Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OVG Lüneburg Beschluss vom 29.11.2017 - 12 ME 197/17 - Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Verweigerung eines Gutachtens

OVG Lüneburg v. 29.11.2017: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Verweigerung eines Gutachtens nach diversen Verstößen auf Flucht vor der Polizei


Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 29.11.2017 - 12 ME 197/17) hat entschieden:
Für die Beantwortung der Frage, ob einer oder mehrere Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV vorliegen, kommt es nicht auf den prozessualen, sondern den materiell-rechtlichen Tatbegriff an.


Siehe auch Nichtvorlage des MPU-Gutachtens und Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage (1 A 168/17) wiederherzustellen, die er gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juli 2017 (Bl. 18 ff. der Gerichtsakte) erhoben hat. Durch diesen Bescheid entzog ihm der Antragsgegner unter Berufung auf § 46 Abs. 1 und § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis unter anderem der Klasse B (vgl. Bl. 207 der Beiakte – BA – 1).

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Vorinstanz im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage werde die Klage des Antragstellers gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis aller Klassen und die Abgabe seines Führerscheins keinen Erfolg haben, weil der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Auf eine solche Ungeeignetheit dürfe sie nach § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV dann schließen, wenn der Betroffene sich weigere, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe. Die Vorlage des angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens habe der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 19. Juni 2017 verweigert, obwohl er in der Anordnung seiner Begutachtung vom 22. Mai 2017 entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV darauf hingewiesen worden sei, dass aus der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens auf seine Nichteignung geschlossen werden dürfe. Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setze voraus, dass die Gutachtenanforderung rechtmäßig ergangen sei. Der Antragsgegner habe den Antragsteller zumindest im Hinblick auf den Vorfall vom 16. August 2016 zu Recht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert. Ausweislich des Berichts der Polizeiinspektion Celle vom 18. August 2016 [Bl. 22 ff. BA 1] habe der Antragsteller wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV begangen, während er sich am 16. August 2016 eine Verfolgungsjagd mit Polizeibeamten lieferte. Er habe ca. 20 Minuten lang die Weisungen und Zeichen von Polizeibeamten missachtet, indem er die Weisung „Stopp Polizei“ ignoriert habe und weitergefahren sei. Darüber hinaus habe er sowohl innerhalb (Celler Straße in Winsen/Aller) als auch außerhalb geschlossener Ortschaften (auf der K 3 über Winsen/Aller nach Meißendorf) die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, wobei nur die konkrete Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht feststehe. Dabei habe er zumindest sich selbst und seine Beifahrerin gefährdet, die ihn nach eigenen Angaben erfolglos gebeten habe, sie aussteigen zu lassen. Auf Nachfrage habe er angegeben, er sei geflüchtet, um von dem vor ihm ohne Fahrerlaubnis fahrenden Freund abzulenken. Ob die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich sei, entscheide die Fahrerlaubnisbehörde nach pflichtgebundenem Ermessen. Ihre Ermessenerwägungen flössen dabei regelmäßig in die Prüfung ein, ob konkrete und hinreichend gewichtige Eignungszweifel vorlägen; die Ermessensentscheidung müsse deswegen nicht speziell begründet werden, sofern nicht besondere Umstände vorlägen. Je gewichtiger die Eignungszweifel seien, desto geringer werde das Entschließungsermessen der Behörde; bei Vorliegen erheblicher Zweifel - wie hier - dürfte es regelmäßig auf null reduziert sein. Der Antragsgegner sei auch nicht an eine strafgerichtliche Beurteilung der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 4 StVG gebunden gewesen. In dem Strafbefehl vom 8. Mai 2017 - 20 Cs 8103 Js 2263/17 (53/17) - i. V. m. dem Beschluss vom 25. April 2017 wegen versuchter Strafvereitelung (Tattag: 16. August 2016) habe das Amtsgericht Celle die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht beurteilt. Soweit sich der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren auf Bl. 34 der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners [BA 1] berufen habe, sei darauf hinzuweisen, dass sich dort nur eine Verfügung des Amtsgerichts Celle an die Staatsanwaltschaft Celle vom 15. März 2017 befinde. Eine solche Verfügung entfalte keine Bindungswirkung gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StVG, denn es handele sich weder um ein strafgerichtliches Urteil noch um einen Strafbefehl noch um eine ablehnende gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Eröffnung des Hauptverfahrens oder des Erlasses eines Strafbefehls noch um eine Bußgeldentscheidung.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 12. September 2017 hat keinen Erfolg. Denn die Beschwerdegründe des Antragstellers, auf deren Prüfungen der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, genügen teilweise bereits nicht den Anforderungen, die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an ihre Darlegung unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung zu stellen sind, und vermögen im Übrigen in der Sache nicht zu überzeugen.

Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 146 Rn. 30). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2010, § 146 Rn. 22): Je intensiver diese Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und - soweit möglich - deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56).

Der Antragsteller macht geltend, das Verwaltungsgericht lasse unbeachtet, dass der in Rede stehende Vorfall vom 16. August 2016 sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitungen als auch im Hinblick auf behauptete Gefährdungen und Ordnungswidrigkeiten streitig sei. Zweifel hinsichtlich des Tatgeschehens gingen insoweit zulasten des Antragsgegners.

Mit dieser Argumentation beachtet der Antragsteller nicht genügend, dass es einer gerichtlichen Entscheidung zu seinen Ungunsten in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegensteht, wenn er selbst Tatsachen bestreitet und die Richtigkeit einer Bewertung des Geschehenen als Gefährdung oder Ordnungswidrigkeit in Abrede stellt. Denn wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, findet bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine eigene summarische Prüfung durch das Gericht statt, die – selbstverständlich – zu vorläufigen tatsächlichen Feststellungen, Bewertungen und rechtlichen Einordnungen führen kann, die von dem Vortrag eines oder beider Beteiligten abweichen. Es zwingt deshalb nicht zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, dass eine endgültige Überzeugungsbildung hinsichtlich tatsächlich und rechtlich umstrittener Punkte dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt (vgl. Senatsbeschl. v. 10.7.2017 - 12 ME 91/17 -) und der Antragsgegner für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen in die Rechte des Antragstellers die materielle Beweislast trägt. Insbesondere gibt es keine Beweisregel, die es ausschließt, dass die vorläufige gerichtliche Einschätzung, es sei zu Geschwindigkeitsüberschreitungen gekommen, auf polizeiliche Berichte gestützt wird, die ihrerseits an die Ablesung eines nicht geeichten Tachometers anknüpfen. Die Kritik des Antragstellers, es müssten z. B. Angaben über „Messstrecken“ vorliegen, um von einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen zu können, wenn Polizeibeamte – wie im vorliegenden Falle – ein Fahrzeug verfolgt haben, dem sie sich auf einer Kreisstraße nicht einmal mit einer – vom nicht geeichten Tacho des Dienstfahrzeugs abgelesenen – Geschwindigkeit von 190 km/h zu nähern vermocht haben (vgl. Bl. 9 BA 1), beruht auf eindeutigen Fehlvorstellungen über das rechtlich erforderliche Beweismaß.

Die Kritik des Antragstellers, durch eine Verfolgungsjagd auf einer Kreisstraße, bei der derartige Geschwindigkeiten erreicht wurden, seien weder seine Mitfahrerin noch die ihn pflichtgemäß verfolgenden Polizeibeamten gefährdet worden, ist nicht nachvollziehbar und dementsprechend ohne Überzeugungskraft. Darauf, ob eine fehlende Gefährdung – was ausweislich der Beschwerdeerwiderung des Antragsgegners nicht zutrifft – unter den Beteiligten „unstreitig“ ist, kommt es – anders als im Zivilverfahren – ohnehin nicht an. Auf eine fehlende Gefährdung kann auch nicht deshalb geschlossen werden, weil – wie der Antragsteller geltend macht – kein strafrechtlicher Verdacht der Begehung einer „Gefährdung des Straßenverkehrs“ im Sinne des § 315c StGB bestanden habe. Denn die Tatbestandsvarianten des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB erfassen nur bestimmte (§ 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d] StGB), aber nicht alle Fälle des grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit.

