Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 02.02.2017 - 2 C 22/16 - Zweck der Gesamtschuld in § 48 Satz 2 BeamtStG

BVerwG v. 02.02.2017: Keine Fürsorgepflicht des Dienstherrn, durch Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein Beamter nicht grob fahrlässig handelt (hier: Falschtanken)


Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 02.02.2017 - 2 C 22/16) hat entschieden:

  1.  Der Dienstherr ist nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, durch technische oder organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu Handlungen des Beamten kommen kann, die wegen grober Fahrlässigkeit zu einem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten gemäß § 48 Satz 1 BeamtStG führen.

  2.  Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 48 Satz 2 BeamtStG dient nicht dem Schuldnerschutz, sondern dem öffentlichen Interesse an der raschen Durchsetzung der Forderung des Dienstherrn. Dementsprechend ist es regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn der Dienstherr die Gesamtschuldner ungeachtet ihrer Verschuldens- oder Verursachungsbeiträge jeweils in voller Höhe.


Siehe auch Tanken - grobe Fahrlässigkeit durch Betanken des Dienstfahrzeugs mit falschem Kraftstoff und Haftung des Beamten gegenüber dem Dienstherrn und Verkehrsrecht


Tatbestand:


Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zum Schadensersatz wegen der Falschbetankung eines Polizeifahrzeugs.

Der Kläger und der Beigeladene stehen als Polizeivollzugsbeamte im Dienst des Landes Mecklenburg-​Vorpommern. Ihr Polizeihauptrevier gehört zum Zuständigkeitsbereich des beklagten Polizeipräsidiums.

Im August 2012 fuhr der Kläger mit dem Beigeladenen in einem mit einem Dieselmotor ausgestatteten Dienstkraftfahrzeug zu einer Tankstelle. Der Kläger tankte Superbenzin. Der Beigeladene bezahlte den Kraftstoff mit einer Tankkarte. Anschließend fuhren beide weiter. Die Falschbetankung des Fahrzeugs wurde erst vier Tage später festgestellt.

Der Beklagte forderte vom Kläger Schadensersatz in Höhe von 4 464,61 €; gleichzeitig zog er auch den Beigeladenen zum Schadensersatz heran. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Nach Erhebung der Klage durch den Kläger zahlte eine Versicherung des Beigeladenen an den Beklagten zur Abgeltung 2 044,83 €. Daraufhin hat der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid insoweit aufgehoben, als der Kläger über einen Betrag von 2 419,78 € hinaus herangezogen worden ist. Im Hinblick auf diesen Änderungsbescheid haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe von 2 044,83 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden ist. Den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2014 und des Änderungsbescheids vom 12. März 2015 hat es aufgehoben, soweit er einen Betrag von 1 303,63 € überschreitet. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:




Bei der Falschbetankung habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt. Allerdings sei der Schadensersatzanspruch aufgrund eines mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn zu kürzen. Der Dienstherr habe die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er keinen Tankadapter eingebaut habe. Dieser hätte die Falschbetankung bereits im Ansatz verhindert. Der Mitverschuldensanteil des Beklagten sei mit einem Anteil von 25 v.H. zu bemessen. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, der Dienstherr dagegen bedingt vorsätzlich.

Hiergegen richten sich die Sprungrevisionen des Klägers und des Beklagten.

Der Kläger beantragt,

   das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2014 und des Änderungsbescheids vom 12. März 2015 in vollem Umfang aufzuheben,

und

die Sprungrevision des Beklagten zurückzuweisen.


Der Beklagte beantragt,

   das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 aufzuheben, soweit es der Klage stattgeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

und

die Sprungrevision des Klägers zurückzuweisen.





Entscheidungsgründe:


Die Sprungrevision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es die Bescheide des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zum Schadensersatz wegen der Annahme eines Mitverschuldens des Dienstherrn aufgehoben hat. Die Sprungrevision des Klägers ist unbegründet, weil die Bescheide über seine Heranziehung zum Schadensersatz in vollem Umfang rechtmäßig sind.

1. Nach § 48 BeamtStG haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner.

Bei der Betankung des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Polizeifahrzeugs mit Superbenzin hat der Kläger im Sinne von § 48 Satz 1 BeamtStG grob fahrlässig die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, das ihm vom Dienstherrn anvertraute dienstliche Material sorgsam zu behandeln.

Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten des Beamten. Dementsprechend muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, d.h. der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Beamten beurteilt werden, ob und in welchem Maß das Verhalten fahrlässig war. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 2.03 - BVerwGE 120, 370 <374>). Diese Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die Betankung des Polizeifahrzeugs mit Superbenzin erfüllt.

Das Verwaltungsgericht hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass im Bereich des beklagten Polizeipräsidiums zum Zeitpunkt des Vorfalls ausschließlich Dieselfahrzeuge verwendet wurden und dass dem Kläger am Tag des Vorfalls auch bewusst war, mit einem Dieselfahrzeug unterwegs zu sein.

