Das Verkehrslexikon

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OLG Zweibrücken Beschluss vom 12.08.1991 - 1 Ss 160/90 - Keine Anwendung der Regel Rechts vor Links bei sog. überführten Straßen

OLG Zweibrücken v. 12.08.1991: Keine Anwendung der Regel Rechts vor Links bei sog. überführten Straßen


Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 12.08.1991 - 1 Ss 160/90) hat entschieden:
Bei "überführten" Straßeneinmündungen findet die Vorfahrtregel in StVO § 8 Abs 1 S 1 keine Anwendung; vielmehr gilt für den Benutzer der - hier: durch Bürgersteig und gleichmäßig abgesenkten Bordstein - überführten Straße StVO § 10 S 1.


Siehe auch Die Vorfahrtregel "rechts vor links" und Bordsteinabsenkung / abgesenkter Bordstein


Zum Sachverhalt: Der Betroffene befuhr am 31. Januar 1991 gegen 16.15 Uhr in Ludwigshafen am Rhein mit dem Pkw... die J-B-Straße. Er wollte die kreuzende H straße überqueren. Die J-B-Straße ist von der H straße durch einen abgesenkten Bordstein getrennt. Der Betroffene fuhr über diesen Bordstein in die H straße ein. Dabei stieß er mit dem von links kommenden Pkw zusammen, der auf der H straße mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h fuhr. An beiden Personenkraftwagen entstand erheblicher Schaden.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 75,– DM verurteilt, weil er mit einem Personenkraftwagen beim Einfahren auf eine öffentliche Straße aus Fahrlässigkeit nicht die gebotene Sorgfalt beachtet und dabei einen auf der Straße fahrenden Personenkraftwagen eines anderen Verkehrsteilnehmers beschädigt hat (§§ 1 Abs. 2, 10, 49 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 10 StVO, § 19 OWiG, § 24 StVG).

Dagegen richtete sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Betroffene ist der Auffassung, § 10 Satz 1 StVO finde keine Anwendung, weil es sich bei der Unfallstelle um eine Straßenkreuzung handele, an der er gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO Vorfahrt gehabt habe.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

"... Aus der in Bezug genommenen Verkehrsunfallskizze und den Lichtbildern, die die Unfallstelle zeigen, ist ersichtlich, daß die J-B-Straße nicht unmittelbar in die H straße einmündet. Vielmehr sind die Fahrbahnen der beidseitig mit mehrgeschossigen Wohnhäusern bebauten Straßen im Westen und im Osten des Einmündungsvierecks jeweils durch einen parallel zur Fahrbahn der H straße verlaufenden Gehweg getrennt. Diese Gehwege sind 3,30 m breit und werden in dieser Breite über die Fahrbahn der J-B-Straße geführt. Von der Fahrbahn der H straße sind die Gehwege durch einen durchlaufenden, niedrigen Bordstein abgesetzt.

Nach diesen Feststellungen hat das Amtsgericht zu Recht die Voraussetzungen der Vorfahrtsregel gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO verneint. Nach im Schrifttum einhellig vertretener Meinung findet auf die sogenannte "überführte Straßeneinmündung" (vgl. Weimer DAR 1967, 182 ; Kürschner NZV 1989, 174, 177) die Regel über das Einfahren gemäß § 10 Satz 1 StVO in der seit 1988 gültigen Fassung Anwendung, wenn die Fahrbahn der anderen Straße nur über einen abgesenkten Bordstein erreicht werden kann (Mühlhaus/Janizewski StVO 12. Aufl. § 10 Rdnr. 4; § 8 Rdn. 51; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht 31. Aufl. StVO § 8 Rdn. 35; § 10 Rdn. 6 a; Drees/Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht 6. Aufl. StVO § 10 Anm. I d, Hentschel NJW 1989, 75 ; Kürschner aaO). Dies gilt auch, wenn die Einmündung über einen flachen Schrammbord führt, der durchgehend in einer Höhe von 5 bis 10 cm gehalten ist (Kürschner aaO S. 177).

Der Senat tritt dieser Ansicht bei.

Mit der Neufassung des § 10 Satz 1 StVO durch die 9. Änderungsverordnung vom 22. März 1988 (VBL 1988, 221) ist nunmehr klargestellt, daß Verkehrsflächen, die über einen abgesenkten Bordstein auf eine Straße führen, Grundstücksausfahrten gleichgestellt sind mit der Folge, daß Fahrzeugführer, die eine solche Verkehrsfläche befahren, keine Vorfahrt haben, wenn sie eine andere Straße nur über einen abgesenkten Bordstein erreichen können. Dies gilt, wie die amtliche Begründung zur Änderungsverordnung zeigt, in allen Fällen, in denen die Zufahrt über einen abgesenkten Bordstein führt. Auf die Breite der Zufahrt oder die Beschilderung mit einem Straßennamen kommt es hierbei nicht an (Jagusch/Hentschel aaO § 10 Rdnr. 6 a). Nicht ausdrücklich von der 9. Änderungsverordnung zur StVO umfaßt ist der Fall, daß ein öffentlicher Weg oder eine öffentliche Straße auf eine andere Straße über einen Gehweg zugeführt wird und ein vorhandener Bordstein im Einmündungsbereich nicht besonders abgesenkt ist. Auch hier findet die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO keine Anwendung. Wenn schon die Zufahrt über einen abgesenkten Schrammbord nurmehr unter den höchsten Sorgfaltsanforderungen, die § 10 StVO aufstellt, zulässig ist, muß dies erst recht gelten, wenn die Einmündung über einen nicht abgeflachten Bordstein oder einen durchgehend niedrigen Bordstein führt. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil handelt es sich bei der Einmündung der J-B-Straße in die H straße um eine sogenannte "überführte Einmündung", an der ein Bordstein die Grenze der Einmündung der Verkehrsfläche markiert. Auf die sonstige Gestaltung der Einmündung und wie der einzelne Verkehrsteilnehmer diese Gestaltung wahrnehmen kann, kommt es nach der Änderung der Straßenverkehrsordnung im Jahre 1988 nicht mehr an. § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO gilt an solchen Einmündungen nicht. Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, daß der Einmündungsbereich gepflastert, während die J-B-Straße mit einer Schwarzdecke versehen ist. Ebenso ist es unerheblich, daß im weiteren Verlauf der J-B-Straße an ihrer Einmündung in die G straße die Wartepflicht durch ein zusätzliches Verkehrszeichen kenntlich gemacht ist; denn maßgeblich für die Vorfahrtsregelung ist der Zustand der Straße an der Einmündung, an der sich der Zusammenstoß der Kraftfahrzeuge ereignet hat (Senat VRS 45, 395). ..."







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