Soweit der Antragsteller sinngemäß weiterhin eine Bindung des Antragsgegners nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG an die von ihm als „Vermerk“ bezeichnete Beurteilung seiner Fahreignung in der Verfügung des Amtsgerichts Celle (Bl. 34 BA 1) geltend macht, fehlt es bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der – offensichtlich – zutreffenden Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach diese Verfügung kein Urteil sei. Zu Unrecht meint der Antragsteller des Weiteren, es sei zu seinen Gunsten eine gerichtliche Entscheidung ergangen, durch die der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden sei, denn abgelehnt worden sei der ursprüngliche Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft, der eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen habe. Der Antragsteller verkennt nämlich insoweit, dass das Amtsgericht keine Entscheidung gemäß § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO zu seinen Gunsten getroffen hat, sondern lediglich eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen wollte und die Staatsanwaltschaft daraufhin nicht bei ihrem ursprünglichen Antrag beharrte (vgl §. 408 Abs. 3 Satz 2 StPO), sondern ihn änderte. Die Entscheidung über den Strafbefehlsantrag erging also letztlich antragsgemäß.

Der Einwand des Antragstellers, es könnten keine wiederholten Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV vorliegen, weil der Vorgang vom 16. August 2016 eine „prozessuale Tat“, also einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang darstelle, überzeugt nicht. Denn für die Beantwortung der Frage, ob einer oder mehrere Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV vorliegen, kommt es – nicht anders als im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.7.2016 - 10 S 77/15 -, VRS 130, 256 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 29) – nicht auf den prozessualen, sondern auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff an. Ein geschichtlicher Vorgang im Sinne des prozessualen Tatbegriffs kann aber auch mehrere Handlungen im materiell-rechtlichen Sinne (Tatmehrheit) umfassen (vgl. Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, vor § 59, Rn. 50a).

Die sich in diesem Zusammenhang stattdessen stellenden Fragen, ob die von dem Antragsteller begangene, versuchte Strafvereitelung in Tateinheit mit den während der Verfolgungsfahrt begangenen Ordnungswidrigkeiten steht (vgl. Gürtler, in: Göhler, a. a. O., § 21 Rn. 3, und BGH, Beschl. v. 12.1.1995 - 4 StR 742/94 -, NJW 1995, 1766 f.), ob dies zur Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG führt und ob Letzteres oder die – etwaige – Verklammerung der Ordnungswidrigkeiten durch die Straftat hier zur Unanwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 FeV führt, hat der Antragsteller in seinen Darlegungen nicht problematisiert, sodass sie gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht der Prüfung durch den Senat unterliegen. Es sei deshalb nur angemerkt, dass sich im Falle einer Unanwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 FeV die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vorliegend auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 FeV stützen ließe. Denn ein erheblicher Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften kann auch durch eine Straftat verwirklicht werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 3.9.2015 - 10 S 778/14 - VBlBW 2016, 242 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 34) und der Vorfall vom 16. August 2016 stellt sich rechtlich nicht nur als Strafvereitelung, sondern auch als Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, Art. 1 Abs. 1 EGStGB, § 27 StGB) dar. Seiner Würdigung auch unter diesem Blickwinkel steht § 3 Abs. 4 StVG nicht entgegen, da die genannte Beihilfe nicht Gegenstand der strafgerichtlichen Beurteilung gewesen ist, nachdem die Strafverfolgung gemäß § 154a StPO auf die versuchte Strafvereitelung beschränkt worden war (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 13.2.2013 - 2 B 189/13 -, NJW 2013, 3192 f., hier zitiert nach juris, Rn. 3; VG Augsburg, Beschl. v. 23.7.2012 - Au 7 S 12.847 -, juris, Rn. 22). Im Übrigen hätte sich die getroffene Anordnung – infolge der gerechtfertigten Würdigung des Vorfalls sowohl als Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis als auch als Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) zulasten der Mitfahrerin des Antragstellers – zudem auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV stützen lassen (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 35), wobei allerdings dahinstehen mag, ob es dazu erforderlich gewesen wäre, auch diese Vorschrift in der Anordnung der Beibringung des Gutachtens als weitere Rechtsgrundlage anzuführen, und welche Folgen der Verstoß gegen ein solches (etwaiges) Erfordernis ggf. hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 - BVerwG 3 C 20.15 -, BVerwGE 156, 293 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 21 f., 28 und 30 sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.7.2016 - 10 S 77/15 - VRS 130, 256 ff., hier zitiert nach juris, m. w. N.).

