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Die Durchführung des Reißverschlussverfahrens beim Wegfall eines Fahrstreifens

Rechtsprechung: Zur Durchführung des Reißverschlussverfahrens beim Wegfall eines Fahrstreifens


Siehe auch
Reißverschlussverfahren
und
Fahrstreifenwechsel




Entspricht die Örtlichkeit (auch ohne ausdrückliche Beschilderung) dem Zeichen 121 (Verengung rechts), so haben sich die Rechtsfahrenden unter Vortritt des ersten Linksfahrenden ohne Überholversuch nach links hin einzuordnen (KG VRS 57, 321; DAR 1980, 186; OLG Schleswig VR 80, 490), ebenso umgekehrt (also unter Vortritt des ersten Rechtsfahrenden) im Falle des seitenverkehrten Zeichens 121 (Verengung links), vgl. Jagusch / Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 7 StVO, Rdn. 20).


Vielfach wird geglaubt, das Reißverschlussverfahren spiele sich so ab, dass der erste Fahrzeugführer, der an der Verengung ankommt, das Vorrecht habe, und sich danach die Fahrzeug im Wechsel einordnen müssen. Das ist aber nicht ganz richtig.

Um es zu verdeutlichen: Nicht der erste an der Verengung Ankommende hat Vorfahrt, sondern der erste Fahrzeugführer, der sich der Verengung auf dem weiterführenden Fahrstreifen nähert, auch wenn der andere sich schon versetzt vor ihm befindet; letzterer muss dann stehenbleiben und erst einmal demjenigen, der sich auf dem durchgehenden Fahrstreifen befindet, den Vortritt lassen.

Das OLG München (Urteil vom 21.04.2017 - 10 U 4565/16) hat u. a. folgendes ausgeführt:

   "Der klägerische Schriftsatz vom 16.03.2017 (Bl. 63-​65 d.A.) gibt Anlass zu folgenden weiteren Ausführungen:

aa) Zunächst ist Folgendes richtigzustellen: Entgegen der Ansicht der Klägerin gelangte das Erstgericht nicht zum Ergebnis einer „zumindest teilweisen Entkräftung des Anscheinsbeweises“, sondern zu einer uneingeschränkten Erschütterung, wobei angemerkt sei, dass der Rechtsprechung das Institut einer teilweisen Entkräftung des Anscheinsbeweises ohnehin fremd ist. Ebenso wenig stellte das Erstgericht fest, dass ein Verschulden des Zeugen Dr. T. „nicht erkennbar“ sei. Vielmehr stütze es seine Entscheidung explizit darauf, dass keine Partei der jeweils anderen ein Verschulden des jeweiligen Fahrzeugführers habe nachweisen können.

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es auch im Falle eines Spurwechsels im Reißverschlussverfahren regelmäßig nicht an der für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität (vgl. auch Eggert in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl., § 2, Rdnr. 648 m.w.N.).




Keine einzige der von der Klägerin zitierten Entscheidungen besagt etwas anderes:

 So hat das Kammergericht mit Beschluss (nicht „Urteil“) vom 19.10.2009, Az.: 12 U 227/08, juris, insb. Folgendes ausgeführt (vgl. bei juris Rdnr. 7 und 10):

   „Soweit der Kläger meint, der Anscheinsbeweis würde im Hinblick auf das „Reißverschlussverfahren“ nicht gelten, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. (...) Eine Mithaftung der Beklagten käme nur dann in Betracht, wenn feststünde, dass der Erstbeklagte die Gefahr der Kollision auf sich hätte zukommen sehen müssen, er also hätte erkennen müssen, dass die Zeugin B. ihm (...) den Vortritt nicht gewähren würde.“

Das AG Dortmund wiederum hat mit Urteil vom 23.02.2010, Az.: 423 C 12873/09, juris, insb. Folgendes ausgeführt (vgl. bei juris Rdnr. 24):

   „Bei der nach § 17 I StVG gebotenen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile am Unfallgeschehen ist zunächst zu berücksichtigen, dass gegen den Kläger der Beweis des ersten Anscheins einer schuldhaften Verletzung der Pflichten des Verkehrsteilnehmers beim Fahrspurwechsel streitet und daher davon auszugehen ist, dass der Kläger das Unfallgeschehen verursacht und verschuldet hat.“




Das LG Darmstadt schließlich hat mit Urteil vom 15.03.2001, Az.: 6 S 464/00, VRS, Bd. 100, S. 430/432, insb. folgendes (vgl. S. 431) ausgeführt:

   „Der Fahrspurwechsel der Kl. war daher ersichtlich zum Zeitpunkt der Kollision nicht abgeschlossen; der Beweis des ersten Anscheins spricht deshalb bereits dafür, dass die Kl. den Unfall durch ihre Vorfahrtsverletzung sowie dadurch verursacht und verschuldet hat, dass jede Gefährdung anderer ausgeschlossen gewesen wäre.“

cc) Es bleibt dabei, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den für einen Verstoß des Zeugen Dr. T. gegen § 7 V 1 StVO sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern."



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