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Landgericht Düsseldorf Urteil vom 12.01.2017 - 9 S 26/16 - Entschädigung für ein Navigationssystem in der Fahrzeugversicherung

LG Düsseldorf v. 12.01.2017: Zur Höhe der Entschädigung für ein Navigationssystem in der Fahrzeugversicherung


Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.01.2017 - 9 S 26/16) hat entschieden:
Eine Vereinbarung im Versicherungsvertrag mit einem Kaskoversicherer, wonach für den Verlust eines Navigationsgeräts eine Neupreisentschädigung für die ersten 18 Monate vereinbart wird, während danach ein Abzug in Höhe von einem Prozent je Kalendermonat vorgenommen werden soll, hält einer Inhaltskontrolle stand.


Siehe auch Navigationsgerät und Fahrzeugversicherung und Einzelne Schadenspositionen in der Unfallregulierung


Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt eine Leistung aus der Kfz- Kaskoversicherung wegen der Entwendung eines Einbau-Navigationssystems.

Frau D L schloss mit der Beklagten einen Kaskoversicherungsvertrag hinsichtlich des Fahrzeugs BMW 5 er Touring mit dem amtlichen Kennzeichen D-SO1710. Die Erstzulassung war im August 2008.

Vereinbart ist die Neupreisentschädigung bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust innerhalb von 18 Monaten nach Erstzulassung. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen findet sich zur Ziff. A.2.6.2 folgende Regelung:
„Bei Zerstörung oder Verlust von mitversicherten Audio-, Video oder technischen Kommunikations- und Leitsystemen wird im Schadenfall, wenn dieser innerhalb des vorgenannten, für die jeweils vereinbarte Produktlinie gültigen Zeitraumes nach Erstzulassung des Fahrzeuges ereignet, der Neupreis erstattet. Nach Ablauf dieser Frist wird vom Neupreis ein Abzug von einem Prozent pro Monat entsprechend des Alters, gerechnet ab Ablauf der jeweiligen Neuwertentschädigungsfrist vorgenommen.“
Am 18.9.2014 wurde das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin aufgebrochen und das integrierte Navigationssystem gestohlen. Der Schaden wurde der Beklagten gemeldet. Das Kraftfahrzeug wurde repariert. Es wurde ein neues Navigationsgerät eingebaut, die Kosten hierfür betrugen gemäß der Rechnung vom 14.10.2014 8933,91 € brutto.

Die Beklagte regulierte einen Betrag i.H.v. 6323,32 € unmittelbar an die Klägerin.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 01.04.2015 und vom 23.04.2015 wurde die Beklagte zur Zahlung des noch ausstehenden Betrages i.H.v. 1231,85 € aufgefordert. Eine Regulierung blieb aus.

Die Klägerin hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, sie sei aufgrund der Abtretung aktivlegitimiert. Zwar sei ein Abtretungsverbot vereinbart, doch habe die Beklagte die Abtretung konkludent genehmigt, indem sie an die Klägerin den Teilbetrag zahlte. Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, der in Ziffer A. 2.6.2 der AKB vereinbarte Abzug sei wegen § 307 BGB unwirksam. Ein Abzug sei nicht vorzunehmen, wenn Teile ersetzt werden, die die gleiche Lebensdauer wie das Fahrzeug selbst haben. Dies sei beim Navigationssystem gegeben. Es sei kein seriöser Markt für gebrauchte Navigationsgeräte existent, der Einbau gebrauchter Geräte werde von Werkstätten nicht angeboten.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie die Klägerin 1231,85 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2015 zu zahlen;

  2. die Beklagte zu verurteilen, sie von der Zahlungsverpflichtung gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten i.H.v. 169,50 € für die vorgerichtliche Tätigkeit freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein Anspruch zu, da die Abtretung gegen das in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Abtretungsverbot verstoße. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, es sei ein Abzug von 49 % vorzunehmen. Das Navigationssystem sei ebenso wie andere Bauteile auch dem Verschleiß ausgesetzt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Beklagten sei es verwehrt, sich auf das vereinbarte Abtretungsverbot zu berufen, denn durch die Teilzahlung sei die Abtretung jedenfalls konkludent genehmigt worden. Auch sei ein Abzug i.H.v. 49 % nicht möglich, denn in Ziff. A. 2.6.2 der AKB sei ein Verstoß gegen § 307 BGB zu sehen. Eine unangemessene Benachteiligung sei gegeben. Ein Abzug „neu für alt“ sei nicht vorzunehmen. Dies sei nur möglich, wenn das ausgewechselte Teil nicht die Lebensdauer des gesamten Kraftfahrzeuges erreicht hätte. Dies sei beim Navigationsgerät eben nicht ersichtlich. Es sei auch nicht möglich gewesen ein gebrauchtes Navigationsgerät einzubauen, hierfür sei ein Zweitmarkt nicht vorhanden. Auch habe die Klägerin keine Werkstatt auffinden können, die den Einbau angeboten hätte.

