Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 15.09.2016 - III-4 RVs 107/16 - Zur Feststellung, dass ein Bordellparkplatz zum öffentlichen Verkehrsraum gehört

OLG Hamm v. 15.09.2016: Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellung, ob ein versteckt liegender Bordellparkplatz zum öffentlichen Verkehrsraum gehört


Das OLG Hamm (Beschluss vom 15.09.2016 - III-4 RVs 107/16) hat entschieden:

   Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird. Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen.


Siehe auch Öffentlicher und nichtöffentlicher Verkehr und Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht


Gründe:

I.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 35 Euro verurteilt und gegen ihn eine sechsmonatige Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verhängt.

Das Amtsgericht ist zu folgenden Feststellungen gelangt:

   "Am 12.12.2015 gegen 2:23 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem Personenkraftwagen der Marke U - amtliches Kennzeichen ... in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand auf dem zu dem dortigen Bordell gehörenden Parkplatz der Anschrift W ...d in X und legt dabei mit dem Personenkraftwagen eine Strecke von insgesamt ungefähr acht Metern zurück.

In diesem Zusammenhang beabsichtigte der Angeklagte - nachdem es mit der Zeugin U2 Ärger wegen einer überhöhten Rechnung gegeben hatte - mit dem Fahrzeug, um eine weitere Eskalation zu vermeiden, von dem Parkplatz des Bordells auf einen anderen Parkplatz zu fahren. Von dort aus wollte der Angeklagte seinen Onkel anrufen, um sich abholen zu lassen. Die Zeugin U2 versuchte zwischenzeitlich dem Angeklagten den Schlüssel von seinem Fahrzeug abzunehmen.

Die Untersuchung der dem Angeklagten am 12.12.2015 um 3:27 Uhr entnommenen Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 2,08 v.T. ergeben. Diese Blutalkoholkonzentration bewirkte die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten; diese Fahruntüchtigkeit war dem Angeklagten auch bewusst."

Diese Feststellungen beruhten auf dem Geständnis des Angeklagten bzw. dem verlesenen BAK-​Gutachten.

Außerhalb der eigentlichen Feststellungen zur Sache hat das Amtsgericht in tatsächlicher Hinsicht weiterhin festgestellt, dass der Parkplatz "Bordellbesuchern und weiteren Personen (z.B. Angestellte; Reinigungskräfte etc.) - mithin einem unbestimmten Personenkreis" offenstehe. Der Parkplatz sei nur über eine schmale Zufahrt erreichbar, das Bordell werde nicht beworben und befinde sich in einer versteckt liegenden Immobilie.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere meint er, dass die Tatörtlichkeit nicht zum öffentlichen Verkehrsraum gehöre, so dass eine Strafbarkeit nach § 316 StGB ausscheide.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.





II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Den Bestand des Urteils gefährdet allerdings noch nicht, dass die Feststellung, dass es sich bei dem Tatort um eine einem unbestimmten Personenkreis zugängliche Fläche handelt (wobei dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnommen werden kann, dass dieser unbestimmte Personenkreis mit Fahrzeugen Zugang zu ihr haben soll), nicht bei den eigentlichen Feststellungen zur Sache (unter II.) erscheint, sondern erst im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Das Strafurteil bildet eine Einheit und die Bedeutung tatsächlicher Feststellungen wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese nicht an der üblichen Stelle getroffen werden (Meyer-​Goßner in: Meyer-​Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 267 Rdn. 3 m.w.N.).

Indes ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bzgl. der Tatörtlichkeit rechtlich zu beanstanden. Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn sie rechtsfehlerhaft ist, insbesondere wenn sie Widersprüche oder erhebliche Lücken aufweist oder gegen mit Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht vereinbar ist (vgl. nur: BGH NStZ-​RR 2007, 268; BGH Urt. v. 07.06.2011 - 5 StR 26/11 = BeckRS 2011, 17008).



Im vorliegenden Fall ist die Beweiswürdigung bzgl. der Feststellung, dass es sich bei der Tatörtlichkeit um einen einem unbestimmten Personenkreis zur verkehrsüblichen Nutzung offenstehender Parkplatz handelt, lückenhaft. Tathandlung des § 316 StGB ist das Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr in infolge Alkohols oder anderer berauschender Mittel fahruntüchtigem Zustand. Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird. Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen (BGH Beschl. v. 30.01.2013 - 4 StR 527/12 = BeckRS 2013, 03969 m.w.N.). Das Amtsgericht teilt vorliegend nicht mit, auf welcher Grundlage es zu der Feststellung gelangt, dass der tatörtliche Parkplatz einem unbestimmten Personenkreis zur verkehrsüblichen Nutzung offenstand. Auf dem Geständnis des Angeklagten kann diese Feststellung nicht beruhen. Das ergibt sich schon aus dem Aufbau des Urteils und der Formulierung in der Beweiswürdigung, dass "die vorstehend ... getroffenen Feststellungen" auf dem Geständnis des Angeklagten beruhten. Die vorstehenden Feststellungen sind indes allein die oben wörtlich zitierten Angaben zum Tatgeschehen. Auch Zeugen oder andere Beweismittel benennt das Amtsgericht für seine Feststellung bzgl. des Parkplatzes nicht. Es ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache, dass der zu dem Bordell gehörende Parkplatz zum öffentlichen Verkehrsraum in dem o.g. Sinne gehört. Dies gilt insbesondere hier vor dem Hintergrund, dass der Parkplatz zu einem Bordell gehörte, welches sich in einer "versteckt liegenden Immobilie" befand, nur über eine schmale Zufahrt befahrbar war und das Bordell (gemeint ist offenbar an: an der Straße) nicht beworben wird. Hier stellt sich schon die Frage, ob bzw. wie ein größerer Personenkreis überhaupt davon Kenntnis haben sollte, dass sich hinter der schmalen Zufahrt ein Parkplatz eines Bordells befinden sollte. Insoweit liegt eher der Schluss nahe, dass der Parkplatz tatsächlich nur wenigen "Eingeweihten" (z.B. Personal und/oder Stammkunden) offenstand.

Es bedarf daher noch weiterer Feststellungen zur Sache, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen war (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Einer vollständigen Aufhebung der Feststellungen bedurfte es indes nicht, da die übrigen Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen wurden.

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