Das Verkehrslexikon

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Verfassungsgerichtshof Sachsen Beschluss vom 30.09.2016 - Va. 79-IV-16 - Keine Verletzung rechtlichen Gehörs bei Abweichung von der Rechtsprechung des BGH

VerfGH Sachsen v. 30.09.2016: Keine Verletzung rechtlichen Gehörs bei Abweichung von der Rechtsprechung des BGH zur Höhe der Sachverständigenkosten




Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen (Beschluss vom 30.09.2016 - Va. 79-IV-16) hat entschieden:

Für die Annahme von Willkür reicht eine lediglich fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Auslegung einfachen Rechts oder die Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen Normen durch die Fachgerichte zu kontrollieren. Hinzukommen muss, dass die Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung oder des Verfahrens mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist.

Siehe auch
Sachverständigenkosten im Verkehrsrecht
und
Rechtliches Gehör

Gründe:

I.

Mit seiner am 23. Juni 2016 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 23. Mai 2016 (108 C 9223/15).

Der Beschwerdeführer ist Geschädigter eines Verkehrsunfalls. Mit der Ermittlung der an seinem Kraftfahrzeug eingetretenen Schadenshöhe beauftragte er ein Sachverständigenbüro, das ihm für das entsprechende Gutachten einen Betrag von 689,37 Euro brutto in Rechnung stellte. Diese Kosten übernahm die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners trotz Annahme einer vollständigen Haftung dem Grunde nach nur in Höhe von 517,65 Euro. Die Differenz von 171,72 Euro machte der Beschwerdeführer daraufhin vor dem Amtsgericht Leipzig klageweise geltend.




Das Amtsgericht Leipzig gab der Klage mit Urteil vom 23. Mai 2016 (108 C 9223/15) nur im Umfang von 129,41 Euro zuzüglich Zinsen statt. Die in der Abrechnung enthaltenen Nebenkosten stellten eine versteckte Erhöhung des Grundhonorars dar, weil sie dieses um mehr als 25 Prozent überstiegen. Die Beklagte könne dem Beschwerdeführer ein überhöhtes Honorar nach § 242 BGB entgegenhalten, weil im Falle der Zahlung überhöhter Sachverständigenhonorare das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstattet werden müsse. Nach § 241 Abs. 2 BGB sei eine Aufklärungspflicht des Sachverständigen gegenüber seinem Auftraggeber darüber anzunehmen, dass sein Honorar gegebenenfalls über den üblichen Abrechnungssätzen liege und insoweit möglicherweise nicht in vollem Umfang von der gegnerischen Versicherung erstattet werde. Das Amtsgericht verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Februar 2014 und sprach im Ergebnis dem Beschwerdeführer die geltend gemachten Nebenkosten nur in Höhe von 25 Prozent des Grundhonorars zu; im Übrigen wies es die Klage ab.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 7. Juni 2016 eine Gehörsrüge, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Juli 2016 zurückwies.

Der Beschwerdeführer sieht in der angefochtenen Entscheidung eine Verletzung des Willkürverbots aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf sowie seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 78 Abs. 2 SächsVerf. Das Amtsgericht sei mit seiner Entscheidung von der herrschenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen, wonach Sachverständigenkosten so lange zu erstatten seien, solange kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Kosten bestehe und dies für den Geschädigten nicht als evidente Überhöhung erkennbar sei. Hierfür seien keine Anhaltspunkte gegeben. Eine Preiskontrolle stehe dem Amtsgericht nicht zu. Darüber hinaus habe es die Nebenkosten des Gutachtens nicht isoliert betrachten dürfen.

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hat Gelegenheit zu einer Stellungnahme gehabt.




II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Anforderungen an ihre Begründung nicht genügt (§ 27 Abs. 1 und § 28 SächsVerfGHG).

1. Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.V.m. § 27 Abs. 1 und § 28 SächsVerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit einer Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen darlegt. Hierzu muss er den Lebenssachverhalt, aus dem er die Grundrechtsverletzung ableitet, aus sich heraus verständlich wiedergeben und im Einzelnen aufzeigen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (SächsVerfGH, Beschluss vom 23. Februar 2010 – Vf. 114-​IV-​09; st. Rspr.).

2. Ein möglicher Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) ist nicht hinreichend dargetan. a) Für die Annahme von Willkür reicht eine lediglich fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Auslegung einfachen Rechts oder die Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen Normen durch die Fachgerichte zu kontrollieren (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 – Vf. 91-​VI-​04; st. Rspr.). Hinzukommen muss, dass die Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung oder des Verfahrens mit den Vorgaben der Verfassung des Freistaates Sachsen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vereinbar ist. Insoweit wird der Beschwerdeführer nur durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, die bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist (SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – Vf. 66-​IV-​09; Beschluss vom 17. Juli 2014 – Vf. 36- IV-​13; st. Rspr.).

b) Dem Beschwerdevorbringen lässt sich ein möglicher Verstoß gegen das so verstandene Willkürverbot nicht entnehmen.

Der in dem angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Februar 2014 vertretenen Rechtsauffassung des Amtsgerichts setzt der Beschwerdeführer lediglich seine einfachrechtliche Sichtweise entgegen und belegt diese anhand umfangreicher Rechtsprechungszitate. Daraus ergibt sich auch in Ansehung der insoweit einfachrechtlich geltenden Grundsätze (dazu schon SächsVerfGH, Beschluss vom 26. April 2013 – Vf. 94-​IV-​12 – [unter II.2.a]bb]) nicht, warum der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts zur Frage der Erforderlichkeit der Gutachtenkosten i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und zu möglichen Gegenansprüchen der Beklagten wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich sein sollte (so schon SächsVerfGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 – Vf. 28-​IV-​16). Dies gilt bereits deswegen, weil sich der Beschwerdeführer mit der Begründung desjenigen Urteils des Oberlandesgerichts Dresden nicht auseinandersetzt, dem sich das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich angeschlossen hat. Weder legt der Beschwerdeführer diese Entscheidung vor, noch berichtet er über die dortige und vom Amtsgericht im Ergebnis in Bezug genommene Herleitung der „25 Prozent-​Grenze“ oder zeigt sonst auf, warum die dem zu Grunde liegenden Erwägungen offensichtlich unhaltbar sein sollten.

Es ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich, dass in der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts zwischen Grundhonorar und „Nebenkosten“ der Sachverständigentätigkeit differenziert wird (vgl. hierzu SächsVerfGH, Beschluss vom 28. September 2015 – Vf. 89-​IV-​14).



3. Wodurch das angefochtene Urteil den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 78 Abs. 2 SächsVerf verletzt haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. § 24 BVerfGG.

IV.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG).

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