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OLG Nürnberg Urteil vom 02.08.2013 - 5 U 562/13 - Zur Beweislast des Versicherers für das Vorliegen von Vorsatz

OLG Nürnberg v. 02.08.2013: Zur Beweislast des Versicherers für das Vorliegen von Vorsatz




Das OLG Nürnberg (Urteil vom 02.08.2013 - 5 U 562/13) hat entschieden:

Der Haftpflichtversicherer ist im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den Schaden des Dritten herbeigeführt hat (§ 103 VVG). Vorsatz - auch im Sinne des § 103 VVG - bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs; der Handelnde muss also den rechtswidrigen Erfolg seines Verhaltens voraussehen und trotzdem den Willen haben, sich entsprechend zu verhalten; zum Vorsatz gehört auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Tat; bedingter Vorsatz genügt. Die Beweislast hierfür liegt beim Versicherer.

Siehe auch
Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung
und

Gründe:


I.

Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom 26.11.2012, bei dem eine LKW-​Sattelzugmaschine der Klägerin durch den Aufprall eines bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Personenkraftwagens (dessen Halterin und Fahrerin zum Unfallzeitpunkt die am Berufungsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 2) war) erheblich beschädigt wurde.

Zum Unfallzeitpunkt gegen 4.30 Uhr war der Sattelzug der Klägerin an der Laderampe ... nach Durchführung des Entladevorganges abgestellt. Der Fahrer befand sich im Führerhaus und war mit den Frachtpapieren beschäftigt. Die Beklagte zu 2), die mit dem Ausfahren von Zeitungen beschäftigt war, war kurz nach dem Sattelzug der Klägerin auf das Gelände ..., die Beklagte zu 2) ihr Fahrzeug, einen PKW Marke Fiat, während der Entladetätigkeit auf dem Parkplatz des Marktes stehen ließ und welcher Tätigkeit sie in diesem Zeitraum selbst nachging, ist nicht geklärt. Plötzlich setzte die Beklagte zu 2) ihren PKW in Bewegung und steuerte ihn - möglicherweise bei ausgeschalteter Beleuchtung - frontal gegen die mit eingeschaltetem Abblendlicht stehende Sattelzugmaschine; die Kollisionsgeschwindigkeit betrug nach den Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen 52 bis 68 km/h. Bei dem Unfall wurde die Beklagte zu 2) erheblich verletzt, ihr Kraftfahrzeug wurde zerstört. An der Sattelzugmaschine entstand erheblicher Sachschaden. Nach einem Gutachten des ... vom 23.12.2011 betrugen die Reparaturkosten bei einer Reparaturdauer von 15 Arbeitstagen 25.414,02 EUR netto.




Die Klägerin hat zunächst mit der Behauptung, die Beklagte zu 2) sei infolge Unaufmerksamkeit gegen den LKW der Klägerin gestoßen, woraus sich die alleinige Haftung der Beklagten zu 1) als Haftpflichtversicherer ergebe, die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 30.929,47 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.099,00 EUR in Anspruch genommen. Die Klagesumme setzt sich aus den genannten Reparaturkosten gem. Gutachten vom 23.12.2011, den Kosten dieses Gutachtens in Höhe von 1.546.00 EUR netto (Rechnung des ... vom 23.12.2011), Abschleppkosten in Höhe von 289,45 EUR netto, Vorhaltekosten der Klägerin für die Dauer des Ausfalles des beschädigten, inzwischen reparierten LKW in Höhe von 2.850,00 EUR (19 Tage zu je 150,00 EUR) und einer Pauschale von 30 EUR zusammen. Als verzugsbegründend hat die Klägerin ein Schreiben ihrer Bevollmächtigen vom 29.12.2011 angeführt, das eine Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung von 14 Tagen ab dem Datum des Schreibens enthält. Die Klage ist am 3.4.2012 zugestellt worden.