Jedem Kraftfahrzeugführer ist die Bedeutung der unterschiedlichen Kraftstoffarten bekannt. Um gravierende Schäden am Kraftfahrzeug zu vermeiden, leuchtet es jedem Nutzer ein, dass beim Betanken des Fahrzeugs auf die Wahl der richtigen Zapfpistole und damit Kraftstoffart besonders zu achten ist. Dadurch dass sich der Kläger beim Tankvorgang nicht vergewissert hat, die richtige Zapfpistole gewählt zu haben, hat er diejenigen Verhaltenspflichten missachtet, die jedem Kraftfahrzeugführer beim Betanken eines Kraftfahrzeugs ohne weiteres einleuchten. Umstände, die Anlass geben könnten, im konkreten Fall den Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht ausnahmsweise anders zu bewerten, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt.

2. Der Anspruch des Dienstherrn des Klägers auf Ersatz des durch die Falschbetankung entstandenen Schadens ist nicht wegen eines Mitverschuldens des Dienstherrn nach § 254 BGB zu reduzieren. Denn der Dienstherr des Klägers war - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - nicht aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) gehalten, einen Tankadapter einzubauen, der die Falschbetankung technisch ausgeschlossen und den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte.




a) Wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer für den Schaden verantwortlicher Beamter (§ 48 Satz 2 BeamtStG) ist dem in Anspruch genommenen Beamten die Berufung auf § 254 BGB mit der Begründung, bei der Entstehung des Schadens hätten schuldhafte Pflichtverletzungen anderer Beamter mitgewirkt, grundsätzlich verwehrt. Die gesetzliche Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der in Anspruch genommene Beamte jeweils das zur Mithaftung führende Verschulden anderer Beamter dem Dienstherrn als dessen Mitverschulden entgegenhalten könnte. Denn bei Anerkennung eines Mitverschuldens wäre der Staat dann, weil er durch Verschulden mehrerer Beamter geschädigt worden ist, wegen der Reduzierung seines Schadensersatzanspruchs schlechter gestellt als bei schuldhafter Schadenszufügung durch einen einzigen Beamten (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1969 - 2 C 80.65 - BVerwGE 34, 123 <131 f.>).

Die Anwendung von § 254 Abs. 2 BGB kommt aber dann ausnahmsweise in Betracht, wenn dieser andere Beamte den Schaden dadurch schuldhaft mitverursacht hat, dass er eine Dienstpflicht vernachlässigt hat, zu deren Erfüllung namens des Dienstherrn - z.B. auf Grund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht - er gerade gegenüber dem in erster Linie den Schaden verursachenden Beamten verpflichtet gewesen ist (BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1976 - 2 C 55.73 - BVerwGE 50, 102 <109> und vom 29. August 1977 - 6 C 68.72 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23 S. 24).

b) Der Dienstherr des Klägers war nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, durch technische oder organisatorische Vorkehrungen (z.B. Einbau eines Tankadapters) sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu Handlungen des Beamten kommen kann, die wegen seines grob fahrlässigen Verhaltens nach § 48 Satz 1 BeamtStG zwingend zu einem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn führen. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen den vom Normgeber in speziellen Vorschriften getroffenen Entscheidungen über die Rechte und Pflichten des Dienstherrn und Beamten einerseits und der generellen Fürsorgepflicht des Dienstherrn andererseits.

Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, eine abstrakt-​generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3 und vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> jeweils m.w.N.).

Nach § 48 Satz 1 BeamtStG ist die Verpflichtung des Beamten zum Ersatz des dem Dienstherrn entstandenen Schadens auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln des Beamten beschränkt. Diese Regelung über die begrenzte Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn stellt auch im Hinblick auf die Interessen der Beamten eine abschließende Regelung dar. Diese Risikoverteilung kann nicht aufgrund anderer beamtenrechtlicher Vorschriften, insbesondere der Fürsorgepflicht, im Ergebnis wieder umgestoßen werden (BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1981 - 2 B 4.80 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26 S. 2 m.w.N.). Dementsprechend gebietet auch die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn nicht, den Beamten von der im Gesetz vorgesehenen Haftung durch Abschluss einer Versicherung zu seinen Gunsten letztendlich freizustellen (BVerwG, Urteil vom 17. September 1964 - 2 C 147.61 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5 S. 27 oder seine Haftung in anderer Weise auf einen Bruchteil des Gesamtschadens zu begrenzen (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1972 - 6 C 22.68 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18 S. 47 und Beschluss vom 18. Februar 1981 - 2 B 4.80 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26 S. 2 m.w.N.).

Dieses Verhältnis von spezieller gesetzlicher Regelung und der allgemeinen Fürsorgepflicht gilt auch für die Frage, ob der Dienstherr aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten ist, seinerseits Vorkehrungen zu treffen, um von vornherein Pflichtverletzungen des Beamten auszuschließen, die ohne diese kostenträchtigen Maßnahmen des Dienstherrn zu Schadensersatzansprüchen gegen den betreffenden Beamten wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung von Gegenständen des Dienstherrn führen würden.


