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OLG Dresden Beschluss vom 08.07.2005 - Ss (OWi) 801/04 - Die Abstandsmessung mit dem Gerät VIDIT VKS 3.01 ist ein standardisiertes Messverfahren
OLG Dresden v. 08.07.2005: Die Abstandsmessung mit dem Gerät VIDIT VKS 3.01 ist ein standardisiertes Messverfahren.
Das OLG Dresden (Beschluss vom 08.07.2005 - Ss (OWi) 801/04) hat zum Nachweis eines Abstandsverstoßes mittels des Verkehrsüberwachungsgeräts VKS des Herstellers VIDIT entschieden.
- Bei der Abstandsmessung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS, Softwareversion 3.01 des Herstellers VIDIT handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
- Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, dem eine Abstandsmessung mit diesem Gerät zugrunde liegt, muss der Tatrichter in den Urteilsgründen zur Messung grundsätzlich nur das angewendete Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit nebst Toleranzabzug sowie den ermittelten vorwerfbaren Abstandswert feststellen.
- Sicherheitsabschläge von dem festgestellten vorwerfbaren Abstandswert sind nicht generell veranlasst.
- Ausführungen zur Ordnungsgemäßheit des Messverfahrens muss der Tatrichter in den Urteilsgründen nur dann machen, wenn entweder konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen oder ein solcher von dem Betroffenen oder einem anderen Verfahrensbeteiligten behauptet werden.
Siehe auch Die Video-Messanlage VIDIT VKS und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren
Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger Verletzung der Vorschriften über den Abstand nach § 4 StVO" zu einer Geldbuße von 40,00 EUR verurteilt.
Nach den Feststellungen des Gerichts befuhr der Betroffene am 25. September 2003 mit einem Pkw die Bundesautobahn 13 in Fahrtrichtung Dresden ab Kilometer 130,0 auf der linken Fahrspur. 300 Meter weiter fuhr er in einen 111 Meter langen Messbereich ein, in dem eine Abstandsmessung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS, Softwareversion 3.01 des Herstellers VIDIT (im Folgenden: VKS 3.01) durchgeführt wurde. Die erste Messung wurde vier Meter nach Einfahren in den Messbereich durchgeführt und ergab einen Abstand zwischen der Vorderachse des Fahrzeugs des Betroffenen und der Vorderachse des vorausfahrenden Fahrzeugs von 26,3 Metern. Die zweite Messung wurde 29,2 Meter vor dem Ende des Messbereichs durchgeführt; hier betrug der Abstand zwischen den Vorderachsen der beiden Fahrzeuge 24,7 Meter. Die Länge des vorausfahrenden Fahrzeugs hat das Amtsgericht mit 2,3 Metern festgestellt und daraus einen tatsächlichen Abstand der Fahrzeuge von 24 Metern und 22,4 Metern errechnet. Die Entfernung zwischen den beiden Messpunkten legte der Betroffene in einer Zeit von 2,2 Sekunden, mithin mit einer Geschwindigkeit von 117 km/h zurück. Von diesem Wert hat das Gericht einen Toleranzabzug von 4 km/h vorgenommen und dem Betroffenen eine Unterschreitung des Abstandes von fünf Zehnteln des halben Tachowertes vorgeworfen.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er weitere Sicherheitsabschläge angestrebt hat, blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Frage, welche Anforderungen an ein tatrichterliches Urteil zu stellen sind, mit dem der Betroffene aufgrund einer Messung mit dem Verkehrsüberwachungsgerät VKS 3.01 zu einer Geldbuße verurteilt wird, ist - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen gewesen.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung gemäß § 24 StVG, §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 1 BKatV, Nr. 12.5. BKat in Verbindung mit Tabelle 2 lfd. Nr. 12.5.1 sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht.
1. Die Abstandsmessung mit dem Verfahren VKS 3.01 ist ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321). Danach muss die Messung nicht in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfinden. Vielmehr ist unter dem Begriff des standardisierten Messverfahrens ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321).
a) Das von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eichung zugelassene Gerät VKS 3.01 ermöglicht es, aus einer Videoaufzeichnung Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und deren Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen zu bestimmen. Während der Messung werden in der Regel mindestens zwei Videoaufzeichnungen vorgenommen. Mit der Tatvideoaufzeichnung wird die Abstands- und Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die Fahrervideoaufzeichnung dient der Fahreridentifizierung und der Kennzeichenerfassung. Die Messung und die Auswertung des Tatvideos werden dabei wie folgt durchgeführt:
Der auflaufende Verkehr wird in einem bestimmten Fahrbahnabschnitt mit einer Videokamera von einem festen, mindestens drei Meter über der Fahrbahnoberfläche liegenden Kamerastandpunkt aufgenommen. Während der Aufnahme wird das Videosignal kodiert. Der Kodierer zählt in dem Videosignal die einzelnen Videobilder (Voll- und Halbbild). Der zeitliche Abstand von zwei aufeinanderfolgenden Videohalbbildern beträgt 1/50 Sekunde. Die Auswertung des so kodierten Videobandes wird mittels eines Computersystems durchgeführt. Dabei wird die Perspektive im Videobild berechnet und eine perspektivische Transformation durchgeführt. Auf diese Weise können beliebige Punkte auf der Fahrbahnoberfläche digitalisiert und der zurückgelegte Weg eines Fahrzeuges sowie im Zusammenhang mit der Kodierung die Geschwindigkeit des Fahrzeuges berechnet werden.