Nachdem die Beklagte zu 1) den Einwand erhoben hatte, sie sei für den Schaden der Klägerin deshalb nicht eintrittspflichtig, weil die Beklagte zu 2), ihre Versicherungsnehmerin, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe, hat die Klägerin die Klage auf die Beklagten zu 2) erweitert und zur weiteren Begründung vorgebracht, bestritten werde, dass das Unfallgeschehen einen "suizidalen Hintergrund" habe, es werde auch bestritten, dass die Beklagte zu 2) absichtlich ihren PKW ungebremst gegen die Sattelzugmaschine gelenkt habe; der Unfall könne auch auf eine Unachtsamkeit der Fahrerin zurückzuführen sein. Bestritten werde auch, dass die Beklagte zu 2) seit geraumer Zeit unter psychischen Problemen gelitten habe. Sollte derartiges aber tatsächlich der Fall gewesen sein und dazu geführt haben, dass die Beklagte zu 2) in Selbsttötungsabsicht gehandelt habe, dann müsse auch angenommen werden, dass sich die Beklagte zu 2) hierbei in einem Zustand der Steuerungsunfähigkeit befunden habe, also im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe, sodass die Beklagte zu 1) dennoch nicht leistungsfrei sei.

Wegen der Fassung der Klageanträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.




Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, zwar sei sie Haftpflichtversicherer des den Unfall verursachenden Kraftfahrzeuges, müsse jedoch nicht für die Schäden der Klägerin eintreten, da der Versicherungsfall von der Beklagten zu 2) vorsätzlich herbeigeführt worden sei und die Beklagte zu 1) deshalb leistungsfrei sei; auch der Direktanspruch gem. § 115 VVG sei deshalb ausgeschlossen. Die polizeilichen Ermittlungen hätten ergeben, dass die Beklagte zu 2) ihren PKW im abgedunkelten Zustand beschleunigt und ohne jeden Versuch, den Zusammenprall zu vermeiden, gegen die Zugmaschine der Klägerin gelenkt habe. Die Polizeibehörde sei zu der Annahme gelangt, dass es sich um einen Selbsttötungsversuch gehandelt habe. Im Hinblick auf den anhängigen Strafprozess (gegen die Beklagte zu 2) werde die Aussetzung des Verfahrens gem. § 149 ZPO beantragt.

Die Beklagte zu 2) hat vorgebracht, sich an das Unfallgeschehen nicht mehr erinnern zu können, jedoch eine Selbsttötungsabsicht verneint Bestritten werde, dass die Beklagte zu 2) ihr Fahrzeug beschleunigt und ungebremst gegen die Sattelzugmaschine gelenkt habe und somit absichtlich den Schaden der Klägerin verursacht habe. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Beklagte zu 2) zum Unfallzeitpunkt schuldunfähig gewesen sei. Im Übrigen werde der Schaden sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten, und zwar hinsichtlich jeder einzelnen Schadensposition. Sollte die Beklagte zu 2) tatsächlich zum Schadensersatz verpflichtet sein, bestehe jedoch ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu 1).

Die Klägerin ist dem Aussetzungsantrag der Beklagten zu 1) entgegen getreten.

Das Landgericht hat den Fahrer der Sattelzugmaschine, ..., als Zeugen vernommen und ein mündliches Gutachten des Kfz-​Sachverständigen Dipl-​Ing. ... eingeholt; die Akten des polizeilichen Ermittlungsverfahrens hat es zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Sodann hat es mit Teil-​Endurteil vom 20.02.2013 die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, es habe die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte zu 2) den Verkehrsunfall vom 26.11.2011 vorsätzlich herbeigeführt habe. Nach den tatsächlichen Umständen könne ausgeschlossen werden, dass die Beklagte zu 2) ihren PKW versehentlich beschleunigt habe, ebenso ausgeschlossen sei eine Verwechselung der Zufahrt zur Laderampe mit der Ausfahrt aus dem ... . Zudem habe die Beklagte zu 2) den Zeugen ... bei dem Abstellen des Sattelzuges vor der Laderampe beobachtet. Bei vorsätzlicher Begehensweise sei die Haftung des Versicherers nach § 117 VVG ausgeschlossen und bestehe auch kein Direktanspruch des geschädigten Dritten nach § 115 VVG.

