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Amtsgericht Recklinghausen Urteil vom 15.01.2018 - 51 C 232/17 - Unternehmer muss über die notwendigen Arbeiten aufklären

AG Recklinghausen v. 15.01.2018: Vertragliche Aufklärungspflicht des Kfz-Reparatur-Unternehmers über die notwendigen Arbeitsschritte


Das Amtsgericht Recklinghausen (Urteil vom 15.01.2018 - 51 C 232/17) hat entschieden:

   Wie bei jedem Werkvertrag besteht für den Unternehmer kraft überlegener Sachkunde die Nebenpflicht, einen Laien als Auftraggeber darüber aufzuklären, welche Arbeiten tatsächlich zur Erreichung des Auftragsziels erforderlich sind und bei welchen es sich um Zusatzleistungen handelt. Nimmt er die Zusatzleistungen ohne diese Aufklärung vor, dann steht dem Auftraggeber anschließend ein - ggf. an den Haftpflichtversicherer abtretbarer - Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB aus Aufklärungspflichtverletzung zu, gerichtet auf Erstattung dessen, was er für die nicht erforderlichen Zusatzleistungen bereits bezahlt hat.



Siehe auch

Reparaturkosten

und

Aufklärungspflicht der Werkstatt über Reparaturschritte und Kosten


Tatbestand:


Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehenden Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, weil die Beklagte den zur Reparatur der Unfallschäden erforderlichen Betrag bereits vorgerichtlich reguliert hatte.

I.

Da der Austausch der Rechtsauffassungen der Parteien teilweise unscharf war, sei eingangs Folgendes zum Spannungsverhältnis von Erforderlichkeit von Arbeitsschritten, Vertrauen des Geschädigten in die Richtigkeit des ihm Mitgeteilten und etwaigen sich daraus ergebenden Ansprüchen festgehalten:

- Rechnet ein Geschädigter auf fiktiver Basis ab, ohne dass also die sich aus einem Gutachten oder Kostenvoranschlag ergebenden Arbeitsschritte in Auftrag gegeben und berechnet sind, dann steht das Gutachten bzw. der Kostenvoranschlag in vollem Umfang zur Überprüfung. Arbeitsschritte daraus, die objektiv nicht erforderlich sind, kann der Geschädigte nicht ersetzt verlangen.

- Sind die Arbeiten dagegen durchgeführt und vom Geschädigten bezahlt, dann kann er von der gegnerischen Versicherung vollen Ersatz verlangen. Es gilt der vom Kläger zu Recht zitierte Grundsatz, dass ein Geschädigter alle Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Dritter an seiner Stelle ebenfalls getätigt hätte; entsprechen die durchgeführten Arbeitsschritte einem zuvor eingeholten Schadensgutachten, ist das in der Regel unproblematisch zu bejahen.




Im Gegenzug für den vollen Schadensersatz hat die gegnerische Versicherung allerdings einen Anspruch auf Abtretung von Schadensersatzansprüchen, die dem Geschädigten gegen die Reparaturwerkstatt zustehen, wenn Arbeitsschritte durchgeführt worden sind, die zur Schadensreparatur nicht erforderlich waren. Denn wie bei jedem Werkvertrag besteht für den Unternehmer kraft überlegener Sachkunde die Nebenpflicht, einen Laien als Auftraggeber darüber aufzuklären, welche Arbeiten tatsächlich zur Erreichung des Auftragsziels erforderlich sind und bei welchen es sich um Zusatzleistungen handelt. Nimmt er die Zusatzleistungen ohne diese Aufklärung vor, dann steht dem Auftraggeber anschließend ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB aus Aufklärungspflichtverletzung zu, gerichtet auf Erstattung dessen, was er für die nicht erforderlichen Zusatzleistungen bereits bezahlt hat.

- Sind nun die Arbeiten durchgeführt, aber noch nicht vom Geschädigten bezahlt und klagt der Geschädigte auf Freistellung von den Reparaturkosten oder, wie hier, auf Zahlung an die Reparaturwerkstatt, dann ist ein solcher Schadensersatzanspruch von vornherein vom Werklohn
- und damit von der Schadensersatzforderung gegen die gegnerische Versicherung – abzuziehen. Denn sobald dem Geschädigten bekannt ist, dass ein solcher Anspruch gegen die Werkstatt besteht, kann er sich nicht mehr auf ein schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit der Abrechnung berufen. Im Sinne der Schadensminderung (§ 254 BGB) muss er seine Rechte gegen die Werkstatt geltend machen, bevor die Rechnung vollständig ausgeglichen ist und er (oder die gegnerische Versicherung) hinterher auf eine mühselige Rückforderung verwiesen ist.


Das gilt übrigens auch für den Fall, dass der Geschädigte gegenüber der Werkstatt eine "Reparatur nach Gutachten" in Auftrag gibt. Denn auch in diesem Fall weiß ja die Werkstatt, was von den aufgelisteten Arbeiten wirklich zur Reparatur nötig ist und was nicht; auch in diesem Fall hat sie also den Geschädigten als ihren Auftraggeber entsprechend aufzuklären.





