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OLG München Beschluss vom 26.04.2017 - 21 U 4818/16 - Keine Täuschungszurechnung des Händlers
OLG München v. 26.04.2017: Keine Konzernzurechnung beim freien Händler eines vom Abgasskandal betroffenen Kfz
Das OLG München (Beschluss vom 26.04.2017 - 21 U 4818/16) hat entschieden:
Allein die Tatsache, dass die Beklagte Produkte der Firma Audi vertreibt und sich „Audi-Zentrum“ nennt, reicht nicht aus, dass sie sich als unabhängige Händlerin etwaige Täuschungshandlungen des Herstellers zurechnen lassen müsste.
Siehe auch Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht
Gründe:
1. Der Senat teilt nach der Vorberatung die Beurteilung des Landgerichts, wonach die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Kaufvertrages nicht gegeben sind. Stichhaltige Gründe, weswegen sich die Beklagte als unabhängige Händlerin etwaige Täuschungshandlungen des Herstellers zurechnen lassen müsste, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Allein die Tatsache, dass die Beklagte Produkte der Firma Audi vertreibt und sich "Audi-Zentrum" nennt, genügt nicht für eine Zurechnung. Damit kann sich der Kläger auch ansonsten nicht auf einen - nicht nachweisbaren - Arglistvorwurf stützen.
2. Erstmals in 2. Instanz stützt sich der Kläger auf Gewährleistungsrecht, wobei die Berufungsbegründung sehr oberflächlich bleibt, obwohl sich diverse Probleme geradezu aufdrängen müssten. Allerdings wirft auch das Vorbringen der Beklagten eine Reihe von Fragen auf.
a) zum Mangel des Fahrzeugs
Unstreitig war in 1. Instanz, dass der vom Kläger gekaufte Wagen "von der Rückrufaktion Diesel-Abgas" betroffen war, streitig allerdings, ob die Beklagte für "etwaige Mängel" einstehen muss.
In 2. Instanz erklärt die Beklagte nun zum Anspruch aus Gewährleistung, "es fehle klägerseits an einem entsprechenden substantiierten Vortag bezüglich eines erheblichen Mangels". Es bleibt etwas unklar, was konkret die Beklagte damit in Abrede stellt bzw. als unzureichenden Vortrag ansieht, mutmaßlich bezweifelt die Beklagte die "Erheblichkeit" des Mangels, ohne dies jedoch näher zu begründen.
Soweit der Kläger in der Berufung geltend macht, ihm seien "ein geringer Verbrauch und geringe Abgaswerte zugesichert" worden, erschließt sich nicht, wann und wo eine solche "Zusage" im Sinne des aktuell geltenden Gewährleistungsrechts gegeben worden sein soll.
b) Vorrang der Nachbesserung
Im Kaufrecht gilt nunmehr ebenso wie im Werkvertragsrecht der Vorrang der Nachbesserung gegenüber anderen Gewährleistungsansprüchen. Dass eine Nachbesserung nicht in Betracht kommt, lässt sich weder mit dem Vorwurf der Arglist (die auf Seiten der Beklagten gerade nicht nachweisbar ist) noch mit dem zeitlichen Ablauf begründen. Unstreitig hat der Kläger Nachbesserung weder verlangt noch ermöglicht. Abgesehen davon stammt die Anlage K 3 ersichtlich nicht von Frühjahr 2015, sondern vom 17.12.2015 (siehe Datum/Uhrzeit am unteren Ende): Zwar weist das Schreiben des Klägervertreters, mit dem er den Vertrag anficht und Rückabwicklung fordert, als Datum den 08.01.2015 aus, im Hinblick auf die Fristsetzung (22.01.2016) dürfte es sich jedoch um ein Versehen handeln und das Schreiben tatsächlich Anfang 2016 erstellt worden sein.
Es stellt sich damit die Frage, ob eine Nachbesserung aus anderen Gründen nicht möglich/zumutbar ist und ob der diesbezügliche - ggf. streitige - neue Vortrag in 2. Instanz ausreichend und/oder noch zuzulassen oder als verspätet zu qualifizieren ist.
c) Gewährleistungsausschluss
Der Senat hat Bedenken, ob die in den AGB der Beklagten enthaltene Beschränkung der Gewährleistung auf 1 Jahr einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Falls dies nicht der Fall ist, würde die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB (ab Ablieferung der Sache) eingreifen. Dann stellt sich die Frage, ob die vom Klägervertreter erklärte Anfechtung (Schreiben vom 08.01.2016) zugleich als Rücktritt verstanden werden kann bzw. ob die Klageerhebung die Verjährung gehemmt hat, obwohl sich der Kläger ausschließlich auf eine nicht tragfähige Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt hat.
d) Der Kläger hat bislang nichts zu den gezogenen Nutzungen vorgetragen, obwohl er sich diese sowohl bei einer Anfechtung als auch bei einem Rücktritt anrechnen lassen müsste.
Zusammenfassend meint der Senat, dass beide Seiten eine gütliche Einigung anstreben sollten.
Vorstellbar wäre z.B., dass der Kläger das Fahrzeug bei der Beklagten nachrüsten lässt und die Beklagte noch einen Kulanzbetrag auf den ursprünglichen Kaufpreis nachlässt. In Betracht kommt auch, dass die Beklagte den Wagen zurücknimmt und der Kläger stattdessen einen anderen Wagen von der Beklagten übernimmt, der in Größe, Alter und Ausstattung in etwa dem gekauften Fahrzeug im aktuellem Zustand (ohne "Abgasproblematik") entspricht.