Der Rechtsstreit sei hinsichtlich der Beklagten zu 1) entscheidungsreif, während es im Verhältnis zur Beklagten zu 2) auf deren Schuldfähigkeit ankomme, die in einem im Strafverfahren derzeit erholten Gutachten erst noch zu klären sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Teilurteil vom 20.02.2013 ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 07.03.2012 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2013. der am 21.03.2013 bei dem Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt; mit weiterem Schriftsatz vom 28.03.2013. der am 04.04.2013 bei dem Berufungsgericht eingegangen ist, hat sie das Rechtsmittel begründet.

Die Klägerin verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge gegen die Beklagte zu 1) in voller Höhe weiter.

Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es habe sich in seiner Begründung selbst widersprochen. Die Frage der Schuldfähigkeit der Beklagten zu 2) sei auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1) von Bedeutung. Im Falle der Schuldunfähigkeit liege eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne des § 103 VVG nicht vor und sei deshalb ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer nicht ausgeschlossen. Deshalb hätte das Landgericht nicht ohne Feststellungen zur Schuldfähigkeit der Beklagten zu 2) über die gegen die Beklagte zu 1) erhobene Klage entscheiden dürfen. Diesbezüglich sei erstinstanzlich bereits Beweis angeboten worden. Im Übrigen sei die Beklagte zu 2) zwischenzeitlich im Strafverfahren freigesprochen worden, wohl deshalb, weil das eingeholte Gutachten Schuldunfähigkeit ergeben habe. Somit scheide die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens aus. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht zudem, dass sich der Vorsatz auch auf die Schadenszufügung (nach Art und Höhe) erstrecken müsse. Die Argumentation des vom Landgericht befragten Sachverständigen, mit der dieser eine Verwechslung der Laderampenzufahrt mit der Marktausfahrt durch die Beklagte zu 2) verneint habe, vermöge im Übrigen nicht zu überzeugen.


Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Teil-​Endurteil des Landgerichts Nürnberg-​Fürth vom 20.02.2013, Az. 2 O 2466/12, wird aufgehoben und die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2) verurteilt, an die Klägerin 30.129,47 EUR nebst einem Zinssatz von 5 %-​Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.01.2012 sowie 1.099,00 EUR nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Hilfsweise beantragt die Klägerin,

das Teilurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und gemeinsamen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Sollte sich das Berufungsgericht dem Landgericht anschließen, werde die Zulassung der Revision beantragt.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts zeige keine Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht sei deshalb an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden.


Hinsichtlich des Haftungsausschlusses bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles gelte der allgemeine zivilrechtliche Vorsatzbegriff, erforderlich sei also Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Dies sei vom Versicherer zu beweisen; der Beweis sei geführt. Hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen der Schuldfähigkeit bestünden nicht.

Wegen der weiten Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Akten des gegen die Beklagte zu 2) geführten Strafverfahrens (Landgericht Nürnberg-​Fürth, 3 Kls 702 Js 61060/2012) beigezogen und ein mündliches psychiatrisches Gutachten des ... eingeholt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12.07.2013 wird Bezug genommen.


II.

Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-​Fürth vom 20.02.2013 ist zulässig, insbesondere ist sie rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Nach ergänzender Beweisaufnahme durch den Senat erweist sich die Klage, soweit die Entscheidung durch die Anfechtung des Teil​urteiles dem Senat angefallen ist, als (im Wesentlichen) begründet. Nach § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG besteht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) als den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2).

1. Dass die Sattelzugmaschine der Klägerin bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2) beschädigt worden ist und damit die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG vorliegen, ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt. Keine Partei trägt zwar ausdrücklich vor, wer Halter des unfallverursachenden Kraftfahrzeuges Marke Fiat gewesen sei, doch kommt es im Hinblick auf den Anspruch gegen die Beklagte zu 1) hierauf nicht an. Etwas anderes gilt freilich für die Zulässigkeit der Entscheidung durch Teilurteil (dazu siehe unten).

