Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Gießen Urteil vom 09.01.2017 - 4 K 1911/16.GI - Abschleppkosten bei mobilen Haltverbotszeichen

VG Gießen v. 09.01.2017: Abschleppkosten bei mobilen Haltverbotszeichen


Das Verwaltungsgericht Gießen (Urteil vom 09.01.2017 - 4 K 1911/16.GI) hat entschieden:
Ein Verkehrsteilnehmer muss sich das Wiederherstellen einer Haltverbotszone durch das Aufstellen eines Verkehrsschildes nach Abstellen des Fahrzeuges zurechnen lassen, wenn er diesen Vorgang beobachtet hat.


Siehe auch Abschleppkosten bei Halt- und Parkverstößen und Abschleppkosten bei behördlich angeordneter-Kfz.-Umsetzung


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Gebührenbescheides für eine Abschleppmaßnahme.

Die Klägerin stellte am 14. März 2016 ihr Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … in der J...straße in A-​Stadt ab. In diesem Bereich befand sich im Frühjahr des Jahres 2016 eine Baustelle, so dass für den Baustellenverkehr die sonst vorhandene Parkfläche seit dem 18. September 2015 durch mobile Haltverbotschilder (Zeichen 283 nach Anlage 2 der StVO i.V.m. lfd. Nr. 61 Nr. 2) eingeschränkt war. Die Klägerin löste gleichwohl ein Parkticket, gültig bis 10:15 Uhr und legte es in ihr Fahrzeug. Dabei führte sie ein Gespräch mit einem anwesenden Bauarbeiter, der mit einem mobilen Haltverbotsschild beschäftigt war.

Gegen 10:43 Uhr stellten Bedienstete des Ordnungsamts der Beklagten fest, dass das Auto der Klägerin im Haltverbot stand, und forderten wenige Minuten später - gegen 11:15 Uhr - einen Abschleppwagen an. Bevor dieser eintraf, erschien die Klägerin vor Ort und fuhr nach einem Gespräch mit den Bediensteten der Beklagten über die Rechtmäßigkeit des Parkens ihr Fahrzeug weg. Für die Leerfahrt stellte das Abschleppunternehmen der Beklagten 60 Euro in Rechnung. Mit Bescheid vom 24. März 2016 forderte die Beklagte die Klägerin auf, diese Kosten und eine Gebühr von 60 Euro zu zahlen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 31. März 2016.

Mit Schreiben vom 3. April 2016 erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, sie habe ordnungsgemäß geparkt und sei auch vor Ablauf der Parkzeit zu ihrem Fahrzeug zurückgekommen. Dies könne ihre Freundin, Frau D., bestätigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kostenbescheid vom 24. März 2016 sei ordnungsgemäß ergangen. Für das Widerspruchsverfahren setzte die Beklagte eine Gebühr i.H.v. 45 Euro fest. Der Bescheid wurde der Klägerin am 6. Juli 2016 zugestellt.

Am 26. Juli 2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, sie habe am Morgen des 14. März 2016 ihr Fahrzeug in einem Bereich abgestellt, in dem das Parken nicht verboten sei. Sodann habe sie ein Ticket gezogen und in ihr Fahrzeug gelegt. Dabei sei ihr ein Bauarbeiter aufgefallen, der ein Schild abgebaut oder verstellt habe. Sie habe mit dem Mann gesprochen und eine für sie nicht verständliche Antwort erhalten. Danach sei sie mit ihrer Freundin und den beiden Kindern zum Kinderarzt gegangen. Bei Rückkehr zu ihrem Auto innerhalb der Parkzeit seien die Mitarbeiter des Ordnungsamts vor Ort gewesen. Sie habe feststellen müssen, dass zu diesem Zeitpunkt ihr Fahrzeug aufgrund des mobilen Schildes im Haltverbot gestanden habe.

Die Klägerin beantragt,
den Kostenbescheid vom 24. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung vor, der angegriffene Bescheid sei zu Recht ergangen. Die Abschleppmaßnahme sei notwendig gewesen, weil das Fahrzeug im Haltverbot gestanden und Baufahrzeuge behindert habe. Der Bereich, in dem die Klägerin ihr Fahrzeug abgestellt habe, sei durch mobile Haltverbotschilder und zusätzlich durch gelbe Klebestreifen auf dem Parkplatz kenntlich gemacht gewesen. Zudem sei die Parkzeit im Moment der Anforderung des Abschleppwagens bereits deutlich überschritten gewesen.

