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OVG Münster Beschluss vom 23.03.2010 - 13 B 177/10 - Anordnung des Ruhens einer Approbation als Zahnärztin bei Alkoholmissbrauch

OVG Münster v. 23.03.2010: Zur Bedeutung des CDT-Werts und zur Ruhensanordnung der Approbation einer Zahnärztin und Kieferorthopädin


Das OVG Nordrhein-Westfalen in Münster (Beschluss vom 23.03.2010 - 13 B 177/10) hat entschieden:

   Dem CDT-Wert kommt in der wissenschaftlichen Beurteilung Bedeutung als Marker für chronischen Alkoholabusus zu. Auch erhebliche Intoxikationen im Sinne eines riskanten Gebrauchs können durch den CDT-Wert erhärtet werden. Zur Abrundung des Bildes zu ihren Alkohol-Trinkgewohnheiten ist deshalb auch die Heranziehung von CDT-Werten grundsätzlich geeignet.


Siehe auch
Der CDT-Blutwert - Carbohydratedeficient- Transferrin
und
Stichwörter zum Thema Alkohol


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist als Kieferorthopädin in eigener Praxis in F.… tätig.

Im Juni 2003 verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf – 101 Js 2217/03– sie wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und ordnete eine Sperre für die Wiederteilung der Fahrerlaubnis an. Im Mai 2008 verurteilte das Landgericht Aachen – 72 Ns 502 Js 127/04 154/07 – die Antragstellerin wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (alkoholbedingter Unfall auf der Autobahn) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Während der Strafverfahren und danach wurden in Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum der Antragstellerin mehrere ärztliche Gutachten u.a. zu ihrer gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des Berufs als Zahnärztin erstellt.

Durch Bescheid vom 3. Juni 2009 ordnete die Antragsgegnerin das Ruhen der Approbation der Antragstellerin als Zahnärztin und die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Nach deren zwischenzeitlicher Aufhebung durch Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Aachen vom 14. Juli 2009 – 5 L 256/09 – ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung durch Verfügung vom 25. November 2009 erneut an.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.





II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (VG Aachen – 5 K 1072/09–) gegen die Anordnung des Ruhens der Approbation als Zahnärztin durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2009 zu Recht abgelehnt. Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO fällt auch aus der Sicht des Senats zum Nachteil der Antragstellerin aus.

Zwar wird im Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2009, ebenso wie in deren Stellungnahme vom 11. März 2010 im Beschwerdeverfahren, nominell § 5 Abs. 1 Nr. 3 ZHG als Rechtsgrundlage für die Ruhensanordnung genannt; insoweit handelt es sich aber erkennbar um eine fehlerhafte Angabe. Wie die zugehörigen Begründungen erkennen lassen, ist offenbar § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZHG als Rechtsgrundlage gemeint, auf die auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat.

Das Verwaltungsgericht hat unter Darlegung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Ruhens der Approbation nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 ZHG und in Auswertung vorliegender ärztlicher Stellungnahmen zur gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin zur Ausübung des Zahnarztberufs sowie in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin zutreffend ausgeführt, dass bei der diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eigenen summarischen Prüfung keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung und gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehen. Dem schließt sich der Senat zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen in vollem Umfang an. Der Senat nimmt zudem gem. §§ 117 Abs. 5, 122 VwGO – auch hinsichtlich der Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin – Bezug auf deren Bescheid vom 3. Juni 2009.

Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin vermag eine andere Entscheidung in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu rechtfertigen.




Das Vorbringen der Antragstellerin, es sei, was auch die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts im Erörterungstermin geäußert habe, zweifelhaft, ob die solitäre Überwachung des CDT-Wertes im Serum zum Nachweis der Alkoholabstinenz geeignet sei, ist schon deshalb nicht (mehr) relevant, weil beide Beteiligte, also auch die Antragstellerin, in dem Vergleich vom 14. Juli 2009 vor dem Verwaltungsgericht die Beibringung dieser Werte – zusätzlich zu einem vorgesehenen Screening der EtG-Werte im Urin – vereinbart haben. Dies schließt es seitens der Antragstellerin aus, im Nachhinein die Eignung der CDT-Werte für die anstehende Frage, ob bei ihr eine Alkoholabstinenz angenommen werden kann, in Zweifel zu ziehen, zumal dem CDT-Wert in der wissenschaftlichen Beurteilung durchaus Bedeutung als Marker für chronischen Alkoholabusus beigemessen wird (vgl. u. a. Institut für medizinische Diagnostik Berlin; http://www.imd-berlin.de; Schl.-H. LSozG , Beschluss vom 31. März 2009 – L 4 B 542/08 KA ER –, juris;). Dass die CDT-Werte auch in Bezug auf die Antragstellerin Relevanz haben können, ergibt sich aus den bisherigen ärztlichen Begutachtungen der Antragstellerin, insbesondere aus dem fachpsychiatrischen Gutachten des Chefarztes der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie/Suchtkrankheiten der Rheinischen Kliniken E.…, Dr. T.…-M.…, vom 30. September 2008, in dem der Antragstellerin zwar keine Alkoholabhängigkeit, aber erhebliche Intoxikationen im Sinne eines riskanten Gebrauchs attestiert wurde. Zur Abrundung des Bildes zu ihren Alkohol-Trinkgewohnheiten ist deshalb auch die Heranziehung von CDT-Werten grundsätzlich geeignet.

Eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes ( § 86 Abs. 1 VwGO ) durch das Verwaltungsgericht ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat die Umstände nach dem Erörterungstermin und dem Vergleichsabschluss vom 14. Juli 2009 und insbesondere die den Vertrag der Antragstellerin mit dem TÜV S.… zu einem Abstinenz-Check mittels Urinproben und dessen Beendigung betreffenden Umstände unter Auswertung des Vorbringens der Antragstellerin zu diesen Punkten, zu denen auch eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin gehörte, sowie der für diesen Bereich vorliegenden sonstigen Erkenntnisse gewürdigt und bewertet. Gegen diese Würdigung, die vom Senat geteilt wird, bestehen rechtlich keine Bedenken. Eine materiell-rechtliche Wertung unterfällt aber dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ( § 108 VwGO ), wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, und begründet bei sachgerechter Entscheidung grundsätzlich keine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Eine weitere Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht oder die Durchführung eines weiteren gerichtlichen Erörterungstermins mit einer Anhörung der Mitarbeiterin des TÜV S.… über die Umstände der Beendigung des Vertrags mit der Antragstellerin waren angesichts dessen, dass es der Antragstellerin beim derzeitigen Erkenntnisstand oblag (und obliegt), alles zu tun, um die gegen ihre gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Zahnarztberufs sprechenden Umstände zu entkräften, nicht geboten. Der Antragstellerin musste auf Grund des gerichtlichen Erörterungstermins am 14. Juli 2009 eindeutig klar sein, dass sie insoweit alles Notwendige tun musste und dass dazu beispielsweise eine strikte Einhaltung des Vertrags mit dem TÜV S.… zum Abstinenz-Check gehörte, und dass nicht überzeugende Entschuldigungen für das Aus- oder Unterbleiben von Urin- oder Blutwerten sich für sie weiter negativ auswirken könnten. Der Hinweis der Antragstellerin auf die Entscheidung des Landesberufsgerichts für Heilberufe beim OVG Münster vom 23. September 2009 – 6t A 2297/07 – verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Die von der Antragstellerin zitierten Ausführungen beziehen sich auf den Fall einer unterbliebenen Anhörung vor Erteilung einer Rüge nach dem Heilberufsgesetz, betreffen also das behördliche Verfahren, während hier eine Würdigung vorliegender Erkenntnisse im Rahmen einer gerichtlich anstehenden Entscheidung, ob vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, in Frage steht.

