Das Verkehrslexikon

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OLG Jena Beschluss vom 25.04.2006 - 1 Ss 48/06 - Verlesen eines polizeiclichen Einsazberichts OLG Jena v. 25.04.2006: Zum Verlesen eines polizeiclichen Einsazberichts als Vorhalt

Das OLG Jena (Beschluss vom 25.04.2006 - 1 Ss 48/06) hat entschieden:
Der Inhalt eines polizeilichen Einsatzberichts wird noch nicht dadurch in die Hauptverhandlung eingeführt, dass er dem Polizeibeamten, der ihn verfasst hat, vorgelesen wird.


Siehe auch Urkundenbeweis - Akteninhalt - Urkundenverlesung - Vorhalt


Zum Sachverhalt: Das AG verurteilte den Angekl. wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 16 €. Außerdem entzog es dem Angekl. die Fahrerlaubnis und setzte eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung von 8 Monaten fest. Die dagegen eingelegte Berufung des Angekl. verwarf das LG mit dem angefochtenen Urteil. Auf die Berufung der StA änderte das LG das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass der Angekl. zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 11 € verurteilt wurde. Weiterhin entzog das LG dem Angekl. die Fahrerlaubnis und setzte eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung von 8 Monaten fest.

Gegen das Urteil des LG richtet sich die Revision des Angekl., mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die GenStA hat mit Vorlage an den Senat die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des LG beantragt.

Das Rechtsmittel führte zu einem vorläufigen Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Angekl. macht mit den erhobenen Verfahrensrügen die Verletzung des § 261 StPO geltend. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung des LG seien die Einsatzbericht vom 27. 4. 2005 sowie die amtsrichterliche Vernehmung des Zeugen Sch unter Verstoß gegen § 261 StPO verwertet worden.

Die Rüge ist in zulässiger Form erhoben worden, § 344 II 2 StPO. Das Revisionsvorbringen, der im Urteil wörtlich zitierte Einsatzbericht und das Protokoll der richterlichen Vernehmung des Zeugen Sch seien nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist zutreffend.

Die Verlesung einer Urkunde ist eine wesentliche Förmlichkeit, deren Beurkundung durch § 273 I StPO vorgeschrieben ist. Schweigt das Protokoll, so gilt die Verlesung wegen dessen Beweiskraft nach § 274 StPO nicht erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 273 Rn. 7 m.w.N.). Der Einsatzbericht vom 27. 4. 2005 wurde ausweislich des Protokolls nicht verlesen und es erfolgte auch keine Kenntnisnahme im Wege des Selbstleseverfahrens gem. § 249 II StPO. Dem Hauptverhandlungsprotokoll lässt sich nur entnehmen, dass dem Zeugen Sch der Einsatzbericht vorgehalten worden ist. Zwar kann der Inhalt einer Urkunde auch durch Vorbehalt in die Hauptverhandlung eingeführt wer-den (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rn. 38 a). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Beweisgrundlage nicht die Feststellungen in der Urkunde, sondern allein die durch den Vorbehalt veranlassten Erklärungen der Auskunftsperson, hier des Zeugen Sch, sind. Diese müssen den Inhalt bzw. Wortlaut der Urkunde substantiiert aus eigener Erinnerung bestätigen können (vgl. KK-Diemer, StPO, 5. Aufl., § 249 Rn. 42 m. w. N.). Hinsichtlich des Einsatzberichts hat ausweislich der Urteilsgründe der Zeuge Sch lediglich erklärt: „... dass er selbstverständlich auch damals in Erinnerung gehabt habe, dass er das Fahrzeug beim Rückwärtsfahren gesehen habe. Wenn dies in dem Bericht nicht ausdrücklich dargestellt sei, habe er sich wohl unkonkret ausgedrückt.” Der vollständige Wortlaut des Einsatzberichtes wurde damit nicht ausdrücklich bestätigt. Hinzu kommt, dass in dem Fall, wenn nicht verlesene Schriftstücke ohne Hinweis auf eine bestätigende Einlassung der jeweiligen Auskunftsperson im Urteil wörtlich wiedergegebene werden, dies in der Regel darauf hindeutet, dass der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist (vgl. BGH, NStZ 1999, 424 und NStZ 2001, 161).

Entsprechendes gilt hinsichtlich der wörtlichen Wiedergabe des Protokolls der Vernehmung des Zeugen Sch vor dem AG. Auch hier lässt die wörtliche Wiedergabe besorgen, dass der Wortlaut des Protokolls selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht die auf entsprechen-den Vorbehalt durch den Zeugen Sch abgegebene Erklärung in der Hauptverhandlung vor dem LG. Den Urteil gründen ist aber nicht zu entnehmen, dass der Zeuge auf den entsprechenden Vorbehalt den im Urteil wiedergegebenen Inhalt des Protokolls der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung dem In-halt des Protokolls der amtsgerichtlichen Hauptverhandlungen dem Inhalt nach bestätigt hat.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das angegriffene Urteil auf diesen Verfahrensverstößen beruht, zumal angesichts des Bestreitens der Täterschaft durch den Angekl. es wesentlich auf Einzelheiten ankam. Auch hat die Strafkammer die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Sch in Abgrenzung zu den Aussagen der Zeugen Ra, M und Ri u. a. durch die sich aus dem Einsatzbericht vom 27. 4. 2005 und dem Protokoll der erstinstanzlichen Vernehmung ergebenden Aussagekonstanz in der Aussage des Zeugen Sch bestätigt gefunden.

Nach alledem war das Urteil des AG bereits auf die erhobenen Verfahrensrügen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des LG zurückzuverweisen. Auf die zugleich erhobene Sachrüge brauchte der Senat nicht mehr einzugehen. ..."







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