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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 11.10.2000 - 7 U 203/98 - Integritätsinteresse und Prognoserisiko

OLG Frankfurt am Main v. 11.10.2000: Zum Prognoserisiko bezüglich einer Überschreitung der sog. 130-%-Grenze


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.10.2000 - 7 U 203/98) hat zum Prognoserisiko bei der Einhaltung der sog. 130-%-Grenze entschieden:
Das Prognoserisiko bezüglich einer Überschreitung der sog. 130-%-Grenze geht nicht zu Lasten des Geschädigten, sondern allein des Schädigers und seiner Haftpflichtversicherung, da der Schädiger den Geschädigten in die missliche Lage gebracht hat, von Prognosen von Sachverständigen über die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeuges abhängig zu sein.


Siehe auch Die Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen und Die Sachverständigenkosten in der Unfallschadenregulierung


Aus den Entscheidungsgründen:

"...Zunächst kann der Kläger den Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 28.864,79 DM beanspruchen. ....

Der Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Reparaturkosten stand es nicht entgegen, dass diese den zwischen den Parteien unstreitigen Zeitwert des Fahrzeuges vor dem Unfall von 19.000,00 DM um mehr als 30% überschritten. Damit lagen die schließlich aufgewandten Reparaturkosten über der bei 130% des Wiederbeschaffungswertes liegenden Grenze der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 S. 2 BGB (vgl. BGH zfs 1992, 8 und 9). Gleichwohl kann dem Kläger nicht die Möglichkeit einer Abrechnung auf Reparaturkostenbasis versagt und auf die Notwendigkeit einer Abrechnung auf Totalschadensbasis unter Berücksichtigung des Restwertes des unfallbeschädigten Fahrzeuges verwiesen werden. Das ließe nämlich unberücksichtigt, dass sich der Kläger zu der Vornahme der an sich nicht gebotenen Reparatur alleine deshalb entschlossen hatte, weil er sich auf die unrichtige Angabe des Sachverständigen R. verlassen hatte, dass eine Reparatur mit einem Aufwand möglich sei, der unterhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes läge, damit gerade kein Totalschaden vorläge.

Dieses sich damit verwirklichende Prognoserisiko geht nicht zu Lasten des Klägers, sondern allein des Schädigers und seiner Haftpflichtversicherung, da der Schädiger den Geschädigten in die mißliche Lage gebracht hat, von Prognosen von Sachverständigen über die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeuges abhängig zu sein (vgl. auch BGHZ 115, 370; BGH NJW 1978, 2592; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 603).

Vielmehr genügte es für die Annahme der Erstattungsfähigkeit der Reparaturaufwendungen, dass der Kläger das Gutachten des Sachverständigen R. als zutreffend ansehen durfte, und damit aus seiner maßgeblichen subjektiven Einschätzung annehmen durfte, dass er mit einer Vergabe der Reparatur an die Fa. G. nicht gegen die nach § 249 Satz 2 BGB ihm auferlegte Obliegenheit zu einem wirtschaftlichen Verhalten bei der Schadensabwicklung verstieß. Soweit die Beklagte zu 2) zu bedenken gegeben hat, die Fehlerhaftigkeit der Schätzungen des Sachverständigen hinsichtlich der erforderlichen Reparaturkosten sei erkennbar gewesen, mag das für sie und ihre Bevollmächtigten zutreffen. Umstände, denen sich entnehmen läßt, dass dies auch dem Kläger und seinen Prozeßbevollmächtigten erkennbar war, sind nicht ersichtlich. Offenkundig war jedenfalls die Fehleinschätzung des Sachverständigen R. nicht.

Gegen die Ersatzfähigkeit der Reparaturkosten kann auch nicht mit Erfolg ins Feld geführt werden, dass der Kläger das Entstehen der objektiv überhöhten Reparaturaufwendungen nach Aufdeckung der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens des Sachverständigen R. hätte verhindern können. Es steht weder fest, dass der Kläger bereits vor der Erteilung des Reparaturauftrages Kenntnis davon hatte, dass weit höhere, zu Annahme der Unwirtschaftlichkeit der Reparatur führende Kosten bei der Vornahme entstehen würden, die vorliegende Kostenschätzung des Sachverständigen zu viel zu geringen Kosten gelangt war. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts, dass das Vorbringen der Beklagten für eine solche zeitlich gesicherte Einordnung dieser Kenntnis nichts hergibt ..."







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