Das (zum Teil das Vorbringen in der ersten Instanz wiederholende) Beschwerdevorbringen der Antragstellerin zu den nicht wahrgenommenen Untersuchungsterminen beim TÜV am 9. Oktober und 27. Oktober 2009 gibt auch in der Sache keine Veranlassung zu einer für sie positiven gerichtlichen Entscheidung. Entscheidend steht in Frage, ob bei ihr von einer Alkoholabstinenz ausgegangen werden kann. Dies war nach dem Gutachten des Dr. T.…-M.… die maßgebende Prämisse für den Vergleich in dem gerichtlichen Erörterungstermin am 14. Juli 2009. Ein eindeutiger Nachweis in diesem Sinne war bis zur erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ruhensanordnung durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2009 nicht erfolgt – und ist im Übrigen auch bis heute im laufenden Verfahren nicht festzustellen. Ein der Sache angemessenes und hinreichendes Bemühen der Antragstellerin, Alkoholabstinenz eindeutig nachzuweisen, ist nicht erkennbar, obwohl es – wie dargelegt – ihr obliegt, einen solchen Nachweis zu erbringen. Ihr Vorbringen und ihre Entschuldigungsgründe zur Nichtwahrnehmung angeordneter Untersuchungstermine beim TÜV im Oktober 2009 zwingen nicht zu einer anderen als der Würdigung der Vorgänge durch das Verwaltungsgericht, das das Vorbringen als nicht glaubhaft angesehen hat. Beispielsweise ist in Bezug auf den vorgesehenen Termin am 9. Oktober 2009 nicht nachvollziehbar, warum bei dem letztlich angegebenen Grund, dass der Termin aus Krankheitsgründen nicht habe wahrgenommen werden können, zunächst auf eine vermeintlich an dem Tag gebuchte Fortbildungsveranstaltung – für die zudem bis heute kein Nachweis vorgelegt wurde – verwiesen wurde; nahegelegen hätte vielmehr, sofort die Erkrankung als Hinderungsgrund für die Terminswahrnehmung anzugeben. Da bei der Antragstellerin ein intensives Bemühen, die sich aus ihren Alkohol-Trinkgewohnheiten ableitenden Verdachtsmomente gegen ihre gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Zahnarztberufs zu entkräften, nicht feststellbar ist, lässt die derzeitige Erkenntnislage demnach die Annahme zu, dass ihr offenbar die möglichen Konsequenzen ihres Alkoholgenusses für ihre berufliche Tätigkeit nicht bewusst sind oder dass sie sich einer eindeutigen Bewertung ihres Verhaltens in Zusammenhang mit Alkohol entziehen will. Die im Dezember 2009 erfolgte Änderung des Bewährungsbeschlusses vom 7. Mai 2008 in der Weise, dass die Auflage zur Durchführung einer ambulanten Psychotherapie aufgehoben wurde, ist für diese Problematik unerheblich und hat keine Auswirkungen auf das Entscheidungsergebnis.

Die (erneute) Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ruhensanordnung vom 3. Juni 2009 durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. November 2009 begegnet auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken.




Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation ist als Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und -wahl zu qualifizieren. Sie stellt einen selbständigen Eingriff dar, der in seinen Wirkungen über diejenigen der noch im verwaltungs- bzw. gerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Ruhensanordnung hinausgeht, und erfordert deshalb auch eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm. Zwar lässt Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zu. Überwiegende öffentliche Belange können es nämlich ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug einer approbationsrechtlichen Maßnahme sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Wegen der dem Grundrecht der Berufsfreiheit zuerkannten hohen Bedeutung setzt eine solche Maßnahme gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot die über die Beurteilung des wahrscheinlichen Verfahrensausgangs in der Hauptsache hinausgehende zusätzliche Feststellung voraus, dass die berufstangierende Maßnahme schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist. Dieses Erfordernis entspricht der Funktion von Präventivmaßnahmen, mit denen für eine Zwischenzeit ein Sicherungszweck verfolgt wird, der es ausnahmsweise rechtfertigt, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt dabei von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. für Dritte befürchten lässt, wobei es Aufgabe der um vorläufigen Rechtsschutz ersuchten Verwaltungsgerichte ist, eine eigenständige Prognose der konkreten (Dritt)Gefährdung anzustellen.
Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats , Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 2157/07-, NJW 2008, 1369, vom 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2820/04 –, juris, und vom 12. März 2004 – 1 BvR 540/04 –, NVwZ-RR 2004, 545; OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Juli 2007 – 13 B 929/07 –, NJW 2007, 3300, vom 9. Dezember 2004 13 B 2200/04, vom 1. Juli 2004 – 13 B 2436/03 –, vom 11. Februar 2004 – 13 B 2435/03 –, und vom 3. Februar 2004 – 13 B 2369/03 –; Bay. VGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 – 21 CS 08.3133,21 C –, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 16. März 2004 8 ME 164/03, NJW 2004, 1750; OVG Saarl. , Beschluss vom 21. Januar 2004 – 1 W 29/03 –, NJW 2004, 2033.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine vorläufige Berufsuntersagung, wie sie die Anordnung des Ruhens der Approbation nach § 5 Abs. 1 ZHG darstellt, ihrer Natur und dem Willen des Gesetzgebers nach auf sofortigen Vollzug hin angelegt sein muss, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventivmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Personenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll. Die Ruhensanordnung mit den begrenzten Auswirkungen in zeitlicher Hinsicht (vgl. 5 Abs. 2 ZHG) dient letztlich dem Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, bei der es sich um ein hochrangiges Rechtsgut der Allgemeinheit handelt, und speziell dem Schutz der Patienten/Patientinnen vor einem Tätigwerden von Personen, deren Eignung oder Fähigkeit zur Ausübung des Zahnarztberufs zweifelhaft geworden ist oder (vorübergehend) nicht mehr bejaht werden kann. Der Schutz des Gesundheitssystems und letztlich der Patienten und die diesen Schutz bezweckende Anordnung des Ruhens der Approbation rechtfertigen es demnach auch, die Ruhensanordnung kurzfristig wirksam und vollziehbar werden zu lassen, um so ihrem Charakter als Präventivmaßnahme schnellstmöglich gerecht zu werden. Ob vor diesem Hintergrund der Schluss gerechtfertigt ist, dass bei einer Anordnung des Ruhens der Approbation eines (Zahn-)Arztes in der Regel auch die Anordnung deren sofortiger Vollziehung im öffentlichen Interesse liegt,
so VG Bayreuth, Beschluss vom 22. März 2004 – B 1 S 04 281 –, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Dezember 1968 – Nr. 30 V 68 –, BayVBl. 1969, 103,
kann dahinstehen, weil in Bezug auf die Antragstellerin eine konkrete Gefahr für Patienten angenommen werden muss, auf Grund derer es angezeigt ist, die Ruhensanordnung sofort wirksam und vollziehbar werden zu lassen.

