Das Verkehrslexikon

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Totalschaden, Wiederbeschaffungswert und Differenzbesteuerung

Totalschaden, Wiederbeschaffungswert und Differenzbesteuerung


Siehe auch Totalschaden und Umsatzsteuerersatz - Differenzbesteuerung




Seit dem 01.08.2002 gilt das neue Schadensersatzrecht. Ein wesentlicher Punkt des Schadensrechtsänderungsgesetzes war die Novellierung des § 249 BGB. Die Bestimmung wurde durch folgenden Satz ergänzt:
"Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist."
Wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn bei einer Vergleichsrechnung der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (ohne Berücksichtigung des Restwerts) niedriger ist als die Reparaturkosten.


Will der Geschädigte den Schaden fiktiv bzw. abstrakt - d.h. ohne den Nachweis einer konkreten Schadensbeseitigung durch Kauf eines Ersatzfahrzeugs oder Durchführung der Reparatur - abrechnen, dann muss auch der Restwert des Fahrzeugs in beschädigtem Zustand in diese Vergleichskontrollberechnung einbezogen werden.

Ergibt sich, dass die Summe aus Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert niedriger ist als die Reparaturkosten, so besteht ein Anspruch gegen den Schädiger lediglich in Höhe dieses niedrigeren Betrages. Sind die Reparaturkosten niedriger als die Summe aus Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, besteht ein Anspruch nur auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten.

In beiden Fällen steht dem Geschädigten nur der Nettobetrag zu, eine im Wiederbeschaffungswert oder in den geschätzten Reparaturkosten enthaltene Umsatzsteuer wird im Falle fiktiver Schadensabrechnung nicht erstattet, da sie ja tatsächlich nicht aufgewendet wird, also nicht angefallen ist.

Wie hoch ist nun aber im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens eines gebrauchten Fahrzeugs der Umsatzsteuerbetrag, der dem fiktiv abrechnenden Geschädigten vom Brutto-Wiederbeschaffungswert abgezogen werden darf?

Wie hoch der Umsatzssteueranteil bei einem konkreten Kauf von einem Gebrauchtwagenhändler ist, hängt davon ab, wie der Händler das Fahrzeug erworben hat.

Erwirbt der Händler das Fahrzeug von einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer oder Unternehmen (z.B. einem Rechtsanwalt oder einem Mietwagenunternehmen), setzt der Händler die vom Unternehmer ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Beim Weiterverkauf an den Geschädigten muss der Händler die Umsatzsteuer gemäß § 10 UStG in Höhe von 16 % ausweisen und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.

Nimmt der Händler das Fahrzeug jedoch von einem nicht gewerblich tätigen privaten Verbraucher in Zahlung, kann er beim Einkauf keine Vorsteuer absetzen. Beim Verkauf an den Geschädigten braucht der Händler dann gemäß § 25a UStG keine Umsatzsteuer auszuweisen, an das Finanzamt muss er nur die 19 % Umsatzsteuer aus seinem Gewinn abführen (sog. Differenzbesteuerung). Zur Berechnung dieser Umsatzsteuer müsste der Gewinn des Händlers durch 119 dividiert werden und das Ergebnis mit 19 multipliziert werden.

Da der konkrete Gewinn eines jeden konkreten Händlers bei der fiktiven Schadensabrechnung eine unbekannte Größe ist, hat es sich angeboten, von durchschnittlichen Differenzsteuerbeträgen auszugehen. Diese lagen bei einer Umsatzbesteuerung von 16 % bei etwa 2 bis 2,3 %, nach der Erhöhung der gesetzlichen Umsatzsteuer auf 19 % kann von einer Gewinnbesteuerung von etwa 2.5 % ausgegangen werden.

Das bedeutet, dass die Versicherung des Schädigers bei fiktiver Schadensabrechnung den vom Sachverständigen ermittelten Brutto-Wiederbeschaffungswert um 2.5 % darin enthaltene Umsatzsteuer vermindern darf. Das trifft in jedem Fall auf entsprechende Vorschusszahlungen der Versicherung zu.

Weist der Geschädigte dann jedoch nach, dass er bei einem gewerblichen Händler ein Fahrzeug erworben und dafür mindestens einen Preis in Höhe des Brutto-Wiederbeschaffungswertes seines beschädigten Wagens aufgewendet hat, dann müssen ihm auch diese 2,5 % ersetzt werden.

Anzumerken ist noch, dass gerade bei älteren Fahrzeugen es häufiger vorkommt, dass geeignete Ersatzfahrzeuge sowohl von Händlern (differenzbesteuert) wie auch von privat (dann ohne jegliche Umsatzsteuer) angeboten werden. In einem solchen Fall kann ohne konkreten Kaufnachweis von einem Händler die Umsatzsteuer eben wie beschrieben abgezogen werden. Handelt es sich aber bei dem beschädigten Fahrzeug um ein derart altes Modell, dass dafür ein gewerblicher Händlermarkt gar nicht mehr besteht, dann ist auch kein Abzug des Differenzsteuersatzes von 2,5 % zulässig.

So hat der BGH VersR 2005, 994 f. = NJW 2005, 2220 ff. (Urt. v. 01.03.2005 - VI ZR 91/04) entschieden:
Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-) Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-) Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges - unter Abzug des Restwertes - ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-) Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 20. April 2004 VI ZR 109/03 BGHZ 158, 388 und vom 18. Mai 2004 VI ZR 267/03 VersR 2004, 927).
Weiter geht insofern das OLG Frankfurt am Main DAR 2006, 156 ff. (Urt. v. 25.11.2005 - 24 U 138/05):
Wird ein 7 Jahre altes Fahrzeug, dessen Verkehrswert auf einen Bruchteil des Neuwertes gesunken ist, durch einen Unfall zerstört, so ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug im Allgemeinen auf dem privaten Markt gesucht werden wird. Der Wiederbeschaffungswert ist deshalb nicht um einen Umsatzsteueranteil zu vermindern.
Das Gericht hat im konkret entschiedenen Fall, in dem der Geschädigte keinen Ersatzkauf nachgewiesen hatte, auch bei abstrakter Abrechnung keinen Differenzbesteuerungsabzug für zulässig gehalten.



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