Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 02.08.2005 - 3 Ws (B) 72/05 - Bei EDV-Verarbeitung ein OWi-Sache kommt es auf eine Unterzeichnung durch den Sachbearbeiter nicht an

KG Berlin v. 02.08.2005: Bei EDV-Verarbeitung ein OWi-Sache kommt es auf eine Unterzeichnung durch den Sachbearbeiter nicht an


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 02.08.2005 - 3 Ws (B) 72/05) hat entschieden:
Erfolgt die Anordnung der Anhörung des Betroffenen nicht durch eine schriftliche Anordnung oder Entscheidung, sondern ausschließlich durch Eingabe des zuständigen Sachbearbeiters in die Datenverarbeitungsanlage der Bußgeldstelle, bei der eine Unterschrift naturgemäß nicht möglich und für die Wirksamkeit auch gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, dann kommt es für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nicht auf die Unterzeichnung durch den zuständigen Sachbearbeiter an.


Siehe auch Verjährung


Zum Sachverhalt: Der Polizeipräsident hat gegen den Betr. wegen Zuwiderhandlung gegen §§ 37 Abs. 2 (genauer: Nr. 1 Satz 7). 49 (genauer: Abs. 3 Nr. 2) StVO nach § 24 StVG eine Geldbuße von 150 Euro verhängt und gern. § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet.

Auf den Einspruch des Betr. hat das AG das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung gem. §§ 46 OWiG.. 260 Abs. 3 StPO durch Urteil eingestellt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Entgegen der vom AG vertretenen Ansicht steht der Ahndung der dem Betr. vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung nicht entgegen. Die Verfolgungsverjährung der am 2. 10. 2003 begangenen Tat ist vielmehr jeweils vor Eintritt der Verjährung unterbrochen worden, und zwar zunächst durch die Verfügung der ersten Anhörung des Betr. am 18. 12. 2003.

Zwar existiert insoweit keine schriftliche Verfügung des zuständigen Sachbearbeiters, weil Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten in Berlin seit geraumer Zeit in Form der „elektronischen Akte” bearbeitet werden. Dabei werden sämtliche schriftlichen Eingänge mittels eines Scanners in elektronischer Form speicherbare Daten umgewandelt und in der EDV-Anlage gespeichert. Alle Verfügungen der Sachbearbeiter werden unmittelbar durch Eingabe in die elektronische Datenverarbeitungsanlage getroffen. Eine Akte im herkömmlichen Sinne existiert nicht, solange das Verfahren bei der Bußgeldstelle bearbeitet wird. Eine solche wird nur erstellt, wenn das Verfahren nach einem Einspruch des Betr. gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid an das zuständige AG abgegeben wird. Dazu werden alle in elektronischer Form gespeicherten Daten durch Ausdruck in die Schriftform gebracht.

Die Verfügung der Anhörung des Betr. ist nach dessen Ermittlung am 18. 12. 2003 durch Eingriff des zuständigen Sachbearbeiters der Bußgeldstelle in den Ablauf des Programms der elektronischen Datenverarbeitungsanlage veranlasst worden. Dies ergibt sich aus einem bei den Akten befindlichen Ausdrucks der Speicherung dieses Eingriffs. Entgegen der von Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Ansicht kommt es für die Wirksamkeit der Unterbrechungshandlung vorliegend nicht auf die - hier nicht erfolgte - Unterzeichnung durch den zuständigen Sachbearbeiter an.

Der insoweit in Bezug genommene § 33 Abs. 2 Satz 1 OWiG regelt nur den Fall der schriftlichen Anordnung oder Entscheidung und bestimmt nur für diesen, dass die Verjährung zum Zeitpunkt der Unterschrift unterbrochen wird. Vorliegend erfolgte die Anordnung der Anhörung des Betr. jedoch nicht durch eine schriftliche Anordnung oder Entscheidung, sondern ausschließlich durch Eingabe des zuständigen Sachbearbeiters in die Datenverarbeitungsanlage der Bußgeldstelle, bei der eine Unterschrift naturgemäß nicht möglich und für die Wirksamkeit auch gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Da die Unterbrechungshandlungen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG an keine bestimmte Form gebunden sind, reicht es aus, wenn sich für die Tatsache einer derartigen Unterbrechungshandlung, ihren Zeitpunkt und ihren Inhalt konkrete Anhaltspunkte aus dem Vorgang ergeben und die tatsächlichen Grundlagen der Unterbrechungshandlung im Freibeweisverfahren festgestellt werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 1. 12. 2000 - 3 Ws (B) 520/00 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend durch den von der Datenverarbeitungsanlage einschließlich der - verschlüsselten - Bezeichnung des ihn veranlassenden Mitarbeiters protokollierten Eingriffs des Sachbearbeiters gegeben.

Der hier vertretenen Rechtsansicht steht die Entscheidung des OLG Köln vom 2. 11. 1999 - Ss 472199 (B) - nicht entgegen. Denn anders als in dem dort entschiedenen (und weiteren ähnlichen) Fällen erfolgte die Bearbeitung des Bußgeldverfahrens vorliegend nicht in Form einer schriftlichen Akte mittels schriftlicher Verfügungen des Sachbearbeiters, der sich der EDV-Anlage als bloßer Schreibhilfe für seine schriftliche Verfügung bedient. Vielmehr erfolgte die Bearbeitung ausschließlich in elektronischer Form mittels elektronischer Speicherung der verfahrensrelevanten Vorgänge.

Weiterhin ist die Verjährung vor Erlass des Urteils am 15. 9. 2004 durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 20. 1. 2004, den Eingang der Akten bei dem AG am 26. 3. 2004, sowie die Anberaumungen von Hauptverhandlungsterminen am 31. 3. und 27. 8. 2004 jeweils rechtzeitig unterbrochen worden. ..."







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