2. Allerdings ist der Haftpflichtversicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den Schaden des Dritten herbeigeführt hat (§ 103 VVG). Nach § 117 Abs. 1 VVG besteht zwar grundsätzlich der in § 115 VVG normierte Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer auch dann, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer gänzliche oder teilweise Leistungsfreiheit besteht. Der Versicherer ist aber nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VVG in einem solchen Fall nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme und der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Aus dieser Vorschrift wird abgeleitet, dass bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer gleichwohl kein Direktanspruch besteht, denn die vom Versicherer übernommene Gefahr umfasst gerade nicht Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer aufgrund vorsätzlicher Schadenszufügung; bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Pflichtversicherungsgesetz, der für einen solchen Fall einen Anspruch gegen den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen gewährt (ebenso OLG Nürnberg, NZV 2011, 538; OLG Oldenburg SP 2010, 121 - zur früheren Rechtslage -; BGHZ 111, 372).




Von dieser Rechtslage ist zutreffend auch das Landgericht ausgegangen.

3. Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte zu 2) habe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt. Diese Feststellung beruht auf der Vernehmung des Zeugen ... sowie der Begutachtung durch den Sachverständigen Dipl.-​Ing. ... , nach Auffassung des Landgerichts kann der Unfall nicht anders erklärt werden als dadurch, dass die Beklagte zu 2) bewusst mit hoher Beschleunigung gegen den von ihr schon geraume Zeit zuvor bemerkten stehenden Sattelzug gefahren ist. Was die Beklagte zu 2) zu diesem Tun motiviert haben könnte, erörtert das Landgericht nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) ist der Senat an die Vorsatzfeststellung des Landgerichts nicht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, weil das Landgericht diese Feststellung auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage getroffen hat. Das Landgericht hat nämlich übersehen, dass eine etwaige Schuldunfähigkeit - oder Einschränkung der Schuldfähigkeit - der Beklagten zu 2) nicht nur (falls überhaupt) Auswirkungen auf die Haftung der Beklagten zu 2) haben kann, sondern auch (oder sogar nur) auf die Eintrittspflicht der Beklagten zu 1). Die Umstände, die zur Beeinträchtigung, wenn nicht zum Ausschluss der Schuldfähigkeit des Versicherungsnehmers oder des vom Versicherungsschutz umfassten, mit dem Versicherungsnehmer nicht identischen Fahrers führen können, können nämlich auch die Verneinung des Vorsatzes im Sinne des § 103 VVG begründen (BGH VersR 1998.1011). Der Senat hat deshalb den bereits im Strafverfahren gegen die Beklagte zu 2) als Sachverständigen hinzugezogenen Landgerichtsarzt Dr. K... zu dessen im Strafverfahren erstelltem schriftlichen Gutachten ergänzend angehört. Nach dem Ergebnis dieser Befragung kann, wie auch die dritte Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-​Fürth festgestellt hat, zum einen weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit festgestellt werden, dass die Beklagte zu 2) zum Unfallzeitpunkt vollständig schuldunfähig war, weshalb die Beklagte zu 2) im Strafverfahren nach dem Zweifelsgrundsatz freigesprochen worden ist. Es kann zum anderen aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Beklagte zu 2) bei der Herbeiführung des Unfalles im Sinne des § 103 VVG vorsätzlich gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieses vom Versicherer zu beweisen, jenes dagegen vom Versicherungsnehmer bzw. - im Falle der Geltendmachung eines Direktanspruches - von dem geschädigten Dritten (BGHZ 111, 372, bestätigt durch BGH VersR 2003, 1561). Dabei stellt sich die Frage der Schuldunfähigkeit, die hiernach zur Beweislast des Versicherungsnehmers bzw. des geschädigten Dritten steht, nur, wenn dem Versicherer der Beweis gelingt, dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Verbleiben hieran nicht auszuräumende Zweifel, kann offenbleiben, ob Schuldunfähigkeit bestanden hat.




Vorsatz - auch im Sinne des § 103 VVG - bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs; der Handelnde muss also den rechtswidrigen Erfolg seines Verhaltens voraussehen und trotzdem den Willen haben, sich entsprechend zu verhalten; zum Vorsatz gehört auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Tat; bedingter Vorsatz genügt. In Abweichung vom allgemeinen Deliktsrecht muss aber der Vorsatz, wenn er zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen soll, auch die Schadensfolgen umfassen, wie aus der Fassung des nunmehrigen § 103 VVG ausdrücklich hervorgeht, ohne dass hierdurch eine Abweichung von der früheren Rechtslage bewirkt werden sollte ... VVG, 3. Auflage. Rdnr 7 bis 9.