Die Messung ist nur auf dafür eingerichteten Fahrbahnabschnitten möglich. Dabei werden auf der Fahrbahnoberfläche vier Punkte (Passpunkte) markiert, die ein Viereck aufspannen. Zusätzlich werden zwei Kontrollpunkte markiert. Die Pass- und Kontrollpunkte werden mit einem geeichten Längenmessgerät oder einem elektrooptischen Tachymeter vermessen. Beim Einrichten der Messstelle wird ein Referenzvideo aufgezeichnet. Die Aufstellhöhe der Kamera bei Erstellung des Referenzvideos wird dokumentiert und darf bei den späteren Tatvideoaufzeichnungen nicht unterschritten werden.
Das Tatvideo wird mit Hilfe eines Computerprogramms ausgewertet. Dabei wird zunächst die in der beschriebenen Weise eingerichtete Messstelle ausgewählt. Von der auswertenden Person werden sodann die Pass- und Kontrollpunkte der Messstelle mit Hilfe eines Fadenkreuzes im Tatvideobild anvisiert und digitalisiert. Das Programm berechnet die Perspektive und nimmt dabei eine interne Genauigkeitsberechnung vor. Erst wenn die zulässigen Toleranzen eingehalten sind, lässt das Programm eine weitere Auswertung der Videoaufzeichnung zu.
Die Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen werden im Tatvideo mit einer Messlinie durchgeführt. Die Messlinie ist eine in das Videobild gerechnete, quer zur Fahrbahn gelegte Linie. Sie lässt sich durch die auswertende Person auf dem Videomonitor dem Straßenverlauf folgend bewegen. Dabei werden die perspektivische Vorder- und Hinterkante der Messlinie bezogen auf eine Nullposition angezeigt. Für Berechnungen wird der jeweils für den Betroffenen günstigere Wert verwendet.
Für die konkrete Abstands- und Geschwindigkeitsmessung wird das Videobild angehalten und mit Hilfe der Messlinie der Aufsetzpunkt der Vorderachse des Fahrzeuges des Betroffenen auf der Fahrbahnoberfläche digitalisiert. Anschließend wird in demselben Videobild mit Hilfe der Messlinie der Aufstandspunkt der Vorderachse des vorausfahrenden Fahrzeugs digitalisiert. Das System errechnet den für den Betroffenen günstigsten Wert der Differenz zwischen den beiden Fahrzeugpositionen. Die Wiedergabe des Videobandes wird fortgesetzt, bis die Fahrzeuge eine Strecke von mindestens 25 Metern durchfahren haben. Nach erneutem Anhalten des Videobandes wird mit der Messlinie eine weitere Abstandsmessung durch Digitalisieren der Aufsetzpunkte der Vorderachsen durchgeführt. Nach dieser zweiten Abstandsmessung berechnet das System mit Hilfe des durch die Kodierung bekannten Zeitunterschiedes der beiden Messungen die Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen. Von der gemessenen Geschwindigkeit wird bei einem Wert von unter 100 km/h eine Toleranz von 3 km/h und bei einem Wert von über 100 km/h eine Toleranz in Höhe von drei Prozent des Wertes abgezogen.
Schließlich wird die Fahrzeuglänge des vorausfahrenden Fahrzeuges dadurch festgestellt, dass mit der Messlinie die Hinterachse des vorausfahrenden Fahrzeuges digitalisiert wird.
Durch die jeweilige Digitalisierung der Aufsetzpunkte der Reifen auf der Fahrbahnoberfläche werden Abstände errechnet, die sich für den Betroffenen günstig auswirken, weil keine weiteren Abzüge für die Überhänge der Fahrzeuge vorgenommen werden. Aus der toleranzbereinigten Geschwindigkeit und dem für den Betroffenen günstigsten Abstandswert errechnet das System den dem Betroffenen vorzuwerfenden Wert.
b) Die Anwendungsbedingungen für das Messverfahren VKS 3.01 werden über die technischen Bedienungsvorschriften des Herstellers hinaus durch Anlage 4 Nrn. 2.2 ff. der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs vom 01. April 1998 in der Fassung der Verwaltungsvorschrift vom 20. August 2003 (Az.: 311132.10/66) ergänzt. Für die Messung sind danach grundsätzlich zwei regelmäßig fortgebildete Bedienkräfte einzusetzen, von denen mindestens eine die Bedienberechtigung an der Landes-Polizeischule Sachsen erworben hat. Zur Auswertung darf nur speziell ausgebildetes Bedienpersonal eingesetzt werden, das ebenfalls die Bedienberechtigung an der Landes-Polizeischule Sachsen erworben hat.
c) Damit ist der Ablauf der Messung und der Auswertung so festgelegt, dass unter gleichen Voraussetzungen auch gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Das VKS 3.01-System bietet im Gegensatz zu anderen standardisierten Messverfahren darüber hinaus den Vorteil, dass eine Videoaufzeichnung zur Verfügung steht, anhand derer der Messvorgang auch im Nachhinein noch überprüft werden kann.