Die Behördenakte und eine Kopie der Akte zur Genehmigung der Baustellenmarkierung sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Kostenbescheid der Beklagten vom 24. März 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der auf § 49 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) gestützte Kostenbescheid ist rechtmäßig. Danach können die Ordnungs- und Polizeibehörden auf Kosten der betroffenen Person die Handlung selbst oder durch eine beauftragte dritte Person ausführen, wenn die Person die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch eine andere Person möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt.

Der angegriffene Bescheid ist zunächst formell rechtmäßig. Die Oberbürgermeisterin der Beklagten ist als allgemeine Ordnungsbehörde nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HSOG i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 Verordnung zur Durchführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG-​DVO) tätig geworden und hat den Kostenbescheid erlassen. Zwar ist nicht ersichtlich, ob die Behörde die Klägerin nach § 28 Abs. 1 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) vor dem Erlass des Bescheides angehört hat, doch wäre ein solches Versäumnis durch die Berücksichtigung der Einlassung der Klägerin im Widerspruchsverfahren geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 HVwVfG). Ebenso unbeachtlich ist es, dass vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides ein Anhörungsverfahren nach § 7 Hess. Ausführungsgesetz zur VwGO nicht stattgefunden hat.

Die Kostenanforderung nach § 49 Abs. 1 Satz 1 HSOG ist auch materiell rechtmäßig, da die ihr zugrunde liegende Maßnahme, die Anforderung des Abschleppwagens, nicht zu beanstanden ist und auch die Höhe der Kostenforderung gegenüber der Klägerin nicht unverhältnismäßig ist.

Die Abschleppmaßnahme ist formell rechtmäßig. Sie wurde durch die nach § 47 Abs. 3 Satz 1 HSOG zuständige Behörde angeordnet, die für den Grundverwaltungsakt, hier die Anordnung des Haltverbots, verantwortlich war (§ 1 Satz 1 Nr. 4 HSOG-​DVO).

Die Maßnahme ist auch materiell rechtmäßig. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 HSOG lagen vor. Das Anfordern des Abschleppwagens stellt eine Ersatzvornahme nach §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Satz 1 HSOG dar, da die Klägerin als verantwortliche Fahrerin die ihr durch Verkehrsschilder auferlegte Pflicht zum Wegfahren ihres Fahrzeugs nicht nachgekommen ist (vertretbare Handlung). Die Verpflichtung, das Fahrzeug sofort zu entfernen, bestand für die Klägerin aufgrund eines im Zeitpunkt des Verlassens des Autos auf dem konkreten Abschnitt der J...straße geltenden absoluten Haltverbots.

Das Verkehrsgebot oder -verbot ist eine Anordnung, die die Benutzung einer bestimmten Straße regelt. Derartige Anordnungen sind, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausführt, Verwaltungsakte (vgl. zur Rechtsnatur der Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung BVerwG, Urteil vom 25.01.1995 - 11 C 29.93 -, NJW 1995, 1977). Dies gilt auch für ein zeitlich befristet aufgestelltes Zeichen, hier das Zeichen 283 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO).

Kein formeller Mangel in der Aufstellung der streitbefangenen Schilder kann darin gesehen werden, dass ein Bauunternehmen oder ein beauftragter Dritter und nicht die Beklagte selbst die streitbefangenen mobilen Schilder aufgestellt hat. Das konkrete Aufstellen der Verkehrszeichen wird - ebenso wie die Beschaffung und das Unterhalten der Schilder - regelmäßig auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörde durch den Träger der Straßenbaulast und die Straßenbaubehörde vorgenommen (§ 45 Abs. 5 StVO). Dabei dürfen sich diese der Mithilfe von Privaten bedienen, etwa von Baufirmen, wenn die Anordnung hinsichtlich des konkreten Aufstellorts und Dauer von der Behörde selbst getroffen wird. So ist es im vorliegenden Fall. Die Beklagte hat durch Anordnung vom 24. März 2015 erstmals (und durch weitere Anordnungen) gegenüber der B- GmbH den Sperrplan für die Einschränkung des ruhenden Verkehrs in der Johannisstraße angeordnet (Bl. 11 der Beiakte zur Sondernutzung, sowie die entsprechenden Änderungsbescheide). Damit war gewährleistet, dass die Kommune als der Trägerin der Straßenbaulast wie als Verkehrsbehörde sich zwar einer privaten Unterstützung bedienen wollte, gleichwohl jedoch die Kontrolle über die sachgerechte Umsetzung in eigener - hoheitlicher - Hand behielt.