Der Vorsatznachweis kann indiziell durch Rückschluss aus dem objektiven Tatbestand geführt werden. Die objektiven Tatsachen, auf die sich das Landgericht denn auch gestützt hat, lassen in der Tat eine vorsätzliche Herbeiführung des Zusammenstoßes mit dem Sattelzug der Klägerin naheliegend erscheinen, allerdings drängt sich dann die Frage auf, weshalb die Beklagte zu 2) eine solche Handlung, die voraussehbar mindestens zu einer erheblichen eigenen Verletzung führen musste, bewusst vorgenommen haben sollte, wenn nicht in der Absicht der Selbstschädigung (Selbsttötung), wofür wiederum keine Anhaltspunkte gegeben sind und vom Landgericht auch nicht erörtert werden. Legen die äußeren Umstände den Schluss auf einen wenigstens bedingten Vorsatz, der auch die Schadensfolgen im Wesentlichen umfasst, nahe, so muss einem Beweisantrag des Geschädigten, der Versicherungsnehmer oder der mitversicherte Dritte habe im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt, nachgegangen werden. Der Senat hat deshalb die Akten des Strafverfahrens erneut beigezogen und den Sachverständigen ... angehört. Er hat sich hiernach zwar nicht die Überzeugung verschaffen können, dass tatsächlich zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens Schuldunfähigkeit (also ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit oder der Einsichtsfähigkeit) vorgelegen hat. es erscheint aber als durchaus möglich, dass sich die Beklagte zu 2) zum Unfallzeitpunkt krankheitsbedingt in einem Zustand befunden hat, der dazu geführt hat, dass sie Inhalt und Wesen ihrer Handlung nicht mehr erkennen konnte. Damit aber bestehen auch Zweifel am Vorliegen eines Vorsatzes. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, kann bei der Beklagten zu 2) die Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.1) gestellt werden. Zu einer solchen Diagnose war bereits die Psychiatrische Klinik des Klinikums Nürnberg aufgrund eines stationären Aufenthaltes der Beklagten zu 2) vom 14.12.2011 bis 18.01.2012 (im unmittelbaren Anschluss an die stationäre Behandlung in der Klinik für Unfall- und orthopädische Chirurgie desselben Klinikums) gelangt. Vom 23.05. bis 27.06.2012 hatte sich die Beklagte zu 2) im Bezirksklinikum Ansbach zur stationären Behandlung aufgehalten; damals wurde eine akute polymorphe psychotische Störung (ICD 10 F 23.1) diagnostiziert, Anlass für die Aufnahme war ein akuter Verwirrtheitszustand gewesen. Nach dem streitgegenständlichen Unfall hatten die erheblichen Unfallverletzungen der Beklagten zu 2) vorrangig der Behandlung bedurft, sodass eine unfallnahe Befunderhebung in psychiatrischer Hinsicht unterblieben war. Der Sachverständige Dr. K... hält aber im Hinblick auf das Geschehen im Mai 2012 das Vorliegen einer solchen akut polymorphen psychotischen Störung auch am 26.11.2011 für durchaus möglich; in diesem Falle könne ein akut psychotisches Erleben mit Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Ein derartiger Zustand könne, so der Sachverständige, auch dazu geführt habe, dass die Beklagte zu 2) den stillstehenden, jedoch beleuchteten Lastzug - in völlig irrealer Weise - nicht mehr als solchen, sondern als eine Bedrohung wahrgenommen habe, aus der sie sich durch das direkte Anfahren mit ihrem eigenen PKW habe befreien wollen. Unter dieser Annahme hätte es an einem Erkennen der Wirklichkeit und an dem Bewusstsein, eine fremde Sache zu beschädigen, gefehlt. Vorsatz hätte nicht vorgelegen. Auch einen - dann vorsätzlichen - Versuch der Selbsttötung wollte der Sachverständige nicht ausschließen, ohne ihn aber für überwiegend wahrscheinlich einzustufen. Bei dieser Erkenntnislage kann der Senat nicht die Überzeugung von einem vorsätzlichen Handelns der Beklagten zu 2) bei der Schadenszufügung gewinnen. Leistungsfreiheit der Beklagten zu 1) im Verhältnis zur Versicherungsnehmerin und damit auch im Verhältnis zur Klägerin scheidet somit aus.

