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OLG Oldenburg Beschluss vom 31.01.2011 - 2 SsBs 175/10) - Zur Wirksamkeit des vom unterbevollmächtigten Verteidiger erklärten Rechtsmittelverzichts

OLG Oldenburg v. 31.01.2011: Zur Wirksamkeit des vom unterbevollmächtigten Verteidiger erklärten Rechtsmittelverzichts




Das OLG Oldenburg (Beschluss vom 31.01.2011 - 2 SsBs 175/10) hat entschieden:

   Ein unterbevollmächtigter Verteidiger kann in einer Bußgeldsache auch dann wirksam auf Rechtsmittel verzichten, wenn sich eine Vertretungsvollmacht im Zeitpunkt des Rechtsmittelverzichtes nicht bei der Akte befindet, eine Ermächtigung zum Verzicht aber erteilt worden war.

Siehe auch
Die Ermächtigung zur Beschränkung und Rücknahme von Rechtsbehelfen in der Verteidiger-Vollmacht
und
Die Rechtsmittelbeschränkung


Gründe:


Durch Urteil des Amtsgerichts Jever vom 10.12.2009 ist der Betroffene wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 400,00 Euro verurteilt worden.

Mit Schriftsatz seines seinerzeitigen Verteidigers B... vom 03.12.2009 hatte der Betroffene beantragt, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin vom 10.12.2009 zu entbinden. Im Termin selbst war für den Betroffenen als Unterbevollmächtigter Rechtsanwalt W... aus J... erschienen, der nach Verkündung des Urteils Rechtsmittelverzicht erklärte.

Mit einem am 17. Dezember 2009 eingegangenen Schriftsatz legte Rechtsanwalt B... Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein. Diese Rechtsbeschwerde ist am 22. Januar 2010 schriftsätzlich zurückgenommen worden.

Mit einem am 23. April 2010 eingegangenen Schriftsatz seines jetzigen Verteidigers hat der Betroffene erneut Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.




Auf Anforderung der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg vom 19.11.2010 ist die Strafprozessvollmacht des Betroffenen vom 30.08.2009, ausgestellt auf Rechtsanwalt B..., die auch die Ermächtigung, Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen und auf solche zu verzichten, enthielt, sowie die Untervollmacht für Rechtsanwälte Dr. B... und W... vom 03.12.2009 zur Akte gelangt.

Der Betroffene macht geltend, der von Rechtsanwalt W... seinerzeit erklärte Rechtsmittelverzicht sei unwirksam, da im Zeitpunkt der Hauptverhandlung dem Gericht eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Rechtsbeschwerde für unzulässig.

Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern vorgelegt.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG, da eine Geldbuße von mehr als 250,00 Euro festgesetzt worden ist.

Sie ist jedoch als unzulässig zu verwerfen, da ihr der von Rechtsanwalt W... erklärte Rechtsmittelverzicht entgegensteht.




Der Rechtsmittelverzicht ist wirksam. Ausweislich der zur Akte gelangten Vollmacht für Rechtsanwalt B... war dieser ausdrücklich ermächtigt, auf Rechtsmittel zu verzichten. Da die Vollmacht für ein Bußgeldverfahren erteilt worden war, ergab sich aus der Ermächtigung eindeutig, dass sie sich lediglich auf eine Rechtsbeschwerde bzw. einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als einzig mögliche Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitenverfahren beziehen konnte. Die Rechtsanwalt W... erteilte Untervollmacht hatte mangels anderweitiger Bestimmung denselben Umfang wie die Hauptvollmacht.

Gemäß § 73 Abs. 3 OWiG kann sich ein Betroffener, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden ist, durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen. Zwar ist eine ausdrückliche Entscheidung über den gestellten Entbindungsantrag nicht getroffen worden. Da jedoch in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt worden ist, ist von seiner konkludenten Entbindung auszugehen. Eine Vertretung durch Rechtsanwalt W... im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG konnte nicht erfolgen, da sich eine schriftliche Vollmacht zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht bei den Akten befand. Dabei ist zwar unschädlich, wenn die Untervollmacht nicht schriftlich erteilt worden ist (vgl. BayObLG, NZV 91, 403). Allerdings lag auch die Hauptvollmacht dem Gericht nicht in schriftlicher Form vor. Dies ist jedoch Voraussetzung für eine wirksame Vertretung (vgl. zu § 234 StPO: Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 234 Rdn. 5).

Der fehlende Nachweis der Vertretungsbefugnis hindert jedoch die Wirksamkeit des erklärten Rechtsmittelverzichts nicht.



Zu der § 73 Abs. 3 OWiG entsprechenden Vorschrift des § 234 StPO wird ausgeführt, im "Interesse eines sicheren Nachweises und aus Gründen der Prozessklarheit" werde das Vorliegen der Vollmacht in schriftlicher Form verlangt (Löwe-Rosenberg/ Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 234 Rdn. 1) bzw. "das Gericht (solle)einen sicheren Nachweis für die Vertretungsmacht des Verteidigers haben" (KK-Gmel, StPO, 6. Aufl., § 234 Rdn. 3). Das bedeutet, dass der Schutzzweck der Norm nicht darin besteht, den Betroffenen vor Erklärungen seines von ihm bevollmächtigten Verteidigers zu bewahren.

Zwar hat das BayObLG (a.a.O.) ausgeführt, dass über die Befugnis des Unterbevollmächtigten zum Rechtsmittelverzicht umgehend Klarheit herrschen müsse (und damit begründet, dass es eines schriftlichen Nachweises der Untervollmacht nicht bedürfe). Andererseits hat der BGH entschieden, dass der Nachweis der Ermächtigung zu einer Rechtsmittelrücknahme auch noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden könne (NStZ-RR 10, 55).

Die Erklärung über den Rechtsmittelverzicht ist nach Verkündung des Urteils abgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt spielte die Frage, ob der erschienene Verteidiger zur Vertretung des Betroffenen berechtigt war oder nicht, für die eigentliche Verhandlung keine Rolle mehr. Auch bei einer Rücknahme eines Rechtsmittels, das zunächst eingelegt worden ist, besteht ohne den Nachweis der Ermächtigung für das Gericht die Unsicherheit, ob es ein "langes" Urteil zu den Akten bringen muss oder nicht, falls noch nicht geschehen. Nichts anderes gilt aber, wenn schon von vornherein ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird, ohne dass die Ermächtigung nachgewiesen wird. Eine überzeugende Begründung dafür, dass im Falle des Rechtsmittelverzichtes der Nachweis der Ermächtigung nicht nachgereicht werden kann, im Falle einer Rechtsmittelrücknahme jedoch schon, ist nicht vorhanden.

Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu verwerfen. Da der Rechtsmittelverzicht wirksam war, ist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen (vgl. BGH, NStZ-RR 10, 55 f).

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