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Landgericht Regensburg Urteil vom 04.01.2017 - 7 O 967/16 - Erheblichkeit des Mangels

LG Regensburg v. 04.01.2017: Interessenabwägung und Erheblichkeit des Mangels


Das Landgericht Regensburg (Urteil vom 04.01.2017 - 7 O 967/16) hat entschieden:
  1. Die im streitegegenständlichen Fahrzeug installierte Software zur Beeinflussung der Schadstoffemission im Testbetrieb stellt einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar, da sie nicht der Beschaffenheit entspricht, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüflaufstand nur aufgrund der manipulierten Software einhält, basiert die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs (vgl. u.a. LG Münster, Urteil vom 14. März 2016, 11 O 341/15).

  2. Die Lieferung einer mangelfreien Sache ist der Beklagten nicht unmöglich, da vieles dafür spricht, dass Neufahrzeuge des vom Kläger gekauften Fahrzeugtyps aus der aktuellen Serienproduktion mit vergleichbarer Ausstattung auch dann derselben Gattung wie das streitgegenständliche Fahrzeug angehören, wenn sie eine andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserungen aufweisen und dabei insbesondere den Anforderungen der EURO-6-Norm entsprechen.

  3. Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nach § 439 Abs. 3 S. 2 BGB ist bei der gebotenen Interessenabwägung zunächst der gesamte Aufwand der Kosten für die Nachbesserung einerseits und für die Nachlieferung andererseits im Wege einer Schätzung gegenüberzustellen. Auch wenn die Kosten der Nachlieferung die Nachbesserungskosten um ein Vielfaches übersteigen, ist andererseits der Mangel von erheblicher Bedeutung, da im Fall einer unterbliebenen oder gescheiterten Nachbesserung der Entzug der Zulassung des Fahrzeugs droht.

Siehe auch Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:

Der Kläger erwarb am 23. März 2015 bei der Beklagten einen PKW SEAT Alhambra I-​Tech 2.0 TDI Ecomotive 103 kW zum Preis von 30.950,- €. Das Fahrzeug wurde am 15. Mai 2015 an den Kläger ausgeliefert.

Der PKW ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5 ausgestattet. Die Software dieses Motortyps kennt zwei unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuern. Im Abgasrückführungs-​Modus 1, der im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiv ist, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Unter Vorbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, ist der Abgasrückführung-​Modus 0 aktiv. Weil es im normalen Straßenbetrieb praktisch ausgeschlossen ist, den NEFZ nachzufahren, befindet sich das Fahrzeug mit der derzeit noch verbauten Software im normalen Straßenverkehr durchgehend im Modus 0.

Das Kraftfahrbundesamt (KBA), das in der verbauten Software, anders als die Beklagte und die Streithelferin, eine den gesetzlichen Vorgaben der VO (EU) Nr. 715/2007 widersprechende Abschalteinrichtung sieht, verlangt, dass alle Fahrzeuge, die über eine solche Software verfügen „in den vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen" sind (Pressemitteilung des KBA; Anl. K 11), und hat deshalb bei den Herstellern den Rückruf der Fahrzeuge angeordnet.

Der VW-​Konzern hat für den betroffenen Motorentyp ein Software-​Update entwickelt, das dazu führen soll, dass der Prüfstandmodus künftig auch für den Betrieb des Fahrzeugs im realen Straßenverkehr maßgeblich ist und gleichzeitig die Stickoxidvorgaben der EU-​5-Norm eingehalten werden.

Die Überarbeitung des klägerischen Fahrzeugs war jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses, der mündlichen Verhandlung noch nicht möglich, weil das KBA die erforderliche Freigabebestätigung noch von dem Nachweis abhängig machte, dass die Überarbeitung nicht zu nachteiligen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch, die C02-​Emissionen, die Motorleistung, das Drehmoment oder der Fahrzeugakustik führen (Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 2.12.2016, S. 13/14).

Weder die Beklagte noch die Streithelferin (oder VW) erkennen die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs an.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.2.2016 (Anl. K 2) aufgefordert, bis zum 1.4.2016 im Wege der Nacherfüllung einen mangelfreien Neuwagen zu liefern.

