Das Verkehrslexikon
Amtsgericht München Urteil vom 19.07.2007 - 275 C 15658/07 -
AG München v. 19.07.2007: Zur Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren trotz Verwendung einer Einparkhilfe
Das Amtsgericht München (Urteil vom 19.07.2007 - 275 C 15658/07) hat entschieden:
- Bei Verwendung einer Einparkhilfe darf sich der Fahrzeugführer nicht darauf verlassen, dass diese zuverlässig bei jedem Hindernis ein Warnsignal abgibt. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges, insbesondere beim Rückwärtsfahren, sind hohe Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab des Kraftfahrzeugführers zu stellen. Dieser darf sich nicht auf die Einparkhilfe allein verlassen. Er muss sich zusätzlich durch eigene Beobachtungen (durch Blick in den Rückspiegel, Umschaugen, ggfs. Aussteigen aus dem Fahrzeug) vergewissern, wie weit ein Rückwärtsfahren ohne Anstoß möglich ist.
- Verursacht ein Kraftfahrzeugmieter beim Rückwärtsfahren unter Benutzung einer Einparkhilfe einen Schaden am Mietfahrzeug, kann der Autovermieter Reparaturkostenersatz (hier: bis zur Eigenbeteiligung in Höhe von 750 Euro) wegen (fahrlässiger) Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Mietvertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) verlangen.
Siehe auch Rückwärtsfahren
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung des an den Beklagten vermieteten Pkws.
Am 16.06.2006 mietete der Beklagte von der Klägerin den Pkw, Marke Skoda, amtl. Kennzeichen: ..., von der Klägerin an. Die Parteien vereinbarten eine Eigenbeteiligung von EUR 750,00. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vertrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Das Fahrzeug war mit einem "PDC-System", einer Einparkhilfe, ausgestattet, das beim Rückwärtsfahren das Vorhandensein von Hindernissen akustisch signalisiert. Anlässlich der Rückgabe des Fahrzeuges am 17.06.2006 wollte der Beklagte das Fahrzeug auf dem Parkplatz der Klägerin in der Parkgarage am Aplatz in B abstellen. Zu diesem Zweck parkte er rückwärts ein. Dabei fuhr der Beklagte mit dem Fahrzeug im Parkhaus am Aplatz in B gegen eine rückwärtige Begrenzung. Dadurch wurde die Heckklappe des Pkws beschädigt. Die Klägerin ließ den Schaden beseitigen. Hierfür fielen Kosten in Höhe von EUR 788,81 netto an.
An der rückwärtigen Begrenzung des Parkplatzes in dem Parkhaus befindet sich in Höhe des Abtaststrahles des PDC ein Hohlraum. Der Abtaststrahl erfasste daher nicht die höherliegende Begrenzung des Parkfeldes.
Diese Hohlräume unterhalb der Begrenzung waren sichtbar.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Er hätte ohne eigene Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraumes sich nicht auf die Einparkhilfe verlassen dürfen. Die Einparkhilfe ersetze nicht die Aufmerksamkeit auf den rückwärtigen Verkehrsraum.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin EUR 750,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 19.09.2006 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt:
die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte ist der Ansicht, er habe sich auf die Funktionstüchtigkeit des PDC-Systems verlassen dürfen. Er habe nicht vorher sehen müssen, dass die Begrenzung des Parkplatzes einen Hohlraum aufweise, der zu einer verspäteten Auslösung des akustischen Warnsignals des PDC-Systems führe. Ein fahrlässiges Verhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die bis zum 06.07.2007 eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung der Reparaturkosten bis zur Eigenbeteiligung in Höhe von EUR 750,00 wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Mietvertrag zu (§ 280 Abs. 1 BGB).
Der Beklagte handelte fahrlässig im Sinne von § 276 BGB, als er beim Rückwärtsfahren den von der Klagepartei gemieteten Pkw beschädigte.
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt. Fahrlässigkeit setzt weiter die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des schädigenden Erfolges voraus. Erforderlich ist, das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist (Palandt, 65. Auflage, § 276, Rdziff. 16).
Bei Verwendung einer Einparkhilfe darf sich der Fahrzeugführer nicht darauf verlassen, dass diese zuverlässig bei jedem Hindernis ein Warnsignal abgibt. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges, insbesondere beim Rückwärtsfahren, sind hohe Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab des Kraftfahrzeugführers zu stellen. Dieser darf sich nicht auf die Einparkhilfe allein verlassen. Er muss sich zusätzlich durch eigene Beobachtungen (durch Blick in den Rückspiegel, Umschauen, ggfs. Aussteigen aus dem Fahrzeug) vergewissern, wie weit ein Rückwärtsfahren ohne Anstoß möglich ist.
Das schädigende Ereignis war auch vorhersehbar. Verläßt sich ein Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren in einer Tiefgarage ausschließlich auf die Einparkhilfe, besteht eine nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Schädigung, insbesondere wenn, wie hier, die Rückwand des Abstellplatzes nicht über die Gesamtfläche, sondern nur in etwa der Höhe der Kühlerhaube eines Pkws herunter reicht.
Die Beschädigung und die Höhe der Reparaturkosten sowie der vereinbarte Selbstbehalt sind unstreitig.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Verzug liegt seit Ablehnung des Anspruchs durch den Beklagten im Schreiben vom 19.09.2006 vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.