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BGH Urteil vom 17.01.2007 - IV ZR 106/06 - Die Uniwagnis-Datei der Versicherungen lässt eine Obliegenheitsverletzung wegen Verschweigens von Vorschäden unberührt

BGH v. 17.01.2007: Erkenntnismöglichkeiten des Versicherers in der Uniwagnis-Datei lassen die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers (hier: Angaben zu Vorschäden) unberührt


Der BGH (Urteil vom 17.01.2007 - IV ZR 106/06) hat entschieden:
Erkenntnismöglichkeiten des Versicherers in der Uniwagnis-Datei lassen die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers (hier: Angaben zu Vorschäden) unberührt.


Siehe auch Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug und Altschäden - Vorschäden


Zum Sachverhalt: Der Kläger nahm die Beklagte aus einer bei ihr gehaltenen Kraftfahrzeug-Teilversicherung wegen eines von ihm behaupteten Diebstahls seines PKW in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.

Nach Darstellung des Klägers ereignete sich der Diebstahl seines Fahrzeugs, das zum Zeitpunkt der Entwendung noch einen Wert von 7.500,- € hatte, in der Zeit vom 15. bis zum 17. Februar 2004. Am 17. Februar 2004 zeigte der Kläger den Diebstahl bei der Polizei an, am 19. Februar 2004 unterrichtete er die Beklagte telefonisch von dem Schadensfall. Der Bitte der Beklagten um Ausfüllung einer "Schadenmeldung für Fahrzeugentwendungen" sowie eines für den Sachverständigen bestimmten Schadensformulars kam der Kläger unter dem 19. März 2004 nach. In dem für die Beklagte bestimmten Formular beantwortete der Kläger die Fragen danach, ob das Fahrzeug zuvor bereits einmal beschädigt worden sei und der Kläger für diesen Schaden von dritter Seite eine Entschädigung erhalten habe, jeweils mit "nein". In dem für den Sachverständigen vorgesehenen Schadensformular vermerkte der Kläger auf die Frage nach weiteren innerhalb des letzten Jahres durchgeführten Reparaturen die Auswechslung des Zahnriemens sowie die Nachlackierung der Stoßstange; erst auf Nachfrage der Beklagten beantwortete er die Frage nach Anzahl und Art der reparierten bzw. unreparierten Vorschäden mit "keine".

Tatsächlich war das Fahrzeug des Klägers am 25. Oktober 2002 bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Davon erfuhr die Beklagte zunächst über eine Anfrage bei der vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) geführten so genannten Uniwagnis-Datei. Aus dieser konnte die Beklagte entnehmen, dass wegen eines Schadens am Fahrzeug des Klägers vom 25. Oktober 2002 Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer erhoben, ein Reparaturschaden vorgelegen hatte und dieser nach Gutachten abgerechnet worden war. Nach Rückfrage bei jenem Haftpflichtversicherer erhielt die Beklagte am 25./26. März 2004 das damals erstellte Sachverständigengutachten, das Reparaturkosten von 2.285,28 € auswies. Daraufhin lehnte die Beklagte die vom Kläger für die behauptete Entwendung begehrte Versicherungsleistung ab, da dieser durch Nichtangabe der Vorschäden seine Obliegenheit nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB verletzt habe.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 7.000,- € (Wert des entwendeten Fahrzeugs abzüglich Selbstbeteiligung) abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Das Rechtsmittel blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... a) Nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Diese Obliegenheit trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen können muss, dass der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht. Enttäuscht der Versicherungsnehmer dieses Vertrauen, indem er vorsätzlich Fragen des Versicherers nicht oder nicht richtig beantwortet, kann er sich hinterher nicht darauf berufen, der Versicherer habe den wahren Sachverhalt noch rechtzeitig erfahren oder sich die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen können (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2005 - IV ZR 239/03, VersR 2005, 493 unter 2.a). Denn Letzteres würde eine Verkennung der Aufklärungsobliegenheit bedeuten; sie würde in ihr Gegenteil verkehrt und in ein Recht zur Lüge verwandelt werden, wenn der zur Aufklärung gehaltene Versicherungsnehmer ihre vorsätzliche Verletzung damit rechtfertigen könnte, dass der Versicherer in der Lage gewesen sei, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zu durchschauen (Senatsurteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80, VersR 1982, 182, 183).

