Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Lüdinghausen Urteil vom 11.07.2005 - 10 OWi -73/05 - Zur Unzulässigkeit eines Elefantenrennens über eine Strecke von 1200 Metern
AG Lüdinghausen v. 11.07.2005: Zur Unzulässigkeit eines Elefantenrennens über eine Strecke von 1200 Metern
Das Amtsgericht Lüdinghausen (Urteil vom 11.07.2005 (10 OWi 89 Js 841/05 -73/05) hat entschieden:
Bei einer LKW-typischen Geschwindigkeit des überholten LKW reicht es für die Feststellung einer nicht ausreichenden Differenzgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs aus, festzustellen, dass der Überholvorgang etwa 1200 m dauerte. Die Feststellung tatsächlich gefahrener Geschwindigkeiten ist nicht erforderlich.
Siehe auch Überholen allgemein und Stichwörter zum Thema Überholen
Zum Sachverhalt: Am 13. 12. 2004 gegen 10:50 Uhr befuhr der Betr. als Führer eines Sattelzuges die BAB 1. Hier begann er mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h ein Überholmanöver, in dessen Rahmen er zwei LKW überholte. Das Überholmanöver zog sich etwa über 1200 Meter hin.
Das AG verurteilte den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 StVO zu einer Geldbuße von 40,00 €.
Das OLG Hamm hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Beschluss vom 23.11.2005 - 4 Ss Owi 742/05 - verworfen, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen hatte:
"Da das AG den Betr. zu einer Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 2 Nr.- 1 OWiG wegen der Anwendung von materiellen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
Indessen zeigt die Sachrüge keine Gesichtspunkte auf, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts geboten erscheinen lassen könnten. Es ist in der Rspr. entschieden. dass lediglich dann, wenn der Über-holte eine Geschwindigkeit von 40 km/h einhält, eine Geschwindigkeitsdifferenz des Überholers von 10 km/h ausreichend ist, diese ansonsten jedoch erheblich darüber liegen muss, weil es nicht nur auf die absoluten bzw. relativen Geschwindigkeitsunterschiede ankommt, sondern darauf. ob nach den Um-ständen des Einzelfalls der Überholvorgang sich zu sehr in die Länge zieht und hierdurch den übrigen Verkehr über Gebühr behindert, wobei ein Überholvorgang von 20 Sekunden allerdings nicht in jedem Fall als ungebührlich lange angesehen werden kann (BGH VM 59. 14: BayObLG DAR 1961, 204 f). Bereits nach diesem Maßstab lässt sich aufgrund der tatsächlichen Feststel-lungen des AG eine erhebliche Geschwindigkeitsdifferenz verneinen, weil das nachfolgende Polizeifahrzeug auf mindestens 1.000 m. für die das Fahrzeug des Betr., auch bei der von ihm behaupteten Geschwindigkeit von 90 km/h, 40 Sekunden benötigte. am Überholen gehindert war und die von dem Betr. gefahrene Geschwindigkeit in Anlehnung an die für den Verkehr innerorts entwickelten Grundsätze nicht zumindest 25% über der des mit 75 km/h fahren-den, überholten Verkehrs - das wären 93.75 km/h gewesen - lag."
Aus den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils:
"... Widerlegt wurde die Aussage (des Betroffenen) durch die Ausführungen des Zeugen B., der dem Gericht seit vielen Jahren als zuverlässiger Beamter der Autobahnpolizei in M. bekannt ist. Der Zeuge B. erklärte, dass die Messstrecke damals seiner Erinnerung nach etwa 1200 Meter betragen habe. Er schließe dies daraus, dass er anhand der sich auf der rechten Fahrbahnseite der Autobahn befindlichen Kilometermarkierungen eine „Beobachtungsstrecke” von 1000 Metern gesetzt habe, die er abgefahren habe. Er habe dann nicht sofort seine Feststellungen beendet, sondern sei noch ein Stück weiter gefahren, vielleicht die angegebenen weiteren 200 Meter. Da der Zeuge B. für die Richtigkeit dieser Angaben ausdrücklich Gewähr übernahm, hielt das Gericht den Betr. für überführt, trotz nicht wesentlich höherer Geschwindigkeit als die des -über-holten Fahrzeugs mit dem eigenen Fahrzeug überholt zu haben. Das Gericht hat insoweit zusätzlich noch das Fahrtenschreiberschaublatt vom Tattage in Augenschein genommen, welches ebenfalls vor Ort durch den Zeugen B. kontrolliert worden war. Der Zeuge B. konnte sich hieran noch erinnern. Tatsächlich ließ sich auf der Rückseite des Schaublattes des EG-Kontrollgerätes die Unterschrift des Zeugen B. finden. Die Schaublattscheibe wurde dergestalt ausgewertet, dass sie zunächst im Original in Augenschein genommen wurde und in Originalgröße kopiert wurde. Sodann wurden Vergrößerungen der Tatzeit von 200% und von 400% gefertigt und wiederum in Augenschein genommen. Es ist hier im Bereich von etwa 10:47 Uhr eine Geschwindigkeitsspitze von etwa 90 km/h erkennbar. Bei dieser Geschwindigkeitsspitze könnte es sich gegebenenfalls um den Überholvorgang handeln, der von dem Angekl. und dem Zeugen B. geschildert wurde. Soweit im Übrigen durch den Verteidiger beantragt wurde, ein Sachverständigengutachten einzuholen „hinsichtlich von Geschwindigkeitsspitzen” erschien dies nicht zur Erforschung der Wahrheit nach pflichtgemäßen Ermessen erforderlich zu sein. Insoweit ist anerkannt, dass das Gericht Schaublätter aus EG-Kontrollgeräten selbst auswerten darf, hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit, insbesondere hinsichtlich Geschwindigkeitsspitzen. Im Übrigen war nicht ersichtlich, was Geschwindigkeitsspitzen im Hinblick auf die Dauer eines Überholvorganges bzw. Differenzgeschwindigkeiten insoweit aussagen könne.
...
Das Gericht erhofft sich angesichts der steigenden Bedeutung derartiger Verstöße und steigender Häufigkeit deren Ahndung die Zulassung der Rechtsbeschwerde. damit für zukünftige Fälle klar ist, ob Feststellungen im vorgenannten Umfang für eine Verurteilung ausreichen oder ob es gegebenenfalls weiterer konkreter Feststellungen bedarf. ..."