es nicht in Betracht, diese Dinge regelmäßig zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Auch der Bus wurde aus Praktikabilitätsgründen (z.B. Einkäufe tragen) nicht benutzt. Angesichts der Lebenssituation des Klägers und seiner Ehefrau - beide im Ruhestand - und der Wohnsituation ist es nachvollziehbar, dass beide über ein Fahrzeug verfügen und dies auch regelmäßig benutzen mit der Folge, dass es dem anderen nicht ohne weiteres zur Verfügung steht, wenn ein Fahrzeug längere Zeit ausfällt.

Demgemäß hat die Ehefrau des Klägers deutlich geschildert, wie sehr sich die Eheleute hätten absprechen und auch einschränken müssen, um in der damaligen Situation mit nur einem Fahrzeug auszukommen.

Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Zeugin wissentlich oder unwissentlich die Unwahrheit ausgesagt hätte. Als Ehefrau des Klägers hat sie ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Der Senat hat jedoch den Eindruck gewonnen, dass sie bemüht war, gewissenhaft und genau auszusagen und nur dasjenige zu schildern, an das sie sich sicher erinnert. Es war kein Hang zur Übertreibung festzustellen oder ein sonstiges „Dramatisieren“, sondern die Zeugin hat sachlich geschildert, wie sich die Situation damals dargestellt hat.

Nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass dem Kläger in der fraglichen Zeit kein Ersatzfahrzeug im rechtlichen Sinne zur Verfügung stand. Er hat die Nutzungsmöglichkeit des Oldtimers als seinerzeit verbliebenes einziges „eigenes“ Fahrzeug spürbar entbehrt. Dass er durch die Absprachen mit seiner Frau hinsichtlich der Nutzung des verbliebenen Wagens und der Einschränkungen beider über die Zeit nur mit einem Wagen ausgekommen ist, entlastet die Beklagte nicht.

2. Hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung war zu berücksichtigen, dass der durch den Unfall beschädigte Oldtimer ein hochpreisiges Fahrzeug der (damaligen) Luxusklasse ist, der auch heute noch erhältlich ist und zu Tagessätzen von mehreren hundert Euro anzumieten ist. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen keine Bedenken gegen die vom Kläger begehrten 79,00 € je Tag, ohne dass er sich noch Vorteile in Form von ersparten Aufwendungen entgegenhalten lassen müsste.

Auf die Berufung war das erstinstanzliche Urteil daher in der Hauptsache antragsgemäß zu ändern.

Die Nebenforderung dagegen war zurückzuweisen, denn der Kläger hat nicht dargetan, dass er seinen Anwalt zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Anspruches beauftragt hatte. Das ist jedoch Voraussetzung dafür, dass ein Anspruch wie der geltend gemachte entsteht, der gesondert geltend zu machen und nicht im Rahmen des Kostenausgleichs abzurechnen ist. Zudem fehlt es an einer Rechnung, § 10 Abs. 1 RVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.