Daraus folgt mit Blick auf die hier in Rede stehende Uniwagnis-Datei: Dass sich aus einer Dateiabfrage für den Versicherer Erkenntnismöglichkeiten über vom Versicherungsnehmer aufzuklärende Umstände ergeben, lässt die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst und grundsätzlich unberührt; solche Erkenntnismöglichkeiten lassen das Aufklärungsinteresse des Versicherers regelmäßig nicht entfallen. Die Datei ist offenkundig darauf ausgerichtet, Versicherungsbetrug entgegenzuwirken. Sie zielt mithin nicht darauf, die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zu verkürzen, sondern dient dazu, deren vorsätzliche Verletzung aufzudecken. Wollte man, wie das Kammergericht (VersR 2002, 703), bereits mit der generellen Weisung des Versicherers, in Schadensfällen eine Dateiabfrage vorzunehmen, stets und sogleich das Interesse des Versicherers an Aufklärung durch seinen Versicherungsnehmer verneinen, würde der erstrebte Schutz vor Versicherungsbetrug in einen Schutz für den unredlichen Versicherungsnehmer verkehrt. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

b) Erfolgt die Dateiabfrage erst nach Eingang des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens des Versicherers, mit dem dieser die Aufklärungsobliegenheit näher konkretisiert - hier durch die Frage nach Vorschäden -, hat diese Abfrage von vornherein keinerlei Einfluss mehr auf das gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehende Aufklärungsinteresse des Versicherers. Der Versicherungsnehmer hatte der Aufklärungsobliegenheit zu genügen; hat er sie vorsätzlich verletzt und wird diese Verletzung durch die Dateiabfrage aufgedeckt, liegt auf der Hand, dass durch die so erlangte Kenntnis des Versicherers nicht nachträglich und gewissermaßen rückwirkend dessen Aufklärungsbedürfnis entfallen kann.

Ob im vorliegenden Falle von dieser Konstellation auszugehen ist, ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit hinreichender Deutlichkeit, da darin nur festgehalten wird, die Abfrage sei "nach der Schadenanzeige bzw. Schadenmeldung" erfolgt.

c) Sollte davon auszugehen sein, dass die Dateiabfrage bereits unmittelbar nach der (telefonischen) Schadensanzeige, also vor Eingang der vom Versicherungsnehmer beantworteten Fragen nach Vorschäden beim Versicherer erfolgt ist, lassen auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse das Aufklärungsinteresse des Versicherers unberührt.

aa) Allerdings hat der Senat (Urteil vom 26. Januar 2005, a.a.O.) ausgesprochen, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers könne fehlen, wenn der Versicherer trotz der unvollständigen Angaben seines Versicherungsnehmers Kenntnis von den verschwiegenen Umständen habe. Jener Entscheidung lag zugrunde, dass dem Versicherer der nicht angegebene, erst wenige Monate zurückliegende Vorschaden (Kaskoschaden) schon deshalb bekannt war, weil er von ihm selbst reguliert worden war. Der Versicherer hatte also - ohne dass es weiterer Nachforschungen bedurfte, zu denen der Versicherer gerade nicht gehalten war (Senatsurteil, a.a.O. unter 2.a a.E.) - unmittelbare und aktuelle eigene Kenntnis von dem verschwiegenen Umstand. Das rechtfertigte es, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers mit der Folge zu verneinen, dass seine Berufung auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung ohne Erfolg blieb.

bb) Das Berufungsgericht hat dieser Entscheidung daher mit Recht entnommen, dass ein solcher Wegfall des Aufklärungsinteresses mit Blick auf eine Abfrage der Uniwagnis-Datei allenfalls und nur dann in Betracht kommen könnte, wenn dem Versicherer durch die mittels der Datei erlangten Informationen eine umfassende und vollständige Kenntnis über Vorschäden verschafft würde, er also nicht befürchten müsste, dass mehr als das nunmehr Bekannte verschwiegen wird. Nach den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber gerade das nicht der Fall; die Datei bietet derart vollständige Informationen aus den vom Berufungsgericht näher dargelegten Gründen nicht. Hinzu kommt, dass sie solche Vorschäden ohnehin nicht erfassen kann, die keinem Versicherer gemeldet wurden.

Soweit die Revision erwägt, der Versicherer könne - ähnlich wie bei erkennbar unvollständigen Angaben des Versicherungsnehmers im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit - zu einer Nachfrage gehalten sein, deren Unterlassen ihm die Sanktion der Leistungsfreiheit nehme, verkennt sie Zweck, Rechtfertigung und Grundgedanken der Aufklärungsobliegenheit, wie sie eingangs näher dargelegt sind. Es ist Sache des Versicherungsnehmers, die ihm bekannten Umstände dem Versicherer von sich aus vollständig zu offenbaren, nicht aber Sache des Versicherers, durch Nachforschungen das zu ermitteln, was ihm der Versicherungsnehmer vorsätzlich verschwiegen hat. ..."