Auf den Aspekt, das Ergreifen von Schutzmaßnahmen gegen eine Falschbetankung eines Dienstfahrzeugs liege gerade im Eigeninteresse des Dienstherrn, weil auf diese Weise die Einsatzfähigkeit der Kraftfahrzeuge dauerhaft gesichert sei, kann sich der Kläger nicht berufen. Denn es obliegt dem Dienstherrn zu entscheiden, ob es die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Polizei im Bereich des betroffenen Polizeipräsidiums erfordert, dass ein zu erwartender Ausfall eines Dienstfahrzeugs wegen einer Falschbetankung im Interesse der Einsatzfähigkeit der Polizei in jedem Fall zu verhindern ist.

3. Die Bescheide, mit denen der Beklagte den Kläger zum Schadensersatz in voller Höhe herangezogen hat, sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte zugleich gegen den Beigeladenen vorgegangen ist und die Höhe der Heranziehung nicht von den jeweiligen Verschuldens- oder Verursachungsanteilen der Gesamtschuldner abhängig gemacht hat.

a) Der Kläger, der getankt hat, und der Beigeladene, der seine Heranziehung zum Schadensersatz nicht angegriffen hat, haften nach § 48 Satz 2 BeamtStG als Gesamtschuldner im Sinne von §§ 421 f. BGB.

Die gesamtschuldnerische Haftung nach § 48 Satz 2 BeamtStG setzt anders als § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB keine gemeinschaftliche Begehung der Pflichtverletzung im Sinne eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens voraus. Es reicht vielmehr ein ungewolltes, den Beamten unter Umständen nicht einmal bewusstes Verhalten aus. Jeder der beteiligten Beamten haftet für den vollen Schaden, wenn und soweit sich feststellen lässt, dass der Schaden auch durch die grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung dieses Beamten adäquat verursacht ist, d.h. ohne seine Dienstpflichtverletzung nicht entstanden wäre (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1969 - 2 C 80.65 - BVerwGE 34, 123 <131>).

Im Bereich des Zivilrechts ist allgemein anerkannt, dass der Gläubiger von sämtlichen Gesamtschuldnern in getrennten Verfahren jeweils die gesamte Leistung verlangen kann. Bis zur Erfüllung kann der Gläubiger auch gegen mehrere Schuldner gleichzeitig vollstrecken (Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 421 Rn. 11 und Looschelders, in: Staudinger, BGB, Stand Januar 2012, § 421 Rn. 135). Dies gilt auch für den Bereich des öffentlichen Rechts, wenn eine Behörde gegen mehrere Gesamtschuldner vorgeht. Sie muss nicht auf die gesamtschuldnerische Haftung hinweisen, wenn sie jeweils den vollen Betrag in getrennten Bescheiden gegen mehrere Gesamtschuldner geltend macht (BFH, Urteil vom 5. November 1980 - II R 25/78 - BFHE 132, 114 <115 f.>).

Den aus § 48 Satz 2 BeamtStG und § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Zusammenhang zwischen den Zahlungsverpflichtungen des Klägers und des Beigeladenen hat der Beklagte beachtet. Denn unmittelbar nach Eingang der Zahlung der Versicherung des Beigeladenen hat der Beklagte den gegen den Kläger erlassenen Heranziehungsbescheid teilweise aufgehoben.



b) An die Stelle des "Beliebens" des Gläubigers im Sinne von § 421 Satz 1 BGB tritt bei einer öffentlich-​rechtlichen Forderung das fehlerfreie Auswahlermessen des Gläubigers (BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 - 8 C 138.81 - Buchholz 11 Art. 108 GG Nr. 1 S. 5 m.w.N.). Zweck der gesetzlichen Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung, der für die Ausübung des Ermessens maßgeblich ist (vgl. § 40 VwVfG), ist aber nicht der Schutz der Schuldner. Vielmehr soll im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und der Effizienz des Gesetzesvollzugs die rasche Durchsetzung der öffentlich-​rechtlichen Forderung gewährleistet werden (BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 10 S. 91 <101> und vom 21. Oktober 1994 - 8 C 11.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 38 S. 13).

Nach dem dargestellten Verhältnis von ausdrücklicher Regelung durch den Gesetzgeber und der allgemeinen Fürsorgepflicht (Rn. 22) kann die gesetzliche Ermächtigung, gegen mehrere Gesamtschuldner jeweils in voller Höhe vorzugehen, nicht unter Berufung auf die Fürsorgepflicht abgeändert werden. Dementsprechend ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte beide Gesamtschuldner ungeachtet ihrer Verschuldens- und Verursachungsbeiträge in voller Höhe zum Schadensersatz herangezogen hat. Anhaltspunkte für die Annahme, die Inanspruchnahme des Klägers sei wegen der Höhe der Zahlungsverpflichtung unverhältnismäßig und deshalb ermessensfehlerhaft, bestehen angesichts der - reduzierten - Forderung des Beklagten in Höhe von 2 419,78 € nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, hat er seine Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).

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