Im Zeitpunkt der Beauftragung des Abschleppunternehmens durch die Bediensteten der Beklagten am 14. März 2016 gegen 11:00 Uhr war der Bereich, in dem das Fahrzeug der Klägerin stand, durch die Haltverbotszeichen 283 ordnungsgemäß, ausreichend und hinreichend bestimmt markiert. Dies ergibt sich aus dem Lichtbild auf Blatt 6 der Behördenakte. Durch den auf dem mobilen Haltverbotsschild nach links weisenden Pfeil war deutlich erkennbar, dass der Bereich links von dem Schild zur Haltverbotszone gehörte. Das Haltverbotszeichen gilt gemäß Nr. 61 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, bis durch ein Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr eine andere Regelung vorgegeben ist, d.h. im vorliegenden Fall, bis das nächste Verkehrszeichen einen nach rechts weisenden Pfeil aufwies. Im Ergebnis bedeutet dies, dass zwischen den mobilen

Der Bevollmächtigte der Klägerin weist in der mündlichen Verhandlung zwar darauf hin, die mobilen Schilder und Markierungen seien widersprüchlich zu den fest installierten Parkschildern gewesen. Diesbezüglich ist indes festzustellen, dass eine Abdeckung des regulären Parkerlaubnisschildes nicht notwendig war, da eine mobile Beschilderung Geltungsvorrang vor einer Dauerbeschilderung hat. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den Erläuterungen unter Nr. 2 in Spalte 3 zur Nr. 61 der Anlage 2: „Mobile, vorübergehend angeordnete Haltverbote durch Zeichen 283 und 286 heben Verkehrszeichen auf, die das Parken erlauben.“ Ein Widerspruch der mobilen Verkehrszeichen zu den Markierungen auf der Parkfläche in Form von gelben Kreuzen und zu den übrigen Verkehrsschildern bestand ohnehin nicht. Nach § 39 Abs. 5 Satz 3 StVO heben gelbe Markierungen die weißen auf.

Streitig ist jedoch, ob die Beschilderung (nicht die Markierung) auch bereits im Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs in dieser Form vorhanden war und damit Geltung beanspruchte. Die Klägerin hat bereits mit ihrem Widerspruch vorgetragen, sie habe ordnungsgemäß geparkt, nämlich in einem Bereich, der zum Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs nicht von den mobilen Schildern einbezogen worden sei. Und in der Klagebegründung führt sie ergänzend aus, sie habe bei Beginn des Parkens mit einem Bauarbeiter gesprochen und ihn nach der Bedeutung des Haltverbots befragt. Dieser Mann habe dann u.a. geantwortet: „Vielleicht kriegen Sie einen oder haben Glück und bekommen keinen Strafzettel. Er überlege, ob er aus dem Halteverbot Parkplätze macht.“ (Zitat aus der Klageschrift).