Eine konkrete Gefahr besteht dann, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist, dass sich die Gefahr an Ort und Stelle tatsächlich zum schädigenden Ereignis verdichten wird, während entfernte Möglichkeiten, allgemeine Vermutungen und übertriebene Ängstlichkeit auszuschalten sind.
Vgl. VG München, Beschluss vom 20. April 2007 – M 16 S 07.1147 –, juris.
Ein solches Gefährdungsrisiko ist bei der Antragstellerin anzunehmen. Es ist im Interesse eines umfassenden Schutzes der sie aufsuchenden Patienten, denen gegenüber sie bei ihrer Tätigkeit als Kieferorthopädin zu besonderer Sorgfalt und Aufmerksamkeit verpflichtet ist, nicht hinzunehmen und rechtfertigt deshalb die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ruhensanordnung. Nach den Feststellungen in den ärztlichen Begutachtungen trinkt die Antragstellerin regelmäßig und in überdurchschnittlichem Maß Alkohol; in dem letzten Gutachten von Dr. T.…-M.… wurde zwar keine Alkoholabhängigkeit festgestellt, wohl aber akute Alkoholtoxikationen bei Verdacht auf schädlichen Gebrauch. In den vorliegenden Unterlagen finden sich zwar keine ausdrücklichen Beschwerden von Patienten der Antragstellerin, dass diese eine Behandlung unter Alkoholeinwirkung begonnen oder durchgeführt hätte. Diesem Umstand kommt aber deshalb keine Bedeutung zu, weil derartige Beschwerden regelmäßig nicht bei der Antragsgegnerin als für approbationsrechtliche Belange zuständige Behörde, sondern bei der Zahnärztekammer geltend gemacht werden. Vor dem Hintergrund, dass nicht jegliches Fehlverhalten approbationsrechtliche Maßnahmen auslöst, ist dabei nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang dort eingehende Beschwerden an die Antragsgegnerin weitergeleitet werden.