Mit der nunmehr eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Das Amtsgericht habe den Regelungsgehalt der Ziffer A. 2.6.2 der AKB verkannt. Es sei hier der Abzug nicht nach den allgemeinen Grundsätzen „neu für alt“ vorzunehmen, der Abzug sei in den Versicherungsbedingungen wirksam vereinbart.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2015, Az.: 53 C 233 / 15, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte ist der Ansicht, ein Verstoß gegen § 307 sei gegeben, denn durch die Bestimmung über den Abzug sei eine wesentliche Abweichung vom Grundgedanken des § 249 BGB gegeben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die zu den Akten gereicht wurden verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 511, 517, 519 ZPO. Die Berufungsbegründung entspricht den formalen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1231,85 € aus Ziff. A. 2.6.2 der AKB in Verbindung mit § 398 BGB.

Zwischen den Parteien war für das Navigationsgerät eine Neupreisentschädigung für die ersten 18 Monate vereinbart, danach sollte ein Abzug in Höhe von einem Prozent je Kalendermonat vorgenommen werden, was vorliegend eine Reduzierung um 49 % des Neupreises ausmachte. Das streitgegenständliche Fahrzeug war zum Zeitpunkt der Entwendung 67 Monate alt.

Die Vereinbarung hält einer Inhaltskontrolle stand. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Bestimmung mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Anders als in den Fällen der §§ 249 ff. BGB geht es vorliegend nicht um Schadensersatz, sondern um einen versicherungsvertragsrechtlichen Primäranspruch. Geregelt wird durch die streitgegenständliche Klausel ein Anspruch der Versicherungsnehmerin bei Eintritt des Versicherungsfalles aufgrund des Versicherungsvertrags in Höhe einer pauschalisierten Entschädigung, welche sich an einem Schätzwert orientiert. Hierin ist eine unangemessene Benachteiligung nicht zu sehen. Auch sind die Voraussetzungen nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht erfüllt.

Die Regelung erscheint wegen des hohen Wertverlustes von elektronischen Geräten gerade in den ersten Jahren nach dem Kauf nicht benachteiligend für den Versicherungsnehmer. Der Abzug wird zudem vom aktuellen Neupreis vorgenommen und nicht vom vormaligen Wert des Navigationsgerätes. Dies sorgt für einen Interessenausgleich und trägt der Tatsache Rechnung, dass neuere Geräte – was nie vorhersehbar ist – aufgrund erweiterter Ausstattung und Funktionen u.U. auch teurer sind als das ursprünglich verbaute Gerät. Auch wäre erst nach Ablauf von 118 Monaten, was nahezu 10 Jahren entspricht, gar keine Erstattung mehr zu leisten. Nach dieser Zeit ist typischerweise die Lebensdauer eines Navigationsgerätes erreicht. Es ergibt sich auch keine Benachteiligung, wenn zu Grunde gelegt wird, dass typischerweise ein Navigationsgerät die Lebensdauer des Kraftfahrzeuges erreicht. Es handelt sich aber nach Ablauf dieser Zeit eine - dies ist allgemein bekannt- veraltete Software und um ggf. auch veraltetes Kartenmaterial, da Navigationsgeräte einem stetigen Wandel unterliegen und typischerweise vom Hersteller nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne von der Wartung und von Updates ausgenommen werden.

Aufgrund dieser vertraglich vereinbarten Regelung kommt es auf die Frage, ob ein Abzug „neu für alt“ nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen vorgenommen werden kann, nicht an. Es kann für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob es einen Sekundärmarkt für gebrauchte Navigationsgeräte gibt oder nicht, denn aufgrund spezieller Regelung in den AKB, welche dem streitgegenständlichen Verisicherungsvertrag zugrundeliegen ist auf die allgemeinen Regelungen nicht zurückzugreifen. Die vom Amtsgericht zitierte Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, Az.: 7 U 91/09 greift hier nicht, da dort keine der streitgegenständlichen Regelung entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.

Es kommt vorliegend auch nicht auf die Frage an, ob die Beklagte einen seriösen Zweitmarktanbieter benannt hat oder nicht, denn dies wäre lediglich im Rahmen des Abzugs „neu für alt“ ein Entscheidungskriterium.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert wird auf 1.231,85 EUR festgesetzt.