Er behauptet, dass das Fahrzeug wegen des Nichteinhaltens der von der EURO-​5-Norm geforderten NOx-​Werte (Stickoxidwerte) derzeit nicht zulassungsfähig sei. Das KBA habe lediglich eine Ausnahme vom Entzug der Zulassung gemacht.

Eine folgenlose Nachbesserung sei technisch nicht möglich. Jedenfalls verbleibe selbst im Falle der Nachrüstung ein Mangelverdacht. Auch deshalb sei der Marktwert des betroffenen Fahrzeugs gesunken.

Der Kläger beantragt daher:
  1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Seat Alhambra, FIN: ... Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs Seat Alhambra, FN: ... nachzuliefern.

  2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Neulieferung und mit der Rücknahme der im Klagantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet.

  3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.419,07 € freizustellen.
Die Beklagte und deren Streithelferin beantragen
Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei der eingesetzten Software nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handle, sondern um eine - zulässige - innermotorische Maßnahme. Die betroffenen Fahrzeuge würden mit Hilfe dieser zulässigen Maßnahme auf dem Prüfstand die Vorgaben der maßgeblichen EU-​VO zu den NOx-​Emissionen einhalten. Nur das sei für die Typenzulassung von Bedeutung. Den Fahrzeugen dürfe deshalb richtigerweise die Zulassung nicht entzogen werden und auch sonst seien keine Einschränkungen hinsichtlich der Verwendbarkeit gegeben. Es liege deshalb kein Mangel vor.

Falls man von einem Mangel ausgehen wolle, stehe dem Kläger lediglich ein Recht auf Nachbesserung zu. Eine Nachlieferung sei unmöglich. Die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion, würden nicht derselben Gattung angehören, weil sie sich nicht nur hinsichtlich der streitgegenständlichen Software, sondern auch in ihrer Motorleistung und sonstigen technischen Weiterentwicklungen unterscheiden würden. Insbesondere seien sie mit der EURO-​6-Typengenehmigurig ausgestattet.

Jedenfalls dürfe sie die Nachlieferung gem. § 439 Abs. 3 BGB als unverhältnismäßig verweigern, weil die Nachbesserung mithilfe eines Softwareupdates im Rahmen eines kurzen Werkstattbesuches von weniger als einer Stunde und zu Kosten von weniger als 100 € möglich sei und der Kläger bis dahin sein Fahrzeug ohne Einschränkung weiterbenutzen könne. Auf diese technische Lösung habe sie mit Schreiben vom 22.2.2016 hingewiesen und bis zum 31.12.2016 auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist weitestgehend zulässig und - soweit zulässig - auch im Wesentlichen begründet.

I.

Soweit der Kläger nicht nur festgestellt haben will, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sondern darüber hinaus im (Schuldner-​)Verzug mit von ihm begehrten Nachlieferung befindet, ist die Klage unzulässig.

Gern. § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden. Keine Rechtsverhältnisse sind abstrakte Rechtsfragen wie etwa der Verzug des Schuldners. Der Schuldnerverzug ist ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund und zugleich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich „Vorfrage“ für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Ein gegenüber dem ursprünglichen Schuldverhältnis eigenständiges „Verzugsverhältnis“ kennt das Gesetz nicht (BGH NJW 2000, 2280).

Soweit in Fällen, in denen eine Verurteilung zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt wird, der Antrag des Klägers, den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung festzustellen, mit Rücksicht auf §§ 756, 765 ZPO aus Gründen der Prozeßökonomie allgemein als zulässig angesehen wird, sind diese Überlegungen auf den Schuldnerverzug nicht übertragbar (BGH a.a.O.).

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Dies gilt aus den genannten Gründen auch für den Antrag festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.

II.

Die Klage ist weitgehend begründet.

1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Nachlieferungsanspruch aus §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, .439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu.

a) Die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Software zur Beeinflussung der Schadstoffemission im Testbetrieb stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar.

Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, welche bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Abschaltsoftware entspricht nicht der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Die Installation und Verwendung einer sogenannten Abschaltsoftware ist bei Fahrzeugen anderer Hersteller in einer vergleichbaren Fahrzeugklasse jedenfalls nicht bekanntermaßen üblich (so auch LG Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016, Az. 4 O 202/16). Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert ist, die dafür sorgt, dass der Prüflaufstand erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Denn für den Kläger als Käufer und Erklärungsempfänger war erkennbar, dass die Angaben zum Schadstoffausstoß auf einer objektivierenden Grundlage beruhen und nicht den Abgaswerten im realen Fährbetrieb entsprechen werden. Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs basiert vielmehr darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüflaufstand nur aufgrund der manipulierenden Software einhält (LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, 11 O 341/15; LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, 16 O 790/16).

Auch eignet sich das Fahrzeug nicht zur gewöhnlichen Verwendung. Zwar ist der Beklagtenseite zu zugestehen, dass der Kläger derzeit das streitgegenständliche Fahrzeug uneingeschränkt nutzen kann. Allerdings muss das Fahrzeug unstreitig im Rahmen einer Rückrufaktion umgerüstet werden, um mittelfristig keine Nachteile, wie Probleme bei der Einfahrt in Umweltzonen, steuerliche Nachteile oder gar den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis zu erleiden. Wenn es dem Kläger also nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs Folge zu leisten, um dessen Zulassung im Straßenverkehr zu erhalten, dann kann nicht von einer gewöhnlichen Verwendungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs ausgegangen werden (LG Oldenburg, a.a.O ).

b) Der Mangel des Fahrzeugs gibt dem Kläger gem. § 437 Nr. 1 BGB das Recht Nacherfüllung zu verlangen, wobei er grundsätzlich frei wählen kann, ob er die Beseitigung des Mangels oder - wie hier - die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt..

c) Die Nachlieferung ist der Beklagten nicht unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB).

Es spricht vieles dafür, dass Neufahrzeuge des Typs Seat Alhambra aus der aktuellen Serienproduktion mit vergleichbarer Ausstattung auch dann derselben Gattung wie das streitgegenständliche Fahrzeug angehören, wenn sie eine andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserungen aufweisen und dabei insbesondere den Anforderungen der EURO-​6-Norm entsprechen.

Für die Bestimmung der Gattung ist zunächst maßgeblich, wie der Vertragsgegenstand in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag bestimmt wird. Insoweit weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass sich die Beklagte in ihren Neuwagenverkaufsbedingungen weitgehende Änderungen des Leistungsgegenstandes vorbehält, etwa im Hinblick auf Konstruktions- oder Formänderungen, sofern die Änderungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. So wie der Käufer eines Neufahrzeuges es danach hinzunehmen hätte, statt des von ihm gewählten, der EURO-​5-Norm genügenden Modells, ein Modell zu erhalten, welches der EURO-​6-Norm entspricht, kann die Beklagte dem Nachlieferungsverlangen des Käufers die technische Verbesserung nicht entgegenhalten.

Letztlich kann auch dahinstehen, ob es sich bei einem ähnlichen Fahrzeug aus der aktuellen Produktion um ein Fahrzeug derselben Gattung oder um ein sog. aliud handelt, weil der Nachlieferungsanspruch nicht nur mit Gegenständen erfüllt werden kann, die derselben Gattung angehören. Das ergibt sich schon daraus, dass nach zutreffender Ansicht eine Nachlieferung auch beim Stückkauf in Frage kommt, wo der Anspruch notwendig auf die Lieferung eines aliuds gerichtet ist. Ob beim Stückkauf eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen (§§ 133, 157 BGB). Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann (BGH, Urteil vom 7.6.2006 - VIII ZR 209/05). Unter diesen Voraussetzungen kann daher auch bei einer Gattungsschuld die Verpflichtung zur Nachlieferung auf einen nicht derselben Gattung angehörenden Gegenstand gerichtet sein. Das ist hier aus den genannten Gesichtspunkten der Fall.

d) Die Beklagte kann die Nachlieferung nicht nach § 439 Abs. 3 BGB verweigern. Insbesondere ist die Nachlieferung nicht nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich. Die Kosten der Nachlieferung sind auch im Verhältnis zu den Kosten einer Nachbesserung nicht unverhältnismäßig (sog. relative Unverhältnismäßigkeit).

Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sind nach § 439 Abs. 3 S. 2 BGB insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.

Während dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand bei der hier im Vordergrund stehenden relativen Unverhältnismäßigkeit keine besondere Bedeutung zukommt, sind die beiden zuletzt genannten Aspekte im Sinne des Klägers zu beantworten.

Im Rahmen der bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gebotenen Interessenabwägung ist zunächst der gesamte Aufwand der Kosten für die Nachbesserung einerseits und für die Nachlieferung andererseits im Wege einer Schätzung gegenüberzustellen. Dabei sind nach Ansicht des Gerichts an dieser Stelle die Kosten nicht miteinzubeziehen, die für die Entwicklung der Software-​Updates anfallen, wenngleich die Entwicklung des Updates auch von der Beklagten -und sei es wegen der Vorgaben des KBA - als äußerst aufwändig beschrieben wird. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte diesen Aufwand sowieso hat - schon wegen der Vorgaben des KBA und im Hinblick auf die Kunden, die Nachbesserung verlangen. Abgesehen von den Kosten für das Aufspielen der Software auf das Fahrzeug des Klägers handelt es sich also bei den Kosten der Nachlieferung um Kosten die zusätzlich anfallen. Damit ist festzustellen, dass die Kosten der Nachlieferung die Kosten der Nachbesserung um ein Vielfaches übersteigen, ohne dass es darauf ankäme, welchen Wert der zurückgenommene PKW für die Beklagte hat und welche Kosten bei ihr oder dem Hersteller für das nachzuliefernde Neufahrzeug im Einzelnen anfallen.

Andererseits ist der Mangel von erheblicher Bedeutung. Selbst wenn man zugrunde legt, dass derzeit keine Verwendungseinschränkung besteht, droht im Fall einer unterbliebenen oder gescheiterten Nachbesserung der Entzug der Zulassung des Fahrzeugs. Die Bedeutung des Mangels wird nicht durch die Behauptung der Beklagten in Frage gestellt, dass er - im Wege der Nachbesserung - mit einem Aufwand von weniger als 100 € und damit weniger als 0,3 % des Kaufpreises beseitigt werden könnte. Selbst wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Erheblichkeit eines Mangels - genauer der Pflichtverletzung - im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auf die Höhe des Mangelbeseitigungsaufwandes abstellen wollte (BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13 -, BGHZ 201, 290-​310) ergäbe sich nicht anderes. Denn dort, wo der Beseitigungsaufwand indizielle Bedeutung für das Gewicht eines Mangels haben soll, müssten die erheblichen Kosten für die Entwicklung des Software-​Updates mit einbezogen werden. Denn in diesen Kosten spiegelt sich das technische Defizit wider, welches den mit der streitgegenständlichen Abgassteuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugen anhaftet.

Vor allem aber ist die Nachbesserung im Vergleich zur Nachlieferung im konkreten Fall für den Kläger erheblich nachteilhafter. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass derzeit noch ungewiss ist, ob das von der Beklagten angebotene Software-​Update nachteilige Folgen haben wird.