2. In Fällen der Anwendung eines standardisierten Messverfahrens reicht es grundsätzlich aus, dass im Urteil das angewendete Messverfahren und das Messergebnis mitgeteilt wird (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2005, 117; DAR 2005, 226). Für den Fall des Abstandsmessverfahrens mit dem Gerät VKS 3.01 bedeutet dies, dass der Tatrichter grundsätzlich neben dem angewendeten Messverfahren nur die gemessene Geschwindigkeit nebst Toleranzabzug sowie den ermittelten vorwerfbaren Abstandswert feststellen muss. Gleichwohl muss sich der Tatrichter im Einzelfall von der Beachtung der Verfahrensbestimmungen überzeugen (vgl. OLG Dresden NStZ 2004, 352; NStZ-RR 2005, 117; DAR 2005, 226). Ausführungen muss er im Urteil aber erst dann machen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht eingehalten worden sind oder Messfehler von dem Betroffenen oder einem anderen Verfahrensbeteiligten behauptet werden (vgl. BGH NJW 1993, 3081 [3082]; BayObLG NJW 2003, 1752; OLG Dresden NStZ-RR 2005, 117).
Diesen Anforderungen hält das angegriffene Urteil stand, nachdem im vorliegenden Fall weder konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler bestehen, noch Messfehler behauptet worden sind.
3. Generelle Sicherheitsabschläge von dem festgestellten Abstandswert sind bei Anwendung des Messverfahrens VKS 3.01 nicht veranlasst. Der vom System vorgenommene Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit, die Zugrundelegung des jeweils für den Betroffenen günstigsten Wertes der Messlinie und der so ermittelten Abstände sowie die Außerachtlassung der Fahrzeugüberhänge sind ausreichend, um alle möglichen Betriebsfehlerquellen auszugleichen. Dies deckt sich mit der genannten Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs, nach der neben dem Toleranzabzug bei der gemessenen Geschwindigkeit weitere Abschläge nicht gewährt werden.
a) Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung bei Feststellung des "gefährdenden" Abstandes (0,8-Sekunden-Weg) einen generellen Abzug in Höhe von 15 Prozent des gemessenen Abstandswertes verlangt (OLG Hamm VRS 55, 211; OLG Düsseldorf ZfS 1983, 125, VRS 74, 449; einschränkend BayObLG VRS 59, 285; a.A. OLG Celle VRS 58, 264, das einen generellen Abschlag nicht mit § 261 StPO für vereinbar hält), liegt diesen Entscheidungen eine Abstandsmessung mit dem so genannten Traffipax-Verfahren zugrunde (zu den Einzelheiten dieses Verfahrens vgl. OLG Hamm VRS 55, 211; Lütkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr, § 4 StVO Rdnr. 13).
Das Traffipax-Verfahren unterscheidet sich jedoch in wesentlichen Punkten von dem standardisierten und technisch überlegenen Messverfahren VKS 3.01. Bei dem Messverfahren VKS 3.01 liegen keine Anhaltspunkte vor, die den allgemeinen Erfahrungssatz rechtfertigen würden, dass mit dem Messverfahren in jedem Fall nur bedingt verlässliche Ergebnisse erzielt werden könnten. Es bleibt deshalb Aufgabe des Tatrichters, zu entscheiden, ob er angesichts möglicher Fehlerquellen das Messergebnis für ausreichend beweiskräftig hält oder nicht (BGH DAR 1983, 56). Bei Anwendung des standardisierten Messverfahrens VKS 3.01 wird er Messfehler jedoch erst dann aufzuklären und zu beachten haben, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen oder von einem der Verfahrensbeteiligten behauptet werden. Hierzu steht bei dem Messverfahren VKS 3.01 dem erkennenden Gericht - anders als beim Traffipax-Verfahren - das Tatvideo zur Verfügung, mit dem es Messfehler auch zu einem späteren Zeitpunkt noch - gegebenenfalls sachverständig beraten - feststellen könnte.
b) Soweit in der Rechtsprechung für das Traffipax-Verfahren und das so genannte VAMA-Verfahren vereinzelt der Abzug einer weiteren Messtoleranz in Höhe von 10 Prozent des gemessenen Abstandswertes gefordert wird (vgl. AG Bad Homburg/Saar DAR 1998, 31), beruht diese Rechtsprechung darauf, dass es in bestimmten Einzelfällen zu Abstandsveränderungen kommen kann, die auch für einen geschulten und aufmerksamen Beobachter nicht erkennbar sind. Unabhängig davon, ob diese Fehlerquelle beim Messverfahren VKS 3.01 auftreten kann, handelt es sich hierbei jedoch um solche Messfehler, die das Gericht bei Anhaltspunkten oder auf einen konkreten Einwand eines Verfahrensbeteiligten auch nachträglich noch aufklären könnte. ..."