Zu Unrecht geht die Klägerin damit davon aus, sie habe ihr Fahrzeug an dem konkreten Platz stehen lassen dürfen. Es ist vielmehr festzustellen, dass aus der Zusammenschau der auf der Straße aufgebrachten Markierungen, der bestehenden Beschilderung und dem Geschehensablauf auch dann das Haltverbot und Wegfahrgebot wirksam gegenüber der Klägerin begründet wurde, wenn das eine streitige Schild erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs in seine spätere Position gebracht worden sein sollte.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Verkehrsschild dem Verkehrsteilnehmer gegenüber auch dann wirksam werden kann, wenn er das Verkehrsschild im Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs nicht gesehen haben sollte. Das Haltverbotschild Zeichen 283 wird wie jedes andere Verkehrszeichen als Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 HVwVfG) gemäß § 43 Abs. 1 HVwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt bei Verkehrszeichen durch Aufstellen (§ 39 Abs. 1 und 1a, § 45 Abs. 3 und 4 StVO). Sie setzt voraus, dass das Zeichen von demjenigen, der mit seinem Fahrzeug in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne weiteres wahrgenommen werden kann. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Anbringung in der Weise erfolgen muss, dass der im Sinne des § 1 StVO sorgfältig handelnde Verkehrsteilnehmer die Anordnung ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen kann (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 11.12.1996 - 11 C 15.95 -, BVerwGE 102, 316). An die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, sind dabei niedrigere Anforderungen zu stellen als an solche für den fließenden Verkehr. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines mobilen Schildes zu informieren. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Passanten oder Parkplatzsuchende mobile Park- oder Haltverbotszeichen verstellen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.06.2014 - 5 A 1435/13 -). Die Reichweite der Informationspflicht hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls und der örtlichen Situation ab.

Im vorliegenden Fall ergeben sich Besonderheiten durch die Abfolge der Geschehnisse. Das hier relevante mobile Haltverbotsschild stand zum Zeitpunkt des Abstellens nach Angaben der Klägerin so neben ihrem abgestellten Fahrzeug, dass das Fahrzeug von der Regelungswirkung nicht umfasst gewesen sei. Dieser Sachverhalt wird durch den Aktenvermerk bestätigt, den der Bedienstete E. am 15. März 2016 angefertigt hat (Bl. 16 der BA). Darin wird der Bauleiter F. zitiert, der ausgesagt habe, er habe das Verkehrszeichen nach dem Parkvorgang der Fahrzeugführerin (der Klägerin) wieder in seine ursprüngliche Lage zurückgezogen und der Fahrzeugführerin auch mitgeteilt, dass sie jetzt im Haltverbot parke (vgl. auch die gleichlautende Stellungnahme des Bauleiters F. vom 25. April 2016, Bl. 23 der BA). Auch die Zeugin D. bestätigte gegenüber der Ordnungspolizei diese Angabe (Bl. 15 der BA). Damit steht hinreichend fest, dass im Zeitpunkt des Abstellens das Fahrzeug der Klägerin nicht von der Regelungswirkung des mobilen Haltverbotszeichens erfasst war.

Allerdings führt allein diese Feststellung nicht dazu, dass ein Parkverstoß durch das abgestellte Fahrzeug der Klägerin verneint werden könnte.

Das Wegfahrgebot für die Klägerin ergibt sich aus den folgenden Überlegungen: Zum Zeitpunkt des Parkvorgangs war die Fläche bereits derart markiert, dass die Parkstände mit gelber Markierung ausgestrichen waren. Zudem hantierte der Bauleiter F. nach der Erklärung der Klägerin mit dem mobilen Haltverbotsschild herum und sie führte daraufhin mit ihm das erwähnte Gespräch, das für die Klägerin aber erkennbar ohne näheren Gewinn war. In jedem Fall ließ sie trotz der offenen Fragen ihr Fahrzeug an Ort und Stelle stehen. Die Klägerin war sich somit dessen bewusst, dass die Parkstände zum Teil mit einem Haltverbot versehen waren. Vor diesem Hintergrund musste sich der Klägerin geradezu aufdrängen, sich sorgfältig in der Umgebung zu erkundigen, ob der Bereich, auf dem sie ihr Fahrzeug parkte, ebenfalls von der Haltverbotszone erfasst war oder - worauf die Handlungen des Bauarbeiters ja gerade hindeuteten - wieder erfasst werden würde. Dieser Verpflichtung kam die Klägerin nicht in ausreichendem Umfang nach. Zwar informierte sie sich bei dem anwesenden Bauleiter über ein mögliches Strafmandat. Die Klägerin erklärte selbst, dass der Bauleiter ihr gegenüber geäußert habe, dass er sich überlege, ob er aus dem Haltverbot Parkplätze mache. Dementsprechend hätte die Klägerin aus dieser Erklärung auch den Rückschluss ziehen können, dass sich ihr PKW zum Zeitpunkt des Parkvorgangs bereits in einem Bereich des Haltverbots befand. Sollte die Mitteilung des Bauleiters dahingehend verstanden werden müssen, er plane eine Erweiterung der Haltverbotszone, ergäbe sich auch daraus eine gesteigerte Sorgfaltspflicht für die Klägerin. Die Klägerin durfte jedenfalls nicht darauf vertrauen oder hoffen, dass der Bauarbeiter tatsächlich zusätzlichen Parkraum eröffnete. In keinem Fall konnte sie davon ausgehen, der Bauarbeiter sei dazu berechtigt, verbindliche Rechtsauskünfte zu erteilen. Bei gewissenhafter Prüfung der näheren Umgebung hätte der Klägerin zudem auffallen müssen, dass die Bauarbeiten nicht beendet waren und somit ein weiteres Parkverbot zur Durchführung von baulichen Maßnahmen erforderlich war oder erforderlich werden konnte.