Der Kläger behauptet, dass eine folgenlose Nachbesserung gar nicht möglich ist, die Beklagte behauptet das Gegenteil. Zwar bieten beide zum Beweis ihrer Behauptung Sachverständigenbeweis an. Die Erholung eines dahingehenden Gutachtens ist aber nicht erforderlich, denn zweifellos wird die Möglichkeit einer folgenlosen Nachbesserung derzeit in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Schon diese derzeit bestehende Unsicherheit hinsichtlich des Erfolgs einer Nachbesserung führt dazu, dass diese Form der Nacherfüllung für den Kläger als erheblich nachteilig anzusehen ist. Denn die Unsicherheit des Erfolges der Nachbesserung kann den Weiterverkaufswert des Fahrzeuges beeinträchtigen. Negative Äußerungen in der Öffentlichkeit über mögliche Folgen des vom VW-​Konzern angebotenen Software-​Updates beeinflussen den Fahrzeugwert auch dann, wenn sie sich aus technischer Sicht als unzutreffend darstellen sollten.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bei mangelhafter Nachbesserung nach einer weit verbreiteten Meinung die Verjährung der Gewährleistungsrechte nur dann von neuem beginnt, wenn aus den Umständen anzunehmen ist, dass der Verkäufer den Mangel anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 2016, § 438 Rn. 16a). Das macht die Beklagte ausdrücklich nicht, sondern betont, dass sie das Update nur im Wege der Kulanz zur Verfügung stellt. Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Nachbesserung insofern auf den Käufer verlagert wird, als dieser seinen Anspruch auf Nachbesserung des Software-​Updates möglicherweise im Klagewege durchsetzen muss, und er riskiert, dass seinem dahingehenden Anspruch der Verjährungseinwand entgegen gehalten wird.

Der Kläger hat daher Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeuges aus der aktuellen Serie, Zug-​um-​Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung (§§ 439 Abs. 4, 348 BGB) des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

2. Nutzungsersatz nach §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB schuldet der Kläger nicht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 BGB handelt. Auf solche Verträge ist § 439 Abs. 4 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen weder herauszugeben sind noch deren Wert zu ersetzen ist (§ 474 Abs. 5 S. 1 BGB).

3. Die Beklagte befindet sich gem. § 293 BGB in Verzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Mit Schreiben vom 19.2.2016 (Anl. K 2) hat der Kläger der Beklagten angeboten, den dort mit der Fahrzeugidentifikationsnummer näher bezeichneten PKW, bei der Beklagten erworbenen PKW SEAT Alhambra „gegen Lieferung des Neuwagens ... zurückzugeben“.

Leistungsort für die Rückgabe der mangelhaften Sache ist nach § 269 Abs. 1 BGB der Wohnsitz des Schuldners. Das vorgenannte Schreiben stellt daher ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB dar, weil die Beklagte nur noch zuzugreifen braucht.

4. Ein Anspruch des Klägers auf Freistellung von den seinen Prozessbevollmächtigten geschuldeten vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 439 Abs. 2 BGB, denn der Kläger durfte zur Durchsetzung seiner Mängelrechte anwaltlichen Bei stand in Anspruch nehmen. Den dadurch entstehenden Aufwand hat die Beklagte gem. § 439 Abs. 2 BGB zu tragen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - X ZR 40/96 juris).

Soweit der Kläger nur die Freistellung der gesetzlich von ihm geschuldeten Gebühren verlangt, war weiterer Vortrag nicht erforderlich.

Allerdings erachtet das Gericht im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit (§ 14 Abs. 1 RVG) lediglich eine 1,7 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für angemessen. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die den Sachverhalt zugrunde liegenden tatsächlichen Aspekte und teilweise auch die rechtlichen Fragen überdurchschnittlich schwierig und komplex sind. Entgegen der Ansicht des Klägern und mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.5.2013, XI ZR 420/10 - juris Rz. 46) muss die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das einzelne Mandat im Rahmen der nach § 14 Abs. 1 RVG erforderlichen Gesamtwürdigung aber maßgeblich berücksichtigt werden.

Die Gebühr war daher nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vom Gericht durch Urteil zu bestimmen (BGH, a.a.O., Rz. 45). Im Rechtsstreit mit einem erstattungspflichtigen Dritten musste kein Gutachten gem. § 14 Abs. 2 RVG eingeholt werden (Mayer, Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG § 14 Rn. 65 - 90, beck-​online).

Die. ersatzfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten berechnen sich daher wie folgt:

1, 7 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG abzgl. 0,75 Anrechnung (Klägerschriftsatz vom 10.11.2016, dort S. 64) = 0,95 Gebühr aus 30.950,00 €: 891,10 €
Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG: 20,00 €
MWSt. gem. Nr. 7008 VV RVG aus 911,10 €: 173,11 €
insgesamt: 1.084,21 €


Soweit der Kläger einen weitergehenden Freistellungsanspruch geltend macht, war die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91,92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 S. 1, 2 ZPO.