Das Verkehrslexikon

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OVG Bremen Beschluss vom 16.03.2005 - 1 S 58/05) - Keine Erteilung der Fahrerlaubnis nach Substitutionsbehandlung ohne MPU und Therapieteilnahme

OVG Bremen v. 16.03.2005: Keine Erteilung der Fahrerlaubnis nach Substitutionsbehandlung ohne MPU und Therapieteilnahme


Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss vom 16.03.2005 - 1 S 58/05) hat entschieden:
Ein ehemaliger Heroinabhängiger, der mit Methadon substituiert wird, ist erst dann wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Stabilisierung vorhanden sind. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn der Betroffene während der Substitutionsbehandlung Cannabispflanzen anbaut und sich einer in einem MPU-Gutachten empfohlenen mindestens einjährigen Therapie nicht unterzogen hat.


Siehe auch Drogen-Substitution (Methadon - Subutex - Buprenorphin) und Drogen im Fahrerlaubnisrecht


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Klageverfahren 8 K 866/03 zu Recht abgelehnt.

Prozesskostenhilfe kann nur bewilligt werden, wenn die Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussichten bietet (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Das ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdevortrag und der sonstige Akteninhalt rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis voraussichtlich erfolgreich sein wird. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen, also April 2003. Es erscheint überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen war.

Gemäß § 46 Abs. 1 FeV hat die Straßenverkehrsbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Wer von Betäubungsmitteln i. S. des Betäubungsmittelgesetzes abhängig ist, ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.3).

Der Kläger war in der Vergangenheit heroinabhängig. Er wird seit Februar 1996 mit Methadon substituiert.

In den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin bei den Bundesministerien für Verkehr und für Gesundheit (Bergisch Gladbach, Februar 2000) wird ausgeführt, dass ein Heroinabhängiger, der mit Methadon substituiert wird, im Hinblick auf eine hinreichend beständige Anpassungs-und Leistungsfähigkeit in der Regel nicht geeignet sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. Nur in Ausnahmefällen sei eine positive Beurteilung möglich, wenn besondere Umstände dies im Einzelfall rechtfertigten. Die Leitlinien zählen dazu verschiedene Kriterien auf, die für einen derartigen Ausnahmefall sprechen können (S. 44).

Die Begutachtungs-Leitlinien beruhen ersichtlich auf der Erwägung, dass eine Methadon-Substitution für sich allein noch nicht das Suchtpotential, das in der Heroinabhängigkeit zum Ausdruck gekommen ist, beseitigt. Die weiteren Kriterien, deren Erfüllung verlangt wird, stellen dementsprechend maßgeblich darauf ab, ob - überprüfbare - Anhaltspunkte für eine psychische Stabilisierung vorliegen, die einen grundlegenden Einstellungswandel des Betreffenden erkennen lassen.

Ob solche Sachverhalte nur in „seltenen“ Ausnahmefällen gegeben sind, wovon die Leitlinien offenbar ausgehen, könnte fraglich sein. Das kann hier aber dahinstehen. Denn jedenfalls sind Anhaltspunkte, die den grundlegenden Ansatz der Leitlinien in Zweifel ziehen, nicht erkennbar.

Danach kann im Falle des Klägers nicht angenommen werden, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids eine psychische Stabilisierung, die eine hinreichend verlässliche Überwindung des Suchtpotentials beinhaltete, eingetreten war. Im Einzelnen ergibt sich das aus Folgendem:

Beim Kläger sind anlässlich einer am 06.08.2001 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung (Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 28.05.2001) in erheblichem Umfang Cannabispflanzen/Cannabiskraut vorgefunden worden. Eine plausible Erklärung dafür hat er nicht nennen können. Dass auf diese Weise Cannabis für den Eigenkonsum gewonnen werden sollte, ist zumindest ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Nach den Begutachtungs-Leitlinien ist die Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen ein Kriterium, das die Verlässlichkeit eines Einstellungswandels anzeigt. Dies leuchtet unmittelbar ein. Wer als ehemaliger Heroinabhängiger während einer Methadon-Substitution andere Rauschmittel einnimmt, zeigt, dass er sein Suchtpotential gerade nicht beherrscht. Das Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung lässt damit Zweifel an einer ausreichenden psychischen Stabilisierung des Klägers aufkommen.

Diese Zweifel werden durch das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung, der der Kläger sich am 22.01.2002 unterzogen hat, gestützt (Gutachten vom 13.02.2002). Die Gutachter sind aufgrund des Untersuchungsgesprächs zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger bislang keine ausreichende Auseinandersetzung mit der eigenen Drogenabhängigkeit erfolgt ist. Sie begründen dies im Einzelnen schlüssig und nachvollziehbar. Die Gutachter haben dem Kläger aus diesem Grund empfohlen, „der bei einer Methadon-Substitutionsbehandlung gestellten Forderung nach einer mindestens einjährigen die Substitutionsbehandlung begleitenden regelmäßigen Therapie (z. B. Gesprächstherapie) zur Aufarbeitung der Suchtproblematik nachzukommen“. Dieser Empfehlung ist der Kläger nicht gefolgt.

Eine hinreichend verlässliche Überwindung der Drogenabhängigkeit kann unter diesen Umständen - bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt - nicht angenommen werden. ..."







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