Das Verkehrslexikon
OVG Münster Urteil vom 17.06.2002 - 5 A 1533/01 - Das Zusatzschild „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ gilt nicht für Hobbygärtner
OVG Münster v. 17.06.2002: Das Zusatzschild „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ gilt nicht für Hobbygärtner
Das OVG Münster (Urteil vom 17.06.2002 - 5 A 1533/01) hat entschieden:
Das Zusatzzeichen 1026-36 „Landwirtschaftlicher Verkehr frei“ nimmt Fahrten, die nur der hobbygärtnerischen Landbestellung dienen, nicht von dem durch Zeichen 250 StVO „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ verfügten Verkehrsverbot aus.
Siehe auch Vorfahrtrecht und Sorgfaltsanforderungen bei Feld-, Wald- und landwirtschaftlichen Wegen und Zusatzzeichen - Zusatzschilder
Tatbestand:
Der Kläger baut auf einer Pachtfläche von 420 qm Gartenfrüchte für den Eigenbedarf an. Mit seinem PKW beförderte er Gartengeräte, Dünger usw. zu seinem Land und stellte den Wagen in der Nähe ab. Das Gelände ist nur über einen Zufahrtsweg zu erreichen, an dessen Anfang das Verkehrszeichen "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit Zusatzzeichen "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" steht. Ein Beamter des beklagten Polizeipräsidiums bemerkte den geparkten PKW und rief einen Abschleppwagen herbei. Bei dessen Eintreffen erschien der Kläger und setzte sein Fahrzeug selbst weg.
Seine Klage gegen den Bescheid, mit dem der Beklagte ihn auf Zahlung der Kosten für eine Leerfahrt des Abschleppwagens und Verwaltungsgebühren in Anspruch nahm, wurde vom VG abgewiesen. Sein Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Das angefochtene Urteil begegnet nicht den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Abschleppmaßnahme diente der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§ 8 Abs. 1 PolG NRW). Im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens lag ein Verstoß gegen ein Verkehrsverbot gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 6 Zeichen 250 StVO vor, von dem der Kläger nicht durch das Zusatzzeichen 1026-36 "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" (VzKat 1992, BAnz. 1992 Nr. 66a, S. 68) ausgenommen war. Die Fahrt des Klägers war kein landwirtschaftlicher Verkehr in diesem Sinne. Ob ein Verkehrsvorgang der durch das genannte Zusatzzeichen getroffenen Ausnahmeregelung unterfällt, richtet sich nach seiner konkreten Zweckbestimmung. Auch die Fahrt mit einem PKW ist dem landwirtschaftlichen Verkehr zuzuordnen, wenn sie zum Zwecke landwirtschaftlicher Bodennutzung erfolgt.
BayObLG, Beschluss vom 25.2.1982 - 1 Ob OWi 40/82 -, VRS 62, 381; OLG Köln, Beschluss vom 18.4.1986 - Ss 89/86 -, DAR 1986, 298, 299.
Was darunter zu verstehen ist, wird in straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen nicht definiert. Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Verkehrsteilnehmer in der Lage sein muss, sein Verhalten vor Ort ohne zeitliche Verzögerung auf die getroffene Regelung einzurichten. Aus diesem Grund ist auf ein umgangssprachliches Begriffsverständnis abzustellen. Als Landwirtschaft wird gemeinhin die Bewirtschaftung des Bodens zum Zwecke der Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Rohstoffe verstanden,
vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.12.1984 - 1 Ss 485/84 -, VRS 68, 234, 235; OLG Köln, a.a.O., S. 298 und 299,
wobei der allgemeine Sprachgebrauch die bloß hobbygärtnerische Landbestellung ausnimmt. Die letztgenannte Art der Bodennutzung ist gekennzeichnet durch die kleinparzellige Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf als Mittel zur Freizeitgestaltung; sie weicht damit von der Typik landwirtschaftlicher Produktionsweise deutlich ab und gehört schon umgangssprachlich nicht zur Landwirtschaft. Die Unterscheidung zwischen Landwirtschaft und Hobbygärtnerei hat im Übrigen auch in der Gesetzessprache Ausdruck gefunden; die in den Definitionen von Landwirtschaft in § 1 Abs. 2 GrdstVG und § 201 BauGB verwandten Begriffe des Erwerbsgartenbaus bzw. der gartenbaulichen Erzeugung lassen den Gegenschluss zu, dass die bloße Hobbygärtnerei nicht erfasst wird.
Vgl. zu § 201 BauGB etwa Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Band IV, § 201 Rn. 36 f.
Da der Kläger seine Gartenparzelle lediglich hobbymäßig bestellt, kam ihm die durch das Zusatzzeichen 1026-36 getroffene Ausnahmeregelung nicht zugute. Das führt - auch abgesehen von der Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO - zu keiner sachwidrigen Ungleichbehandlung gegenüber Haupt- und Nebenerwerbslandwirten, da diese mit Rücksicht auf die Erfordernisse einer landwirtschaftlichen Arbeitsweise ungleich stärker auf die Erreichbarkeit ihrer Nutzflächen mit Fahrzeugen angewiesen sind.