Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Lüdinghausen Urteil vom 19.12.2005 - 10 Owi 89 Js 2124/05 - Zum Elefantenrennen und zum Messverfahren VAMA

AG Lüdinghausen v. 19.12.2005: Zum Elefantenrennen und zum Messverfahren VAMA


Das Amtsgericht Lüdinghausen (Urteil vom 19.12.2005 - 10 Owi 89 Js 2124/05) hat entschieden:
  1. Ein Geschwindigkeitsüberschuss von 9,8 km/h stellt beim Überholen eines Lkw auf einer Bundesautobahn jedenfalls bei hohem Verkehrsaufkommen nicht eine "wesentlich höhere Geschwindigkeit" dar.

  2. Zu den Besonderheiten der Messung der Differenzgeschwindigkeit durch ein Messverfahren (hier: VAMA), das durch in dem Verfahren selbst enthaltene Toleranzen das überholende und das überholte Fahrzeug "verlangsamt".

Siehe auch Die Video-Messanlage VAMA - Brückenabstandsmessverfahren und Überholen allgemein


Zum Sachverhalt:

Der Betroffene befuhr mit einem Lkw des Typs DAF die Autobahn. Er führte ein Überholmanöver durch, welches sich über mindestens 500 m hinzog. Dabei versuchte er, zwei andere Lkw zu überholen. Der vordere der beiden auf der rechten Fahrbahn fahrende Lkw fuhr dabei mit einer zu Gunsten des Betr. gerechneten Geschwindigkeit von 78 km/h. Der Betr. fuhr mit einer zu seinen Gunsten gerechneten Geschwindigkeit von 87,80 km/h.

Der Verteidiger hat die Fahrereigenschaft für den Betr. zugestanden.

Im Übrigen beruhten die Feststellungen des Gerichtes auf der Aussage des Polizeibeamten F, der Inaugenscheinnahme eines Videofilmes des Vorfalls und des urkundsbeweislich verlesenen Eichscheines bzw. des Einsatzprotokolls des Vorfalls.

Die Messung hat stattgefunden mit dem so genannten „VAMA-System”. Es handelt sich hierbei um ein standardisiertes Messverfahren zur Geschwindigkeits- und Abstandsmessung. Das fragliche Messgerät war ausweislich des Eichscheines gültig geeicht. Der Zeuge F konnte den ordnungsgemäßen Einsatz des Gerätes bezeugen, welcher auch durch das Einsatzprotokoll, welches urkundsbeweislich verlesen wurde, bestätigt wurde.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die einzelnen Geschwindigkeitswerte konnten anhand des Videobandes und anhand zweier Videoprints, welche begleitend zu dem Videoband in Augenschein genommen wurden, festgestellt werden.

Aus dem Videoband ergab sich, dass das überholte Fahrzeug im Messbereich 78 km/h gefahren ist, wobei die Messungen derart erfolgten, dass - wie im VAMA-Verfahren üblich - das zu messende Fahrzeug zunächst noch vor der ersten durchfahrenden Linie gestoppt wurde und dann nach Überfahren der zweiten Linie mit dem Vorderrad des Fahrzeuges nochmals gestoppt wurde. Durch die tatsächlich längere Strecke, die im Rahmen der Zeitfeststellung durchfahren wurde kommt es zu einer künstlichen Verlangsamung des überholten Fahrzeuges und dementsprechend zu der erforderlichen Toleranz des VAMA-Verfahrens. Hieraus ergibt sich eine Geschwindigkeit für das überholte Fahrzeug von eben zu Gunsten des Betr. gemessenen 78 km/h. Das Fahrzeug des Betr. selbst konnte nicht mit den gleichen Messpositionen gemessen werden. Auch insoweit hat die Polizei Videoprints zu der Akte gegeben, die ebenfalls in Augenschein genommen wurden. Da das VAMA-Verfahren hier das Fahrzeug des Betr. ebenfalls und nun mehr zu seinem Nachteil künstlich verlangsamt hätte, konnten diese Prints und die hieran ermittelte Geschwindigkeit von 82 km/h nicht dem Urteil zu Grunde gelegt werden. Vielmehr hat das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung den Videofilm nochmals eingehend in Augenschein genommen und den Zeitpunkt ermittelt, an dem das Fahrzeug des Betr. mit der Vorderachse bereits die erste Linie des Messbereiches überschritten hat und ferner als zweiten Punkt den Zeitpunkt, an dem die Vorderachse des Fahrzeugs des Betr. unmittelbar davor ist, die zweite Messlinie zu übertreten, sodass in jedem Falle eine geringere Fahrstrecke als 50 m als Messentfernung für die Geschwindigkeit des Betr. zu Grunde gelegt wurden mit der Folge einer „künstlichen” Beschleunigung des Fahrzeuges des Betr.

Angesichts der beiden Zeitwerte von 2:51:13:82 und 2:51:15:93 konnte lediglich eine Geschwindigkeit von 87,80 km/h festgestellt werden, die als Überholgeschwindigkeit auf der Bundesautobahn nicht ausreichte, zumal - wie der Videofilm im Rahmen der in Augenscheinnahme zeigte - zur Tatzeit ein hohes Verkehrsaufkommen herrschte, auch wenn sich hinter dem Fahrzeug des Betr. noch keine Fahrzeugschlange gebildet hatte. Das Videoband, welches nach Aussagen des Zeugen F eine Einsichtsmöglichkeit von 450 bis 500 m Entfernung auf die Autobahn ermöglicht, zeigt das Fahrzeug des Betr. auch im gesamten sichtbaren Bereich neben dem überholten Fahrzeug, ohne das sich sichtbar Geschwindigkeitsänderungen der Fahrzeuge ergeben oder sich die Position der Fahrzeuge zueinander irgendwie ändert.

Folgerichtig war der Betr. wegen fahrlässigen Überholens trotz nicht ausreichender Überholgeschwindigkeit gemäß §§ 5 II, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen. ..."



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