Die Klägerin muss sich damit zurechnen lassen, dass der Bauleiter das Verkehrszeichen wohl vor, jedenfalls aber im Verlauf des Gesprächs mit der Klägerin wieder an seinen zuvor bestimmten Platz geschoben hatte, so dass nunmehr das Wegfahrgebot für die Klägerin bestand. Das vorher erworbene Parkticket verschaffte der Klägerin keinen Anspruch darauf, ihr Fahrzeug an dem konkreten Ort stehen lassen zu dürfen. Wesentlicher Inhalt des Halt- und Parkverbots ist nämlich auch das Gebot, ein bereits abgestelltes Fahrzeug zu entfernen. Dieses Wegfahrgebot ist damit die vertretbare Handlung, die § 49 Abs. 1 HSOG als Voraussetzung benennt.

Muss sich die Klägerin die Wiederherstellung des Haltverbots in der von der Stadt vorgegebenen Zone durch das Um- oder Aufstellen des Schildes zurechnen lassen, so handelte sie zwar nicht zwingend beim Abstellen des PKW, jedoch durch das Stehenlassen des Fahrzeugs nach dem Gespräch gegen das geltende Wegfahrgebot. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass die Klägerin nach dem Parkvorgang mit ihrer Freundin und den zwei kleinen Kindern einen Kinderarzt aufsuchen wollte. Denn auf ein schuldhaftes Handeln der Klägerin kommt es nicht an. Anders als im Ordnungswidrigkeitenverfahren, in dem es um die Ahndung eines schuldhaften Verkehrsverstoßes geht, ist im Bereich der Gefahrenabwehr allein der objektive Verkehrsverstoß maßgeblich.

Da Verkehrszeichen als sofort vollziehbare Verwaltungsakte gegenüber dem Verkehrsteilnehmer in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO zu qualifizieren sind, der das Verkehrszeichen wahrnehmen kann (ständige Rspr. des BVerwG, vgl. Beschluss vom 07.11.1977, NJW 1978, 656, und Urteil vom 09.04.2014 - 3 C 5.13 -, BVerwGE 149, 254), war das Wegfahrgebot auch sofort vollziehbar. Die Ordnungsbehörde war demnach grundsätzlich berechtigt, den objektiv gegebenen Verstoß gegen das Wegfahrgebot durch Einleitung eines Abschleppvorgangs zu beenden.

Einer vorherigen Androhung der Ersatzvornahme nach § 53 Abs. 1 Satz 1 HSOG bedurfte es nicht. Denn von der Androhung kann gemäß § 53 Abs. 1 Satz 4 HSOG abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwendung einer Gefahr notwendig ist. Diese Voraussetzung liegt insbesondere vor, wenn der Zweck der Maßnahme im Falle einer Androhung nicht erreicht werden könnte. Dies bedeutet im Ergebnis, dass regelmäßig eine gegenwärtige Gefahr vorliegen muss. Diese bezeichnet insbesondere die bereits eingetretene und fortwirkende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Verstoß gegen das mit der Aufstellung des Verkehrszeichens 283 bestimmte Wegfahrgebot und damit gegen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift stellt eine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Zur Beseitigung dieser schon eingetretenen Gefahr ist die sofortige Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme notwendig, wenn auf andere Weise die eingetretene Störung nicht zeitnah zu beheben ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn keine für das abgestellte Fahrzeug verantwortliche Person vor Ort angetroffen wird.