Nach den ärztlichen Begutachtungen der Antragstellerin, insbesondere nach dem Gutachten des Dr. T.…-M.… „Zur Ausübung des Zahnarztberufs ist Frau. Dr. C. weiterhin geeignet unter der Auflage völliger Alkoholabstinenz “), ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin nur bei völliger Alkoholabstinenz als geeignet zur Ausübung des Zahnarztberufs anzusehen ist. In dieser ärztlichen Aussage liegt zugleich die Wertung, dass ihre Eignung nicht mehr gegeben ist, wenn es an der geforderten totalen Alkoholabstinenz und an einem entsprechenden Nachweis fehlt. Das ist hier – wie dargelegt – der Fall, weil die Antragstellerin einen eindeutigen Nachweis in diese Richtung, der wesentliches Element des Vergleichs vom 14. Juli 2009 war, nicht beigebracht hat. Auf Grund des – auch nach ihren eigenen Angaben im Strafverfahren zum alkoholbedingten Unfall im März 2004, „2,0 Promille zu schaffen, ohne umzukippen“, anzunehmenden – dauerhaft exzessiven Alkohol-Trinkverhaltens der Antragstellerin erscheint bei realitätsbezogener Betrachtungsweise die Annahme gerechtfertigt, dass dadurch die für ihre berufliche Tätigkeit als Kieferorthopädin unabdingbare Konzentration und Arbeitssorgfalt negativ beeinflusst werden können und dementsprechend eine Beeinträchtigung des Wohlergehens der Patienten konkret befürchtet werden muss. Angesichts dessen, dass das exzessive Alkohol-Trinkverhalten der Antragstellerin nach den ärztlichen Gutachten mit ihrer Persönlichkeitsstruktur zusammenhängt und diese sich, ohne dass insoweit eine eindeutige Abgrenzung möglich ist, sowohl im Privatbereich als auch bei der Berufstätigkeit auswirkt, kann nicht mit der gebotenen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bei ihrem Alkoholkonsum die Grenze zwischen Privatbereich und Ausübung des Zahnarztberufs klar trennen wird, und erscheint es nicht fernliegend, dass sich der hohe Alkoholkonsum im Privatbereich auch auf die Berufstätigkeit auswirken wird.
Vgl. VG München, Beschluss vom 20. April 2007 – M 16 S 07.1147 –, juris, zu Amphetaminkonsum.
Dies gilt um so mehr, als sich in den vorliegenden Verwaltungsvorgängen Anhaltspunkte dafür finden, dass die Antragstellerin möglicherweise in beruflich belastenden Situationen zum Alkohol oder zu alkoholhaltigen Mitteln greift. So wird in dem den Unfall vom 3. März 2004 betreffenden Strafurteilen des Amtsgerichts Aachen vom 12. Dezember 2005 – 31 Ls 502 Js 127/04 70/05 – und des Landgerichts Aachen vom 7. Mai 2008 – 72 Ns 502 Js 127/04 154/07 – ausgeführt, dass die Antragstellerin am Nachmittag des Tages nach einem Streitgespräch mit einer Praxisangestellten etwa 0,2 l Melissengeist, ein Mittel mit einem relativ hohen Alkoholgehalt, zu sich genommen habe. Dieses Verhalten rechtfertigt die Annahme, dass sie, jedenfalls teilweise, berufliche Belastungssituationen offenbar nur mit Hilfe von Alkohol bestehen kann. Da sich derartige Situationen in ihrer täglichen Praxis als Kieferorthopädin jederzeit ergeben können/werden, ist deshalb nicht auszuschließen und erscheint es nicht nur als fernliegende Möglichkeit, dass sie zu deren Bewältigung zum Alkohol greifen wird. Die damit verbundene Gefährdung des Wohlergehens der Patienten ist auch für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht hinnehmbar. Diesem – nicht nur abstrakt anzunehmenden – Risiko von Patientengefährdungen in Folge der extensiven Alkoholkonsumierung der Antragstellerin kann nicht effektiv dadurch begegnet werden, dass ihr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig die Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit unter Bedingungen oder Auflagen gestattet wird, zumal nach den Ausführungen der Gutachter ihre Trinkgewohnheiten mit ihrer – für Außenstehende kaum erfassbaren – Persönlichkeitsstruktur zusammenhängen und außerdem ihr Alkohol-Trinkverhalten und die strikte Einhaltung der gebotenen totalen Alkoholabstinenz einer unmittelbaren Kontrolle durch Dritte weitgehend entzogen sind. Aus diesem Grunde und angesichts des gesamten Verfahrensverlaufs scheidet auch die Möglichkeit einer erneuten vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens, etwa in der Weise, dass der Antragstellerin „als allerletzte Chance“ die Beibringung der geforderten Unterlagen für den Nachweis der völligen Alkoholabstinenz innerhalb einer bestimmten Frist zugestanden wird, aus.



Hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ruhensanordnung in Form des besonders gewichtigen Rechtsguts des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit und des Wohlergehens der Patienten der Antragstellerin haben deren aus der Berufsausübungsfreiheit folgenden sowie deren wirtschaftliche Interessen zurückzutreten. Auf die entsprechenden Ausführungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2009 und im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts wird insoweit Bezug genommen. Auf Grund der Anordnung des Ruhens der Approbation darf die Antragstellerin zwar nicht den zahnärztlichen Beruf ausüben (§ 5 Abs. 3 ZHG), es ist ihr aber möglich, die Praxis durch einen Stellvertreter weiterführen zu lassen, was dazu beiträgt, dass ihr der vorhandene Patientenstamm nicht völlig verloren gehen wird. Im Übrigen besteht für die Antragstellerin, unabhängig von dem allgemeinen Charakter einer Ruhensanordnung als befristete und vorübergehende Präventivmaßnahme, die Chance, über eine möglichen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO eine andere Entscheidung zur Vollziehbarkeit und zu den Wirkungen der Ruhensanordnung zu erlangen, wenn sie noch während des Hauptsacheverfahrens den eindeutigen Nachweis ihrer Alkoholabstinenz erbringen sollte.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht ist nicht relevant, da das Begehren der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren abschließend beurteilt werden kann und in der Sache keinen Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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