II.

Zur Darlegungs- und Beweislast gilt im konkreten Fall Folgendes:

Die Beklagte ist diejenige, die sich darauf beruft, dass der Kläger einen ihm zustehenden Anspruch gegen die Reparaturwerkstatt geltend machen müsse. Es ist daher auch sie, die das Vorliegen eines entsprechenden Anspruchs darlegen und beweisen muss. Ihr kommen jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute, weil sie erstens nicht selbst in den Reparaturvorgang eingebunden war und damit keine eigenen Kenntnisse über dessen Einzelheiten hat, und weil es sich bei den streitgegenständlichen Positionen zweitens um solche handelt, die nicht die eigentliche Fahrzeugreparatur betreffen und bzgl. derer die Erforderlichkeit darum erläuterungsbedürftig ist.

Daraus erwächst dem Kläger, eine sekundäre Darlegungslast, d.h. er hat die erforderlichen Erläuterungen in substantiierter Weise zu liefern, weswegen die hier streitgegenständlichen Positionen zum erstattungsfähigen Schaden gehören sollen.

III.

Dieser Darlegungslast hat der Kläger aber hinsichtlich keiner der hier streitgegenständlichen Positionen genügt. Im Einzelnen:

- Die durchgeführte Reparatur betraf offenbar keine Bauteile, die für die Fahrfähigkeit des Fahrzeugs relevant sind. Insbesondere wurden z.B. keine Reparaturen am Motor, an der Elektronik, an den Bremsen oder am Fahrwerk vorgenommen. Ein Auto, das vorher normal gefahren ist, sollte nach so einer Reparatur also genauso normal fahren. Der Kläger hätte daher darlegen müssen, welchem genauen Ziel die in Rechnung gestellte Probefahrt diente, was also genau damit überprüft werden sollte. Das hat er aber nicht getan.

Stattdessen hat er lediglich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Probefahrt tatsächlich stattgefunden hat (was als richtig unterstellt werden mag), und er hat vorgetragen, dass es im Haus der von ihm beauftragten Werkstatt "selbstverständlich" sei, dass jedes Fahrzeug vor Übergabe an den Kunden – kostenpflichtig? – überprüft werde.

Das Gericht hat gewisse Zweifel, ob die Werkstatt tatsächlich auch jedem "Selbstzahler" nach jeder Reparatur ohne nähere Erläuterung eine Probefahrt für € 40,45 brutto in Rechnung stellt; das mag aber dahinstehen. Ohne nähere Erläuterung kann es jedenfalls nicht als eine zur sach- und fachgerechten Reparatur des Unfallschadens des Klägers erforderliche Maßnahme angesehen werden, sondern es ist eine aufklärungspflichtige Zusatzleistung, über die der Kläger offenbar nicht aufgeklärt worden ist. Dies führt zu der oben beschriebenen Folge, dass keine Zahlung von der Beklagten an die Werkstatt verlangt werden kann.




Wenn es übrigens allein darum gegangen sein sollte, zu überprüfen, ob die Werkleistung vollständig und mangelfrei erbracht worden ist, dann wäre dies – selbstverständlich – von vornherein Sache des Werkunternehmers und nicht des Kunden.

- Ebenso fehlt substantiierter Vortrag zur Erforderlichkeit der Fahrzeugreinigung; wiederum hat der Kläger nur unter Beweis gestellt, dass sie tatsächlich durchgeführt worden sei.

Grundsätzlich wird man davon ausgehen können, dass eine Verschmutzung des Autos im Rahmen durchgeführter Reparaturarbeiten bis zu einem gewissen Grad zu den allgemeinen Lästigkeiten gehört, die ein Unfallgeschädigter hinzunehmen hat und die mit der allgemeinen Unfallkostenpauschale von € 25,- abgegolten sind, die vermutlich auch der Geschädigte erhalten hat. Reinigungskosten, noch dazu in Höhe von hier € 41,65 brutto, wird man nur dann gesondert zum Reparaturumfang rechnen können, wenn gerade durch die konkret erforderliche Reparatur eine spezifische, über das allgemein übliche und hinzunehmende Maß hinausgehende Verschmutzung des Fahrzeugs eintritt. Dazu aber ist nichts vorgetragen.

- Was die Entsorgungskosten angeht, ist eine pauschale Berechnung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Oftmals wird es ja um Kleinteile gehen, und einer Werkstatt ist nicht zuzumuten, den Verbleib jedes einzelnen Teils nachzuhalten. Wenn jedoch der Anspruchsgegner ausdrücklich nachfragt, die Entsorgung welcher Teile entsprechende Kosten ausgelöst haben sollen, dann obliegt es dem Anspruchsteller, dies mindestens beispielhaft zu benennen. Ein pauschaler Beweisantritt, der darauf gerichtet ist, dass wohl "irgendetwas" entsorgt worden sein wird, reicht nicht aus. Denn ein Eintritt in eine Beweisaufnahme setzt substantiierten Sachvortrag voraus und kann diesen nicht ersetzen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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