Ausnahmen dazu ergeben sich nur, wenn aufgrund konkreter Umstände davon ausgegangen werden kann, dass der Fahrer ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zum umgehenden Entfernen des verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs veranlasst werden kann. Nur bei Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles kann das sofortige Abschleppen eines verbotswidrig in einer absoluten Haltverbotszone parkenden Fahrzeugs gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.04.2014 - 3 C 5.13 -, BVerwGE 149, 254). Beispielsweise wäre es mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes stattlicher Mittel nicht vereinbar, wenn aufgrund konkreter Umstände davon auszugehen ist, dass der Fahrer unverzüglich zurückkehrt und sein Fahrzeug entfernt. Ein solcher Fall lag bei dem Fahrzeug der Klägerin ersichtlich nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs berechtigt ein verbotswidriges Abstellen eines Kraftfahrzeuges im absoluten Haltverbot die Ordnungsbehörde dazu, das Fahrzeug auf Kosten des Verursachers abschleppen zu lassen und ihn mit den Kosten der Abschleppmaßnahme zu belasten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine konkrete Behinderung oder Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer vorliegt oder nicht (so bereits Hess. VGH, Urteil vom 22.05.1990 - 11 UE 2056/89 -, NVwZ-​RR 1991, 28). Ob eine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer durch das klägerische Fahrzeug gegeben war, wie die Beklagte ausführt, bedarf daher keiner Aufklärung.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass durch die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls geklärt ist, dass eine Wartezeit von in der Regel einer Stunde seit Feststellung der Ordnungswidrigkeit (nur) dann eingehalten werden muss, wenn das Abschleppen eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs von einem gegen – nicht entrichtetes – Entgelt (Parkuhr, Parkautomat) zur Verfügung gestellten Parkplatz veranlasst werden soll (Hess. VGH, Urteil vom 31.01.2013 - 8 A 1667/12 -, ESVGH 63, 251, unter Hinweis auf: Urteil vom 11.11.1997 – 11 UE 3450/95 –, NVwZ-​RR 1999, 23). Um eine solche Zone mit Parkmöglichkeit handelte es sich im vorliegenden Fall aber gerade nicht (mehr). Würde ein berechtigter Parkbereich hingegen angenommen, so hätte die Klägerin aber durch das erhebliche Überschreiten der „gelösten“ Parkzeit (bis 10:15 Uhr) ebenfalls eine Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht.

Die Anordnung der Abschleppmaßnahme hat die Beklagte auch gemäß § 5 Abs. 1 HSOG nach pflichtgemäßem Ermessen vorgenommen. Insbesondere ist die Maßnahme gemessen an dem im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus § 4 HSOG rechtmäßig.

Die Klägerin hat als Handlungs- und Zustandsstörer i.S.d. §§ 6 und 7 HSOG somit die dadurch verursachten Kosten nach § 49 Abs. 1 HSOG zu tragen.

Die Höhe der von dem beauftragten Abschleppunternehmen geltend gemachten und von der Beklagten verauslagten Kosten von 60 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn der Abschleppwagen des beauftragten Unternehmens ist nach insoweit unstreitigem Vorbringen der Beklagten tatsächlich losgefahren, so dass die Kostenstufe ausgelöst wurde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden oder ersichtlich, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten für die Leerfahrt unverhältnismäßig sei.

Die Erhebung der Gebühr für die Ersatzvornahme in Höhe von 60 Euro erfolgte gemäß Nr. 544 Verwaltungskostenverzeichnis zur Verwaltungskostenordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 7. Juni 2013 (GVBl. 2013, 410) und ist damit ebenfalls rechtmäßig. Nicht zu beanstanden ist des Weiteren die Gebühr für die Durchführung des Vorverfahrens in Höhe von 45 Euro. Insoweit kann zur Begründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung der Bescheide verwiesen werden.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Beschluss
Der Streitwert wird auf 165 Euro festgesetzt.

  Gründe
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.