Soweit der Antragsteller beanstandet, anders als es das Verwaltungsgericht meine, sei das dem Antragsgegner im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV eingeräumte Ermessen weder ausgeübt worden noch auf null reduziert gewesen, fehlt es seinen Darlegungen bereits an einer Auseinandersetzung mit den einschlägigen Erwägungen der Vorinstanz. Da seine Fluchtfahrt hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit in etwa der Teilnahme an illegalen Straßenrennen gleichkommt, also einem Verhalten, für das § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 FeV eigens geschaffen wurde (vgl. Dauer; a. a. O.; § 11 FeV Rn. 8), spricht unabhängig davon Überwiegendes dafür, hier zumindest von einem intendierten Ermessen in Richtung auf die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung auszugehen. Besondere Umstände, die gegen diese Anordnung sprechen könnten und es erfordert hätten, sich in deren Begründung mit ihnen auseinanderzusetzen, sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller solche Ermessenserwägungen unter Hinweis auf die Abgrenzung zum Anwendungsbereich des Fahreignungs-Bewertungssystems (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG) vermisst, sind seine Darlegungen unschlüssig. Denn der geltend gemachte Konflikt zwischen der mit der Anordnung der Begutachtung getroffenen Aufklärungsmaßnahme und diesem System kann nicht bestehen, wenn – wie der Antragsteller selbst geltend macht – der Vorfall vom 16. August 2016 kein „Punkteverstoß“ gewesen ist. Die mit dem Strafbefehl geahndete, versuchte Strafvereitelung wird in der einschlägigen Anlage 13 zu § 40 FeV nicht aufgeführt. Der Antragsteller hat zudem nicht dargelegt, dass die von ihm im Zuge des Vorfalls vom 16. August 2016 begangenen Ordnungswidrigkeiten – die er im Übrigen ebenfalls in Abrede stellt – als solche geahndet worden seien oder zum Zeitpunkt des Ergehens der behördlichen Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, noch hätten verfolgt werden können. Bieten seine Darlegungen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung damit zu rechnen war, dass sich aufgrund des Vorfalls vom 16. August 2016 gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG Punkte ergeben würden, so ist nicht zu erkennen, weshalb der Antragsgegner gehalten gewesen sein sollte, in seiner Anordnung der Begutachtung zu begründen (vgl. Dauer, a. a. O., § 4 StVG Rn. 34), warum er von dem Fahreignung-Bewertungssystem abweiche. Denn von einem nicht anwendbaren System kann auch nicht abgewichen werden und ohne Abweichung ist kein Begründungsbedarf gegeben.

Entgegen der Beschwerdebegründung des Antragstellers hatte der Antragsgegner schon deshalb nicht im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV zu berücksichtigen, dass zwischen dem Vorfall und der Entziehungsverfügung fast ein Jahr verstrichen war, weil die Anordnung der Begutachtung der Entziehungsverfügung um Monate vorausging. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 46 Abs. 1 i. V. m. 11 Abs. 8 FeV stellt ihrerseits indessen keine Ermessensentscheidung dar (vgl. Dauer, a. a. O., § 11 FeV Rn. 51).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht den Vorschlägen unter den Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).