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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 21.06.1989 - 7 U 190/88 - Bei Fahren mit Abblendlicht ist eine Geschwindigkeit von 60 km/h und mehr als grobes Verschulden anzusehen
OLG Frankfurt am Main v. 21.06.1989: Bei Fahren mit Abblendlicht ist eine Geschwindigkeit von 60 km/h und mehr als grobes Verschulden anzusehen.
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.06.1989 - 7 U 190/88) hat zur Einhaltung des Sichtfahrgebots nachts entschieden:
Bei Fahren mit Abblendlicht ist eine Geschwindigkeit von 60 km/h und mehr als grobes Verschulden anzusehen.
Siehe auch Fahren auf Sicht - Sichtfahrgebot - Auffahren auf Hindernisse und Auffahren auf unbeleuchtete Hindernisse oder Fahrzeuge bei Dunkelheit
Zum Sachverhalt: Der Bekl. kam mit seinem Pkw bei nächtlicher Fahrt auf der Autobahn, ohne Gegenverkehr und vorausfahrenden Verkehr gehabt zu haben, plötzlich nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr noch etwa 100 m auf dem rechten Grasstreifen und prallte dann gegen den Betonsockel eines Hinweisschildes. Durch den Anprall wurden alle vier Insassen, darunter die Kl., schwer verletzt. Unstreitig fuhr der Bekl. nur mit Abblendlicht und etwa 100 km/h. Er behauptet, er habe einem Hindernis, wohl einem Wild, ausweichen müssen, das sich etwa 80 m vor ihm auf der Fahrbahn bewegt habe.
Die KI. hat den Bekl. wegen schuldhaft verursachter Körperverletzung auf Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung für allen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden in Anspruch genommen. Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt; seine Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Nach § 3 I 3 StVO war der Bekl. gehalten, nur so schnell zu fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten konnte. Dies gilt grundsätzlich auch auf Fernstraßen (OLG Celle, VersR 1974, 1087) und auf Bundesautobahnen (OLG Hamburg, VersR 1987, 1206 und Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 30. Aufl. [1989], § 3 StVO Rdnr. 15). Nun bestimmt aber § 18 VI StVO für bestimmte Umstände, dass der auf der Bundesautobahn mit Abblendlicht Fahrende seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts anzupassen braucht. Die hier genannten beiden Fälle liegen jedoch unstreitig nicht vor, denn es fuhren keine Fahrzeuge vor dem Bekl., an deren Schlussleuchte er sich hätte orientieren können, noch war die Fahrbahn durch andere Lichtquellen ausgeleuchtet, die das rechtzeitige Erkennen eines Hindernisses möglich machten.
Da der Bekl. ohne jedes Erfordernis mit Abblendlicht fuhr, musste er deshalb mit einer solch mäßigen Geschwindigkeit fahren, dass er jederzeit vor einem Hindernis anhalten konnte, was auch für die Nacht und für Bundesautobahnen gilt (vgl. etwa Jagusch/Hentschel, § 3 StVO Rdnrn. 25, 27; OLG Hamburg, VRS 50, 101; BGH, Betr 1976, 1106; OLG Koblenz, VRS 72, 461 = StVE § 3 StVO Nr. 87; insb. OLG Düsseldorf, DAR 1977, 186). Mit nächtlichem Wildwechsel muss auch an nicht so gekennzeichneten Stellen gerechnet werden, wobei eine Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h als zu hoch zu bezeichnen ist (Jagusch/Hentschel, § 3 StVO Rdnr. 28). Es kommt nachteilig hinzu, dass bei Fahren mit Abblendlicht, wenn nicht ein Fall des § 18 VI StVO vorliegt, bei asymmetrischem Licht in der geringeren Reichweite des Lichtes des linken Scheinwerfers Anhaltemöglichkeit bestehen muss; der Sachverständige hat diese Entfernung mit 35 m angegeben. Nachdem der Bekl. die Erkennungsentfernung mit 80 m und der Zeuge E mit 50 m angegeben haben, ist es für die Schuldfeststellung unerheblich, ob bei beladenem Pkw die Scheinwerfer weiter hinaus leuchten oder nicht, zumal der Fahrer solchenfalls auch einkalkulieren müsste, dass der Bremsweg bei voll beladenem Pkw erheblich länger ist.... Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei Fahren mit Abblendlicht eine Geschwindigkeit von 60 km/h und mehr, insb. von mehr als 80 km/h als grobes Verschulden anzusehen ist (vgl. BGH, VerkMitt 1%3, 35; BAG, DAR 1962, 274; Jagusch/Hentschel, § 3 StVO Rdnr. 35). ..."