"... II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Denn die Begründung des Landgerichts (Urteil S. 14), die Beklagten müssten sich zu ¼ die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) mithaftend anrechnen lassen, da dieser nicht den Beweis habe führen können, dass er erst nach Aufleuchten des grünen Abbiegepfeils in Richtung Blissestraße weitergefahren sei, trägt diese Mithaftung nicht. Denn sie bürdet den Beklagten die Beweislast dafür auf, dass sich der Beklagte zu 1) nicht sorgfaltswidrig verhalten habe, dass er sich also entlasten müsse. Dies ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend Urteil vom 13. Februar 1996 – VI ZR 126/95 –, DAR 1996, 240 = VersR 1996, 513 = NJW 1996, 1405 = NZV 1996, 231 = ZfS 1996, 206 = RuS 1996, 174 = VRS 91, 271 = VerkMitt 1996, 90; ebenso BGH Urteil vom 6. Mai 1997 – VI ZR 150/96 –, DAR 1997, 308 = VerkMitt 1997 Nr. 11) nicht gerechtfertigt, da gegen den Linksabbieger nicht der Anscheinsbeweis dahin spricht, er sei vor Aufleuchten des Grünpfeils abgebogen. 1. Da sich der Unfall für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 StVG darstellt, kommt es nach § 17 Abs. 1 StVG auf eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Beklagten zu 1) und des Klägers unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr an. Hierbei sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und des Senats neben unstreitigen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH NJW 1996, 1405 = VersR 1996, 513; Senat, DAR 1973, 270; VersR 1973, 1049). Wenn der Linksabbieger nach Aufleuchten des grünen Pfeiles abbiegt, trifft die volle Haftung den Geradeausverkehr. In diesen Fällen greift zugunsten des Linksabbiegers ein doppelter Vertrauenstatbestand ein. Er geht dahin, dass nach Aufleuchten des Pfeiles die Ampelanlage für den Gegenverkehr bereits einige Zeit rotes Licht abstrahlen, ferner, dass der Gegenverkehr das Rotsignal beachten werde. In diesem Fall kann der Linksabbieger vollen Ersatz fordern oder mit Erfolg Ansprüche abwehren (Senatsurt. vom 21. Oktober 1993 – 12 U 64374/91 – VerkMitt 1994, 28 Nr. 36 und vom 13. März 1995 – 12 U 2766/93 – VerkMitt 1995, Nr. 74 = NZV 1995, 312). Der Abbieger muss vor dem Aufleuchten des Abbiegepfeils stets damit rechnen, dass Fahrzeuge des Gegenverkehrs in der letzten Gelb- oder ersten Rotphase in den Kreuzungsbereich einfahren (BGH VersR 1955, 226; Senatsurt. vom 7. Februar 1991 – 12 U 7431/89 = a.a.O.; Sen. bei Darkow DAR 1972, 147 zu II 7; OLG Düsseldorf VersR 1977, 85 (LS)). Der Linksabbieger darf zwar vor Aufleuchten des grünen Pfeils weiterfahren, er muss aber die sich aus § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO ergebende besondere Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Gegenverkehr beachten, so dass ihn beim Abbiegen gesteigerte Sorgfaltspflichten (§ 9 Abs. 3 StVO) treffen, von denen er nur nach Aufleuchten des Grünpfeils befreit ist (so BGH, Urteil vom 13. Februar 1996, VersR 1996, 513, 515 = NJW 1996, 1405, 1406 = NZV 1996, 231 f.). Kommt es auf einer ampelgeregelten und mit einem grünen Linksabbiegerpfeil versehenen Kreuzung zu einem Zusammenstoß zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer, so muss der die Kreuzung geradeaus durchfahrende Verkehrsteilnehmer beweisen, dass der grüne Pfeil für den Linksabbieger nicht aufgeleuchtet hat, wenn er daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. In einem solchen Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins nicht für ein Verschulden des Linksabbiegers. Bleibt ungeklärt, ob der grüne Pfeil das Linksabbiegen freigab, haften der Geradeausfahrer und der Linksabbieger bei gleicher Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge jeweils zur Hälfte (BGH NJW 1996, 1405 = VersR 1996, 513 = NZV 1996, 231). Läßt sich dagegen positiv feststellen, bei welcher Ampelschaltung der sich im Geradeausverkehr befindliche Verkehrsteilnehmer in die Kreuzung eingefahren ist, gilt: Fährt der Verkehrsteilnehmer im Geradeausverkehr bei "spätem Rot", also später als in der ersten Rotlichtsekunde über die Haltelinie, so trägt er grundsätzlich seinen Schaden selbst, wobei die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Linksabbiegers grundsätzlich zurücktritt. Lediglich in Ausnahmefällen, nämlich bei gleichfalls feststehender Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers, hat der Rotlichtsünder ¼ seines Schadens erhalten (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 1991 – 12 U 7341/89 –, a.a.O.; Urteil vom 13. März 1995 – 12 U 2766/93 –, VerkMitt 1995, 76 Nr. 74 = NZV 1995, 312). Der Grundsatz der vollen Haftung des Geradeausfahrers, der sorgfaltswidrig bei "spätem Rot" einfährt, gilt also auch dann, wenn die Schaltung des Grünpfeils im Unfallzeitpunkt ungeklärt bleibt; denn eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers, gegen den kein Anscheinsbeweis spricht (vgl. BGH, a.a.O.), kann dann nicht positiv festgestellt werden und die – nicht erhöhte (vgl. BGH, a.a.O.) – Betriebsgefahr seines Fahrzeuges tritt gegenüber der erheblichen Sorgfaltspflichtverletzung eines "späten" Rotlichtverstoßes zurück. 3.a) Diese Grundsätze hat das Landgericht auch im wesentlichen wiedergegeben und auf S. 7 f. ausgeführt, dass gegen den Linksabbieger kein Beweis des ersten Anscheins spreche, sorgfaltswidrig vor Aufleuchten des Grünpfeils abgebogen zu sein. b) Die vom Landgericht festgestellte Mithaftung der Beklagten zu ¼ kann jedoch – nach den vorstehenden Grundsätzen – nicht mit der Überlegung auf S. 14 des angefochtenen Urteils gerechtfertigt werden, der Linksabbieger müsse sich die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges anrechnen lassen, da er nicht habe beweisen können, dass er erst bei Aufleuchten des Grünpfeils abgebogen sei. Diese Entscheidung, die eine Ausnahme zu der grundsätzlichen Alleinhaftung des bei spätem Rot einfahrenden Geradeausfahrers (vgl. Senat VerkMitt 1991, 75 = DAR 1991, 336, 337) darstellt, beruht jedoch darauf, dass der Senat seinerzeit noch vom Bestehen eines Anscheinsbeweises einer Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers ausgegangen ist (vgl. S. 10, 14 des Urteils vom 31. Oktober 1993). Dieser Auffassung ist jedoch seit der Entscheidung des BGH vom 13. Februar 1996 – VI ZR 126/95 –, a.a.O., aufgegeben worden. d) Daher tritt im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) gegenüber dem groben Sorgfaltsverstoß des Fahrers des Taxi der Klägerin – Einfahren bei spätem Rot – zurück und eine Mithaftung der Beklagten scheidet aus. ..." |