Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 27.09.2005 - 3 Ss OWi 355/0 - Zur Unterbrechung der Verjährung durch Akteneinsicht im Vorverfahren

OLG Hamm v. 27.09.2005: Zur Unterbrechung der Verjährung durch Akteneinsicht im Vorverfahren


Das OLG Hamm (Beschluss vom 27.09.2005 - 3 Ss OWi 355/05) hat zur Verjährungsunterbrechung durch Akteneinsicht im Vorverfahren entschieden:
Zur Unterbrechung der Verjährung, wenn dem vom Betroffenen bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht gewährt wird.


Siehe auch Verjährung


Aus den Entscheidungsgründen:

"... 1. Eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses des Eintritts der Verfolgungsverjährung kommt vorliegend allerdings nicht in Betracht. Denn entgegen der Ansicht der Verteidigung war die Verfolgung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit vom 06.07.2004 zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides des Kreises Herford am 07.10.2004 noch nicht verjährt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der an den Betroffenen persönlich gerichtete Anhörungsbogen vom 15.07.2004 für diesen hinreichend deutlich erkennen ließ, dass sich das Verfahren primär gegen ihn als Betroffenen richtete, weil die darin befindliche Anrede lautet: "Ihnen bzw. dem/der Führer/Führerin ihres Kraftfahrzeuges wird vorgeworfen ...", und der Anhörungsbogen außerdem für den Fall, dass der Angesprochene die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben sollte, eine Zeugenbelehrung erteilt. Denn die Verjährung ist im vorliegenden Verfahren jedenfalls durch die Übersendung der Akten an den Verteidiger des Betroffenen zur Einsichtnahme gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden. In dieser Übersendung lag die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist. Der Verteidiger des Betroffenen war auch bevollmächtigt, Mitteilungen für den Betroffenen entgegenzunehmen. Denn Rechtsanwalt K. hatte sich mit Schreiben vom 26.07.2004 bei dem Kreis Herford unter Angabe des in dem Anhörungsschreiben aufgeführten Aktenzeichens gemeldet und angezeigt, dass er in der vorbezeichneten Angelegenheit den Betroffenen vertrete. Diesem Schreiben war eine von dem Betroffenen unterzeichnete Vollmacht vom 23.07.2004 beigefügt, und zwar eine Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung in Sachen des Betroffenen wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 06.07.2004. Außerdem war in dieser Vollmachtsurkunde u.a. ausgeführt, dass die Vollmacht insbesondere zur Akteneinsicht ermächtigt. Mit Schriftsatz vom 06.07.2004 hatte der Verteidiger ausdrücklich namens und in Vollmacht seines Mandanten um Akteneinsicht gebeten. Die Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens konnte daher auch im Wege der Aktenübersendung an den damals zur außergerichtlichen Vertretung bevollmächtigten Verteidiger des Betroffenen erfolgen. Diese Art der Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, ist im Übrigen nicht an eine bestimmte Form oder einen bestimmten Inhalt gebunden; es muss für den Betroffenen lediglich ersichtlich sein, dass und wegen welcher Handlungen gegen ihn Ermittlungen geführt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.1988 - 2 Ss OWi 466/88 - m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Bußgeldbehörde hat unter dem 20.09.2004 - und damit vor Eintritt der Verfolgungsverjährung - die Übersendung der Akten an die damaligen außergerichtlichen Vertreter und jetzigen Verteidiger des Betroffenen verfügt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich in den Akten bereits der von dem Verteidiger des Betroffenen zurückgesandte Anhörungsbogen vom 15.07.2004, aus dem sich die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit ergab, die den Betroffenen darstellenden Lichtbilder, das Schreiben des Kreises Herford vom 27.07.2004 an das Einwohnermeldeamt der Stadt Enger mit der Bitte um Übersendung einer Kopie des Personalausweises bzw. des Reisepasses des ausdrücklich als solchen bezeichneten Betroffenen sowie das durch das Einwohnermeldeamt an die Bußgeldbehörde übersandte Ausweisfoto des Betroffenen. Darüber hinaus heißt es in dem Anschreiben der Bußgeldbehörde vom 20.04.2004 an die Verteidiger des Betroffenen:
"Betr.: Verkehrsordnungswidrigkeit(en); hier: Einsicht in die Akte des Betroffenen D.S.".
Angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung des vorgenannten Akteninhalts war zweifelsfrei erkennbar, dass sich das Ermittlungsverfahren wegen der im Anhörungsbogen beschriebenen Verkehrsordnungswidrigkeit gegen den Betroffenen als Täter richtete.

In der Folgezeit ist die Verfolgungsverjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheides vom 07.10.2004 gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Die Zustellung des Bußgeldbescheides an die damals von dem Betroffenen bevollmächtigten Rechtsanwälte der Anwaltssozietät G. und. L. in B. am 21.07.2004 ist wirksam erfolgt. Gemäß §§ 8 Abs. 1 VwZG, 1 Abs. 1 LZG NRW, können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Die von dem Betroffenen beauftragten Rechtsanwälte waren zur außergerichtlichen Vertretung des Betroffenen in dem Verfahren wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 06.07.2004 bevollmächtigt worden. Bestellt jemand im Verwaltungsverfahren einen Bevollmächtigten, dann ermächtigt er diesen in der Regel zugleich offiziell, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Weil der Vollmachtsgeber grundsätzlich nicht persönlich erscheinen will, sollen Zustellungen auch nicht an ihn gerichtet werden (vgl. Sadler, Verwaltungszustellungsgesetz, 5. Aufl., § 8, Rdnr. 6). Dies gilt erst recht, wenn, wie es hier der Fall ist, wegen der erforderlichen Sachkunde zur Regelung der Angelegenheit Rechtsanwälte beauftragt werden. Im vorliegenden Falle kommt hinzu, dass nicht der Betroffene selbst, sondern in seinem Auftrag die von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälte den von den Betroffenen ausgefüllten Anhörungsbogen an die Bußgeldbehörde zurückgesandt haben und dass der Betroffene in dem Anhörungsbogen selbst ausführt, dass eine Stellungnahme zur Sache nach Akteneinsicht durch Rechtsanwalt Kröhnert erfolgen werde. Auch diese Umstände sprechen dafür, dass der Betroffene durch seine Bevollmächtigung die außergerichtliche Regelung der hier in Rede stehenden Verkehrsordnungswidrigkeit insgesamt auf die von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälte übertragen wollte und diese deshalb auch zustellungsbevollmächtigt sein sollten. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die in der Vollmachtsurkunde erteilte Aufstellung von Befugnissen der bevollmächtigten Rechtsanwälte eine Zustellungsvollmacht nicht ausdrücklich erwähnt. Denn die vorgenannte Aufstellung wird in der Vollmachtsurkunde mit den Worten: "Die Vollmacht ermächtigt insbesondere," eingeleitet und ist damit ersichtlich nicht abschließend. ..."







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