Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin (Beschluss vom 02.11.2016 - 3 Ws (B) 550/16 - 162 Ss 146/16 - Geschwindigkeit auf innerstädtischen Autobahnen

KG Berlin v. 02.11.2016: Zur Fotoidentifizierung und Geschwindigkeit auf innerstädtischen Autobahnen


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 02.11.2016 - 3 Ws (B) 550/16 - 162 Ss 146/16) hat entschieden:
  1. Bei der tatrichterlichen Bezugnahme auf ein uneingeschränkt zur Identifizierung des Fahrzeugführers geeignetes Belegfoto sind darüber hinausgehende Ausführungen zum abgebildeten Fahrzeugführer entbehrlich.

  2. Wie auch das Verkehrszeichen 310 entfaltet das Zeichen 311 keine geschwindigkeitsregelnde Wirkung auf innerstädtischen Autobahnen, da die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h, die auf anderen Straßen durch dieses Zeichen gilt, gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 StVO nicht gilt.

Siehe auch Lichtbildbeweis - Radarfoto und Verkehrszeichen - Verkehrsschilder - Verkehrseinrichtungen


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 1 (Anlage 2 lfd. Nr. 49 - Zeichen 274 -), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 160,00 Euro verurteilt und nach § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet, das entsprechend der Regelung des § 25 Abs. 2a StVG wirksam werden soll. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

Die Prüfung des Urteils auf die allein erhobene Sachrüge weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

1. Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften.

a) Das Amtsgericht hat seine Feststellungen, dass der Betroffene am 20. April 2015 gegen 9:16 Uhr mit dem Kraftfahrzeug Daimler Benz, amtliches Kennzeichen …, die Bundesautobahn 111 in 13503 Berlin in Fahrtrichtung Nord mit einer (abgerundeten) Geschwindigkeit von 98 km/h - anstatt der dort zugelassenen 60 km/h - befahren hat, nachvollziehbar aus den Bekundungen des Messbeamten, der Inaugenscheinnahme der von einer Überwachungskamera gefertigten Lichtbilder sowie den verlesenen Messergebnissen hergeleitet.

b) Auch die Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene habe das Kraftfahrzeug Daimler Benz mit dem amtlichen Kennzeichen … gefahren, beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Wenn der Tatrichter - wie vorliegend - von der Möglichkeit Gebrauch macht, auf ein Belegfoto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug zu nehmen, sind darüber hinausgehende Ausführungen des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95 -, Rn. 23, juris; Senat, Beschlüsse vom 12. Juni 2015 - 3 Ws (B) 185/15 - und 29. Dezember 2014 - 3 Ws (B) 654/14 -). Das in der Akte befindliche Frontfoto des Fahrzeugführers, auf das das Amtsgericht ausdrücklich Bezug genommen hat, lässt trotz seiner Unschärfe die einzelnen Gesichtszüge der abgebildeten Person erkennen. Der Amtsrichter konnte es deshalb zur Identifizierung des Betroffenen heranziehen. Soweit das Tatgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung darüber hinaus weitere Erläuterungen zu der auf dem Belegfoto abgebildeten Person vorgenommen hat, gehen die Angriffe der Rechtsbeschwerde ins Leere. Zum einen stellen sie den in der Rechtsbeschwerde unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch eine eigene Beweiswürdigung zu ersetzen. Im Übrigen ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Überzeugung des Tatrichters von der Identität des Betroffenen mit einem auf einem Messfoto (Radarfoto) abgebildeten Fahrzeugführer von der Rechtsbeschwerde in der Regel nicht beanstandet werden kann (vgl. BGHSt 29, 18, 20 und 41, 376, 381; Senat, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 3 Ws (B) 654/14 -).

c) Endlich hat das Amtsgericht unter Beachtung der von der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu aufgestellten Grundsätze (vgl. BGHSt 39, 291 ff.) rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Betroffene die am Ort der Messung geltende Höchstgeschwindigkeit um 38 km/h überschritten hat. Entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelbegründung entfaltet das Zeichen 311 - wie auch das Zeichen 310 (vgl. insoweit Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 3 Ws (B) 594/13 -) - auf innerstädtischen Autobahnen keine geschwindigkeitsregelnde Wirkung, weil dort gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 StVO die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h, die auf anderen Straßen durch dieses Zeichen aufgehoben wird, nicht gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Januar 2016 - 3 Ws (B) 621/15 -). Der nach der Geschäftsanweisung des Polizeipräsidenten für die Durchführung mobiler Geschwindigkeitskontrollen einzuhaltende Mindestabstand von 75 Metern zu Verkehrszeichen, die unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten anordnen (Nr. 15 Abs. 3 der Geschäftsanweisung), ist ausweislich der Urteilsgründe eingehalten worden. Der letzte Messpunkt war etwa 80 Meter entfernt von dem Zeichen 278, durch das die bis dahin geltende zulässige Höchstgeschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben wird (UA S. 2).

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

Die Geldbuße orientiert sich an dem Regelsatz des Bußgeldkataloges und die Voraussetzungen für die Anordnung eines einmonatigen Fahrverbotes liegen vor. Das festgestellte Fahrverhalten des Betroffenen erfüllt die Voraussetzungen, die der Bußgeldkatalog für die Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme vorsieht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit lfd. Nr. 11.3.6 der Anlage zur BKatV. Es ist nicht ersichtlich, dass der Sachverhalt so erheblich von dem Regelfall abweicht, an den der Gesetzgeber gedacht hat, dass er als Ausnahme zu werten wäre, die die Anordnung eines Fahrverbotes nicht rechtfertigt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Verstoß an der untersten, für die Anordnung dieser Maßnahme maßgeblichen Grenze liegt und sich auf einer innerstädtischen Stadtautobahn ereignet hat. Dass der Betroffene verkehrsrechtlich nicht vorbelastet ist, entspricht dem Normalfall und auch die in dem Urteil mitgeteilten persönlichen Verhältnisse rechtfertigen ein Absehen von dem Fahrverbot nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.