4. Der Erlass eines Teilurteiles allein über die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist im vorliegenden Fall zulässig; die Gefahr, dass bei der Entscheidung über den noch offenen Teil der Klage ein inhaltlicher Widerspruch zu einem Teilurteil im Verhältnis zur Beklagten zu 1) auftritt, besteht nicht. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, sodass die Gefahr einander widerstreitende Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH NJW 1999, 1035 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Das gilt auch bei subjektiver Klagehäufung (BGH a.a.O.; OLG Dresden, Urteil vom 09.02.2012, 8 U 1128/11. zitiert nach Juris).

Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Landgerichts bestünde allerdings die Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung. Käme es im Verfahren gegen die Beklagten zu 2) wiederum auf vorsätzliches Handeln und Schuldunfähigkeit an. wäre eine abweichende Beurteilung nicht ausgeschlossen. Die Beweiswürdigung des Senats bindet das Landgerichts bei der Entscheidung gegen die Beklagte zu 2) nicht. Indessen sind diese Fragen im Verhältnis zur Beklagten zu 2) unerheblich. Die Beklagte zu 2) ist, wie sich zweifelsfrei aus den bereits vom Landgericht beigezogenen Ermittlungsakten der Polizei ergibt, nicht nur Fahrerin, sondern auch Halterin des PKW Fiat zum Unfallzeitpunkt gewesen. Dann aber besteht gegen sie ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG; selbst die Feststellung der Schuldunfähigkeit stünde diesem Anspruch nicht entgegen. Ob die Beklagte zu 2) vorsätzlich gehandelt hat, ist im Rahmen des gegen sie selbst gerichteten Anspruchs ohne Bedeutung.

Dass allein die Beklagte zu 2) - nicht aber die Beklagte zu 1) - den Schaden der Klägerin auch der Höhe nach bestritten hat, hindert den Erlass eines Teilurteiles nicht. Fahrzeughalter und Haftpflichtversicherung sind einfache Streitgenossen nach § 61 ZPO. Das hat zur Folge, dass die Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen, mithin im Verhältnis zur Beklagten zu 1) der behauptete Schaden als unbestritten anzusehen ist, während im Verhältnis zur Beklagten zu 2) möglicherweise eine Beweisaufnahme zu erfolgen hat, die auch zu einem abweichenden Ergebnis führen kann.



Unter Abänderung des angefochtenen Teilurteiles ist daher die Beklagte zu 1) antragsgemäß zu verurteilten mit Ausnahme der Zinsforderung und der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die nicht in vollem Umfang schlüssig dargelegt sind. Das Schreiben vom 29.12.2011 stellt eine Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung dar; mit Ablauf der gesetzten Frist ist die Beklagte zu 1), die Adressatin dieses Schreibens, nur wegen desjenigen Betrages in Verzug gekommen, der mit dem Schreiben gefordert war, nicht also hinsichtlich der Schadensposition Vorhaltekosten; insoweit ist Verzug erst mit Klageerhebung eingetreten. Des Weiteren ist die gesetzte Zahlungsfrist von 14 Tagen, die ab dem Datum des Schreiben beginnen sollte, erst am 12.01.2012 abgelaufen (§ 187 Abs. 1 BGB), Verzug ist also erst mit Beginn des 13.01.2012 eingetreten. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind folglich nur aus den geforderten 27.279.47 EUR zu berechnen.

Da die Beklagte zu 1) im Berufungsverfahren unterlegen ist, hat sie dessen Kosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu tragen. Im Übrigen, also hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits, verbleibt es bei dem vom Landgericht ausgesprochenen Vorbehalt der Kostenentscheidung im Schlussurteil.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.

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